Muss denn Liebe Sünde sein? - Liebe, Lust und Leidenschaft in den großen Weltreligionen

Muss denn Liebe Sünde sein? - Liebe, Lust und Leidenschaft in den großen Weltreligionen

 

 

 

von: Uwe Bork

Gütersloher Verlagshaus GmbH, 2005

ISBN: 9783579065076

Sprache: Deutsch

193 Seiten, Download: 1489 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Muss denn Liebe Sünde sein? - Liebe, Lust und Leidenschaft in den großen Weltreligionen



Verbotene Leidenschaften (S. 94-95)

Die Situation am Rand der Stadt Sodom sieht nicht nur bedrohlich aus. Sie ist es. Eine Stimmung von Gewalt liegt in der Luft, die immer noch zu flirren scheint, nachdem es den ganzen Tag über wieder glühend heiß gewesen ist. Mensch und Tier hoffen an diesem Abend auf Abkühlung, aber der hat bislang sein Versprechen noch nicht eingelöst. Nur die Schatten sind länger geworden.

Die Nerven der Menschen, die sich in den Gassen und auf den Plätzen zeigen, sind bis zum Zerreißen gespannt. Die Hitzewelle der vergangenen Wochen hat sie auch nachts nur selten Ruhe finden lassen, seit Tagen lässt ihre Übermüdung kaum noch einen klaren Gedanken zu. Mehr als nervös reagieren sie auf alle Einflüsterungen und Gerüchte, auf jedes Gerede, das aus den dunklen Gängen zwischen den Häusern dringt, auf jedes Wort, das ihnen der Wind zuträgt.

Gefühle regieren jetzt in der Stadt, eine gefährliche Herrschaft. Fremde sind gekommen, hat es heute geheißen. Fremde, die irgendwie merkwürdig wirken. Nicht wie Leute von hier. Und aufgenommen hat sie ausgerechnet dieser Lot, selbst noch ein halber Fremder, ein Zugezogener, der nicht dazugehört. Man ist nicht gut zu sprechen auf diesen Ex-Nomaden, diesen neureichen Viehzüchter, an diesem heißen Abend, in dieser heißen Stadt.

Und so sind dann ein paar Dutzend verschwitzter Männer vor Lots Haus gezogen, um es diesen hergelaufenen Typen einmal so richtig zu zeigen. Ihnen zu demonstrieren, wer wirklich das Sagen hat in Sodom. Sie sollen am eigenen Leib spüren, was mit denen geschieht, die vielleicht ein bisschen anders sind als andere.

Die Dämmerung bricht herein, und draußen zündet man die ersten Fackeln an. Ihr blakendes Lodern gibt der Szene noch mehr Gefährlichkeit. Unzählige Fäuste trommeln gegen Lots Tür. Sie ist aus massivem Holz und mit dicken Querbalken verstärkt, aber lange wird sie den Schlägen nicht mehr standhalten können.

Als aus dem Stadtzentrum immer mehr Menschen zur Menge vor dem Haus stoßen, gerät die Situation zusehends außer Kontrolle. Waren anfangs vereinzelt noch Stimmen zu hören gewesen, die zu Ruhe und Besonnenheit mahnten, fliegen jetzt Steine gegen das Haus, poltern krachend gegen die Läden. »Schick die Kerle raus, dann passiert dir nichts! Die Typen gehören uns!«, grölt es im Chor, und es ist klar, was das bedeutet.

Im Innern des bestürmten Hauses hat man trotzdem die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Lot ist ein besonnener Mann, und er setzt nach wie vor auf eine gütliche Lösung. Für sie nimmt er seinen Mut zusammen. Obwohl seine Frau ihn laut kreischend für wahnsinnig erklärt und seine Töchter sich in seinen Umhang krallen, um ihn zurückzuhalten, öffnet er die Tür einen Spalt und schiebt sich durch den schmalen Durchlass hinaus ins Freie.

Offene Feindschaft schlägt ihm entgegen und nagelt ihn förmlich gegen die Wand. Vor einem auf ihn geschleuderten Stein kann er gerade noch rechtzeitig abtauchen, und einen Moment lang überlegt er, ob er wirklich zum Helden taugt, da hört er es wieder: »Her mit den Typen! Die Kerle gehören uns! Schick sie raus, dann passiert dir nichts. Wir wollen mit ihnen doch nur ein bisschen Spaß haben!«

Ausgerechnet so hätten sie ihm nun gerade nicht kommen dürfen, denn ein Mann wie Lot kneift nicht. Ein Mann wie Lot steht zu seinen Grundsätzen. »Leute«, versucht er ein letztes Mal die Situation zu beruhigen, »geht nach Hause! Meine Gäste haben euch doch nichts getan!« Statt einer Antwort fliegt ein weiterer Stein, und Lot erkennt, dass er mit einem Appell an die Vernunft hier nicht weiterkommt. Um Leib und Leben seiner Besucher zu retten, greift er deshalb zu einem verzweifelten Angebot: »Hört her, Leute«, seine Stimme will ihm kaum gehorchen, »ihr wisst, dass ich zwei Töchter habe, die noch keinem Mann gehören. Ihr könnt mit ihnen machen, was ihr wollt, aber lasst meine Gäste in Frieden!«

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