Meditieren hilft! - Eine praktische Einführung für alle

Meditieren hilft! - Eine praktische Einführung für alle

 

 

 

von: Martin Steiner, Pascal Mösli

Verlag Herder GmbH, 2013

ISBN: 9783451345951

Sprache: Deutsch

240 Seiten, Download: 3794 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Meditieren hilft! - Eine praktische Einführung für alle



II Bewegungen


Im vorherigen Kapitel haben wir Übungen beschrieben, die helfen, die eigene Tiefe zu entdecken. Nun macht es aber einen großen Unterschied, in welcher Haltung ich eine Übung mache. Wenn ich eine Meditation mit spielerischer Neugier mache „Ah, wie ist denn das? Was passiert denn da?“, wird etwas anderes geschehen, als wenn ich verbissen daran herangehe: „Das muss doch gehen!“ Im ersten Fall werde ich etwas entdecken, was auch immer, im zweiten Fall werde ich angespannter werden. Meditation ist nicht automatisch hilfreich im Leben eines Menschen. Es hängt ganz davon ab, wie sie praktiziert wird. Auf die Ausrichtung kommt es an. Mit welcher Bewegung gehe ich an die Meditation heran und welche Bewegungen in mir stärke ich durch Meditation und Achtsamkeit? Das Wie ist wichtiger als das Was. Wie mache ich das, was ich mache? Das eingangs erwähnte Beispiel mit der Verbissenheit ist nicht zufällig gewählt. Meditation wird häufig eingesetzt aus dem unbewussten Wunsch heraus, mehr Kontrolle über das Leben zu bekommen. Wenn es mir mit meinem Willen nicht gelungen ist, vollständige Kontrolle über mein Leben zu gewinnen, so soll die Spiritualität jetzt den Weg öffnen zu dem, was ich will.

1 Vom verbissenen Üben zum neugierigen Forschen


Es gilt Neuland zu entdecken, die Tiefe meines Daseins zu erkunden, Muster meines Verhaltens zu durchschauen und so an innerer Freiheit zu gewinnen. Das ist spannend, aufregend und bisweilen – wie bei Entdeckungen ganz normal – auch anstrengend und gefährlich. Will ich etwas entdecken, brauche ich Interesse. Irgendetwas habe ich „gerochen“. Ich ahne, dass es da etwas gibt, was für mich wichtig ist. Diese Haltung des Forschens führt weiter. Es gibt dafür auch einen anderen Ausdruck: Anfängergeist. Eine neue Beziehung zu beginnen, den ersten Satz in ein neues Heft zu schreiben, eine neue Arbeit anzufangen: das hat etwas Aufregendes. Wir sind hellwach, mit ganzer Aufmerksamkeit dabei. Beim Meditieren erliegen wir schnell der Versuchung, ein bestimmtes Gefühl (wieder-)finden zu wollen. Der Anfängergeist bewahrt uns davor, unseren Vorstellungen zu folgen, wie wir meinen, dass es sein sollte. Auch die fünfte und die fünfzigste und die fünfhundertste Meditation werden mich mit Wesentlichem in Berührung bringen, wenn ich Sie im Anfängergeist angehe. So kommen wir im Meditieren weg von richtig oder falsch und werden zu Erfahrenden. Wir erfahren, was jetzt geschieht. Wir erforschen die Oberfläche und die Tiefe unseres Geistes.

