Die Europäische Union

Die Europäische Union

 

 

 

von: Dietmar Herz

C.H.Beck, 2002

ISBN: 9783406447594

Sprache: Deutsch

145 Seiten, Download: 695 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Europäische Union



2. Die Geschichte des europäischen Gedankens (S. 17-19)

Die Idee eines vereinten Europa war keineswegs neu - wenn auch nicht so alt wie der Name des Kontinents. Der Mythos von der phönizischen Prinzessin, die von Zeus entführt und aus ihrer asiatischen Heimat in ein Land gebracht wurde, dem sie ihren Namen gab, deutet auf die Herkunft Europas aus Asien. Ideengeschichtlich blieb der Mythos allerdings folgenlos. Die Vorstellung eines gesonderten Europa, das sich von anderen Räumen und Kontinenten unterscheidet, entwickelte sich erst viel später, parallel zur Herausbildung der nationalen Identitäten.

Die Antike und das Mittelalter kannten keine Vorstellung einer europäischen Identität. Erst in der Neuzeit wurden ältere historische Entwicklungen in diesem Sinne umgedeutet. Ein "europäisches Selbstverständnis" wurde nun schon in die Antike zurückprojiziert. Letztlich waren diese Erklärungen jedoch anachronistisch. Die Auseinandersetzungen zwischen den griechischen Stadtstaaten und den persischen Achämeniden waren keine Auseinandersetzungen zwischen "Europa" und "Asien"; den Kontrahenten fehlte die Vorstellung, daß Europa und Asien politisch oder kulturell abgeschlossene Räume sein könnten. Die "Welt" wurde als ganze gesehen: Ägypten, Kleinasien, Griechenland und Sizilien bildeten in der griechischen Antike eine Einheit, die durch Kolonisation und Auseinandersetzungen ständig erweitert wurde. Erst eine spätere Zeit hat die Konflikte antiker Herrschaftssysteme zur ersten Selbstbehauptung Europas stilisiert. Auch das zuletzt den ganzen Mittelmeerraum umfassende Römische Reich bildete eine aus asiatischen, afrikanischen und europäischen Provinzen bestehende Einheit, die auf der hellenistischen Kultur, den Strukturen einer hoch entwickelten Verwaltung, dem römischen Recht und nicht zuletzt dem römischen Militär beruhte. Als das Reich zerbrach, trat das Christentum als einheitsstiftendes Band an seine Stelle. Die Konflikte der christlichen Welt waren Binnenkonflikte; die Einheit der Welt konnte nur durch religiöse Spaltung oder fremde Religionen gefährdet werden. Das Schisma mit den Kirchen des Ostens, das Vordringen des Islam und schließlich die Reformation zerstörten die Einheit dieses Raumes, den einst das Römische Reich beherrscht hatte. Im Westen und Norden Europas bildeten sich Staaten, die ein geschlossenes Territorium beherrschten. Gleichzeitig entstand die Vorstellung von "Europa " als einem System solcher Staaten. "Europa" war bis zur Reformation bloß ein geographischer Begriff gewesen. Erst jetzt, als Folge der Entstehung von Staaten und ihrer Auseinandersetzung mit der nichtchristlichen Welt - vor allem dem Osmanischen Reich -, entstand ein Bewußtsein von Europa. Aus dem geographischen Begriff "Europa" wurde der eines politisch und religiös-kulturell bestimmten Staatensystems.

Europa als Gegenbild zu Asien. Mit der Entdeckung Asiens als kulturellem Raum begann im 18. Jahrhundert eine zweite Phase der europäischen Bewußtwerdung. Der Begriff "Europa " entwickelte sich nun in Abgrenzung von asiatischen Kulturen, Sprachen und Religionen. War die Welt außerhalb Europas bisher schlicht als anders und nicht-zugehörig verstanden worden, so entwickelte sich nun eine mit Werturteilen behaftete Vorstellung von der außereuropäischen Welt. Die Unterschiede zwischen Europa und Asien - Afrika und Amerika spielten zunächst kaum eine Rolle - wurden deutlicher wahrgenommen. Anfangs war die Abgrenzung mit Bewunderung verbunden. Asien galt als das Ursprungsgebiet der Hochreligionen und großer kultureller Errungenschaften. Mit den militärischen und wirtschaftlichen Erfolgen der europäischen Staaten im 19. Jahrhundert machte diese Auffassung aber einer anderen Deutung Platz. Koloniale Herrschaft, Industrialisierung und wirtschaftlicher Fortschritt in Europa weckten europäische Überlegenheitsgefühle. Europa wurde zum Gegenbild einer als rückständig und barbarisch angesehenen Welt. Gegenüber den "barbarischen Völkern" nahm Europa sogar einen zivilisatorischen Auftrag in Anspruch. Im Rückblick wurde nun die Auseinandersetzung mit dieser Welt als Abwehr ständiger Bedrohungen interpretiert. Schon immer schien man in Europa von asiatischen Völkern bedroht: den Persern und Parthern in der Antike, den Hunnen in der Völkerwanderungszeit, den Arabern und Mongolen im Mittelalter, schließlich den Türken in der frühen Neuzeit. Rückblickend entwickelte sich so das Bild eines "überlegenen Europa", das angesichts der Schrecken und Drohungen der Gegenseite umso heller strahlte. Europa entstand, so behauptete man, im Kampf mit den Angreifern aus dem Osten.

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