Umgang mit demenzkranken Menschen
von: Günther Schwarz
Psychiatrie-Verlag, 2009
ISBN: 9783884147368
Sprache: Deutsch
145 Seiten, Download: 631 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Unterstützung für Angehörige (S. 124-125)
Als Familienangehöriger einen demenzkranken Menschen über längere Zeit zu betreuen ist mit einer enormen zeitlichen, psychischen und physischen Belastung verbunden, ganz besonders dann, wenn die Betreuung vorwiegend von nur einer Person übernommen wird. Nicht umsonst spricht man oft davon, dass von einer Demenzerkrankung meist mindestens zwei Personen betroffen seien, der Kranke selbst und der betreuende Angehörige.
Akzeptanz
Zu Beginn der Erkrankung ist es für die Angehörigen vor allem schwer, die Krankheit als solche zu erkennen und anzunehmen. Sie verhalten sich dem Kranken gegenüber entsprechend ihren Gewohnheiten und machen gerade dadurch viele Fehler, die zu Spannungen, gegenseitigem Misstrauen, Enttäuschungen und allgemein zu einer Belastung der gemeinsamen Beziehung führen: »Du hast doch den Termin vergessen, nun wirf mir nicht vor, einen Fehler gemacht zu haben!«, »Du musst dich halt richtig bemühen, streng dich doch an, dann kannst du das!« Oder auch: »Ich verlege dir doch die Schlüssel nicht, warum beschuldigst du mich? Du behandelst mich so schlecht.«
Solche und ähnliche Aussagen machen Angehörige zunächst oft im Kontakt mit Kranken und verhalten sich damit eigentlich ganz normal. In der Folge jedoch wird die Beziehung zwischen beiden immer schlechter und jeder hält den anderen für verantwortlich dafür. Die Veränderungen durch eine Demenz werden zunächst nicht kognitiven Beeinträchtigungen zugeschrieben, sondern meist nur als verändertes Verhalten wahrgenommen. Selbst wenn die Demenzerkrankung erkannt ist, fällt es den Angehörigen immer noch schwer, sich von den gewohnten Umgangsweisen zu lösen.
Der Schock über die Diagnose lähmt und erschwert es, die Krankheit als Realität zu akzeptieren. Stattdessen klammern sich Angehörige umso mehr an die bisherige gemeinsame Wirklichkeit und suchen Schutz in vertrauten Strukturen. Das Bedrohliche auszublenden vermittelt vorübergehend Sicherheit. Es soll alles möglichst lange so bleiben, wie es ist. So werden auch andere Familienmitglieder oft zunächst nicht eingeweiht und die Veränderung verheimlicht.
Diese Haltung kann für kurze Zeit durchaus wichtig sein, um sich nicht überwältigt zu fühlen. Wir brauchen Zeit, um die belastende Information Schritt für Schritt aufzunehmen und uns auf die Veränderungen einzustellen. Entsprechend erfahren wir auch, dass das Leben trotz der schockierenden Nachricht im Grunde zunächst weitergeht wie bisher. Wird die Krankheit jedoch nicht nach und nach akzeptiert und verschließen sich Angehörige gegenüber den Realitäten, dann sind Probleme auf allen Seiten vorprogrammiert.