Interesse, Neugier wird in mir von etwas geweckt, das mich anzieht, in mir etwas zum Klingen bringt. Wir können es nicht genau benennen, aber wir spüren es. Das Ziel zieht mich an. Vielleicht begegne ich einem Menschen, der eine Ruhe und Kraft ausstrahlt, die ich mir wünsche. Seine oder ihre Präsenz weckt in mir ein schlummerndes Potenzial. Ein Sog entsteht, es zieht mich hin. Das ist etwas ganz anderes als Druck: Das muss bis dann und dann gemacht sein; das oder das muss sich ändern; das muss ich haben etc. Der Sog folgt wie das Wasser dem Gefälle. Schwerkraft ist auch Sog. Ich folge dem, was mich anzieht. Das Finden ereignet sich; es ist ein Entdecken. Es war schon da, sonst hätte ich es ja nicht gespürt. Nun ziehe ich die Decke weg von dem, was mich anzieht. Beim Meditieren entdecken wir uns selber. Wir durchschauen unsere Vor-stellungen – das, was wir vor die Wirklichkeit stellen – und sehen, was ist. Wir erleben Ent-Täuschung um Ent-Täuschung. Konrad Lorenz, der als Mutter der Graugänse berühmt wurde, sagte, das Wichtigste für einen Forscher sei, dass er jeden Morgen eine seiner Lieblingshypothesen über Bord wirft. Er will der Wahrheit näherkommen, also muss er das, was ihn daran hindert, loslassen.

2 Von der äußeren Haltung zum Aufrichten von innen


Gerade am Anfang einer Meditation hat man oft den Eindruck, dass man das nur rein äußerlich macht. Gedanken könnten sein: „Eigentlich ist mir gerade gar nicht danach, mich aufzurichten. Ich sollte es dann tun, wenn mir wirklich danach ist, sonst hilft es ja gar nicht“. Tatsächlich wirkt die äußere Haltung jedoch auf die innere. Probieren Sie es aus, ja, gerade in diesem Moment, da Sie diese Zeile lesen. Richten Sie sich langsam zu Ihrer vollen Größe im Sitzen oder Stehen auf. Atmen Sie tief ein und aus. Entspannen Sie sich in der aufrechten Haltung. Diese Aufrichtung kann auf eine Art von innen her geschehen, dass man es Ihnen von außen gar nicht anmerken würde, dass Sie sich gerade aufrichten. Aber Sie selber merken es. Spüren Sie, dass Ihre Wachheit zugenommen hat und Sie Ihre Präsenz besser spüren? Dass Sie mehr da sind?

Die äußere Haltung wirkt auf Ihre innere Haltung. Es wird sich am Anfang vielleicht etwas künstlich und anstrengend anfühlen, aufrecht zu sitzen, aber es wirkt. Je mehr Sie es machen, umso mehr werden Sie von Innen her spüren, welche Haltung Ihnen jetzt gut tut. Das Bedürfnis, aufrecht und entspannt zu sein, wird zunehmen. Sie werden schneller merken, dass Sie Ihre Schultern wieder hochgezogen haben – um sich zu schützen? Durch Meditation verstärken Sie Ihr subtiles Körperbewusstsein. Sie verankern sich mit Ihrem Bewusstsein tiefer im Sein und werden dadurch gelassener, spüren mehr Vertrauen in den Fluss der Ereignisse, folgen entspannter dem Strom des Lebens. Das wird in Ihrer Haltung sichtund spürbar. Ihre innere Haltung formt Ihre körperliche Haltung. Wer tief in sich selbst verankert ist und das Glück in sich schon gefunden hat, tritt anders auf als jemand, der krampfhaft dem Leben hinterrennt.

Das ist also ein Wechselspiel: Ihre innere Haltung formt Ihre äußere Haltung. Aber über die äußere Haltung können Sie auf Ihre innere Haltung einwirken. Indem Sie eine gewisse äußere Haltung einnehmen, erinnern Sie Ihr ganzes System an eine innere Wahrheit. Das ist eine wichtige Information für Krisensituationen. Sie holen sich selbst her über den Körper. Sie stellen sich der unangenehmen Erfahrung zuerst ganz äußerlich. Sie bleiben stehen, halten inne, richten sich auf, atmen einmal tief durch. Vielleicht legen Sie Ihre Hand auf das Herz, die andere auf den Bauch und versuchen so drei, vier Atemzüge lang sich wieder zu spüren und aus dem roten wieder in den gelben und später in den grünen Bereich zu kommen, in dem Sie klar denken können. Eine Meditationshaltung ist eine Haltung der Sammlung. Mit der Zeit können Sie die Sammlung auch ohne Meditationshaltung aufrufen. Sind Sie jedoch wieder einmal nervös, gereizt, fahrig, kann die äußere Haltung der Sammlung Ihnen wieder zur inneren Sammlung helfen.

