Grundinformation Dogmatik - Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Studium der Theologie
von: Rochus Leonhardt
Vandenhoeck & Ruprecht, 2004
ISBN: 9783825222147
Sprache: Deutsch
328 Seiten, Download: 1882 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
I. Fundamentaltheologie (S. 63-64)
§ 1 Die Theologie
Die Dogmatik ist eine unter mehreren Disziplinen der Theologie. Im Spektrum der theologischen Einzelfächer steht sie neben den Bibelwissenschaften (Altes und Neues Testament) und der Kirchengeschichte sowie der Praktischen Theologie (einschließlich der Religionspädagogik). Die Palette der theologischen Fächer an den deutschen Universitäten wird z. T. noch durch weitere Disziplinen bereichert, so z. B. Religions-, Missions- und Ökumenewissenschaft.
Am Beginn dieses Überblicks über die Hauptprobleme der christlichen Dogmatik tritt zuerst die Theologie als Ganze ins Blickfeld (1.1). Denn was wir heute unter Dogmatik verstehen, war etwa 1½ Jahrtausende lang mit Theologie insgesamt nahezu identisch. Die Aufgliederung der Theologie in ihre Einzeldisziplinen mit jeweils spezifischen Fragestellungen hat sich erst in der Neuzeit vollzogen, hauptsächlich zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. An die Bestimmung der Aufgabe der Dogmatik innerhalb der theologischen Einzelfächer schließen sich Überlegungen zum Gegenstand (1.2) und zum Wissenschaftsstatus (1.3) der (dogmatischen) Theologie an.
1.1 Dogmatik als Disziplin der Theologie
Systematische Theologie ist diejenige Gestalt von Theologie, die auf dem Boden des biblischen Zeugnisses und im Horizont der (kirchen-)geschichtlichen Tradition als Funktion der Kirche den auf Offenbarung beruhenden christlichen Glauben nach seinen zentralen Inhalten (Dogmatik) und nach seinen praktischen Handlungsorientierungen (Ethik) auf wissenschaftliche Weise, d. h. methodisch, begründend und kritisch, und systematisch, also als klares und gegliedertes Ganzes, denkend entfaltet, auf die jeweilige Situation bezieht und so die christliche Wahrheit als eine gegenwärtige verantwortet.
H. Fischer, Protestantische Theologie, 305.
Die zitierte Definition von H. Fischer hat das Ziel, die für die Dogmatik charakteristische Fragestellung zu verdeutlichen. Was dabei gesagt wird, bezieht sich allerdings nicht auf den Begriff der Dogmatik, sondern den der Systematischen Theologie. Das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander wird dabei so verstanden, dass die Dogmatik (neben der Ethik) ein Teilgebiet der Systematischen Theologie darstellt: Für die Systematische Theologie insgesamt gilt, dass sie die christliche Wahrheit zusammenhängend entfaltet und als eine gegenwärtige verantwortet. Dies tut die Ethik hinsichtlich praktischer Handlungsorientierungen, die sich aus dem christlichen Glauben ergeben, und dies tut die Dogmatik im Hinblick auf die zentralen Inhalte des Glaubens, wie sie in den Glaubensbekenntnissen zusammengefasst sind.
Es ist zwar weithin üblich, Dogmatik und Ethik als Teildisziplinen der Systematischen Theologie zu verstehen, manchmal wird aber auch von dieser Terminologie abgewichen. Das zeigen zwei prominente Gesamtdarstellungen der Inhalte des christlichen Glaubens:
– K. Barth nennt sein monumentales Hauptwerk „Kirchliche Dogmatik", obwohl darin auch Fragen der Ethik eingehend diskutiert werden;
– Wolfhart Pannenberg (geb. 1928) nennt seinen Entwurf „Systematische Theologie", obwohl er auf eine Behandlung ethischer Fragen bewusst konsequent verzichtet.
Wie aber verhält sich die spezifische Aufgabenstellung der Dogmatik zur Thematik der anderen theologischen Disziplinen? Die Frage nach dem Verhältnis der theologischen Einzelfächer untereinander und damit nach der inneren Gliederung der Theologie als Ganzer wird gewöhnlich unter dem Titel einer Theologischen Enzyklopädie verhandelt.