3 Von großen Bewegungen zu immer kleineren


Frau K war heute zum siebten und letzten Mal bei der Gruppentherapie. Sie fasste ihre Erfahrungen vor der Gruppe folgendermaßen zusammen: Sie habe lange nicht verstanden, worum es da geht und was sie machen solle. Sie habe sich immer was Großes vorgestellt, was da passieren würde, wenn sie es richtig machen würde. Sie brauchte also lange, erst jetzt sei ihr der Knopf aufgegangen. Vor einer Woche war es in der Zweierarbeit die immer wiederkehrende Frage: „Wie verhinderst du den Kontakt mit deinem Innern?“ Das war hart, aber hilfreich für sie. Es sei ihr gedämmert, wie sie selbst – ohne sich dessen bewusst zu sein – den Kontakt mit ihrem Innern verhindere. Gestern beim Meditationskurs ist ihr klar geworden, dass man nicht ohne Übergang in die Entspannung und Meditation gehen kann, sondern zuerst den Körper spüren muss. Gestern habe sie das erste Mal die innere Stille wahrgenommen und das sei wunderbar gewesen.

Ein abrupter Übergang vom Tätigsein ins Stillsitzen ist schwierig. Man sitzt dann zwar still da, aber innen drinnen geht es rund. Die Dynamik der vorherigen Bewegung hat sich ins Denken verlagert, innere Unruhe ist die Folge. Hilfreicher ist es, den Emotionen ein wenig Ausdruck zu verleihen, indem ich mich kraftvoll bewege, rufe, töne, singe, stöhne, mich ausschüttle, den eigenen Körper als Trommel nutze und so weiter. Patienten, die von eher sitzenden Tätigkeiten wie Gesprächen oder Gruppentherapien kommen, versuche ich zuerst, in Bewegung zu bringen, sonst denkt es einfach weiter. Bewegen auf eine lustvolle Art und Lachen sind die beste Medizin. Nach und nach lasse ich die Bewegungen kleiner werden, gehe in eine sitzende Haltung über, kreise mit dem Kopf, den Schultern, dem ganzen Oberkörper und lasse auch diese Bewegungen immer kleiner werden, bis ich in meiner Mitte ankomme. In diesem Moment gehe ich mit meiner Aufmerksamkeit zu den Bewegungen in mir, die immer stattfinden, auch wenn ich ruhig sitze oder schlafe: Atem und Herzschlag. Das ist ein wunderbarer Anker für die Aufmerksamkeit. Ich bin da und spüre meinen Atem kommen und gehen und werde still dabei. Gedanken, die auftauchen, nehme ich wahr – „Ah, ein Gedanke“ – und beschäftige mich nicht weiter mit ihnen. Denn meine Aufmerksamkeit liegt bei der Bewegung meines Atems. Ich gehe noch weiter nach innen, spüre meine innere Lebendigkeit, die innere Stille. Wenn ich kann, bleibe ich in dieser inneren Stille. Sobald Gedanken mich zu beschäftigen beginnen, gehe ich mit meiner Aufmerksamkeit wieder zur Bewegung des Atems.

Ich begegne immer wieder der Vorstellung, beim Meditieren müsse man ganz regungslos und ohne Gedanken sein. Diese Vorstellung hält Menschen verständlicherweise vom Meditieren ab. Sie ist auch nicht zutreffend. Beim Meditieren richte ich meine Aufmerksamkeit auf Bewegungen. Nur gehe ich immer mehr nach innen dabei und wähle immer feinere Bewegungen. Da ist immer etwas, was ich wahrnehme. Die Erfahrung der inneren Stille und Leere ist etwas, was sozusagen von hinten kommt und...

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