Fachdidaktik Religion

Fachdidaktik Religion

 

 

 

von: Christian Grethlein

Vandenhoeck & Ruprecht, 2005

ISBN: 9783825226688

Sprache: Deutsch

349 Seiten, Download: 1671 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Fachdidaktik Religion



IV. Schulische Rahmenbedingungen (S. 78-80)

Religionsunterricht findet am Lernort Schule statt. Damit sind bestimmte Rahmenbedingungen gegeben. Dietrich Benner betont zu Recht: „Öffentlicher Religionsunterricht kann nicht aus der Sicht eines Predigers erteilt werden, der zur Ausübung des richtigen Glaubens aufruft und ermahnt. Er verlangt zwingend, dass die Grundüberzeugungen, die Lehrmeinung, die Glaubenspraktiken, die Geschichte und Überlieferung der Religion und die z.T. kontroversen Reflexionen der Theologie in schulische Unterrichtsinhalte transformiert werden. Diese müssen sich auf ein Wissen beziehen, das als solches gelehrt, gelernt, gewusst, beurteilt und überprüft werden kann.

Ohne den kategorialen Ausweis eines solchen Wissens ist Religionsunterricht an öffentlichen Schulen nicht legitimierbar." In einem ersten Abschnitt sollen deshalb grundsätzlich wichtige Kennzeichen und Funktionen heutiger Schule genannt und auf ihre Bedeutung für den Religionsunterricht hin bedacht werden. Dabei blende ich die vor allem im Bereich der Grund- und Sonderschulen in Gang kommenden Reformvorhaben aus; sie sind nämlich nur auf dem Hintergrund der auch für diese Schulformen lange üblichen Organisationsformen verständlich und werden später thematisiert.

Danach gilt es, die neuen Herausforderungen für Schule durch den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel in den Blick zu nehmen und zu klären, welche Anforderungen sich daraus für den Religionsunterricht ergeben. Im dritten Teil skizziere ich vor diesem Hintergrund wesentliche Ansätze zur Schulreform. Abschließend soll gefragt werden, welche Konsequenzen die pädagogisch wünschenswerten Reformen für die organisatorische und didaktische Gestaltung des Religionsunterrichts haben bzw. haben sollten.

1. Kennzeichen und Funktionen von Schule und Religionsunterricht

Schule erscheint (fast) allen Menschen heute als etwas Selbstverständliches. Sie ist – neben der steuerlichen Veranlagung (und für Männer – mittlerweile erheblich eingeschränkt – der Wehrpflicht) – die einzige Zwangsinstitution unseres Staates: Jeder und jede muss zur Schule gehen. Das war nicht immer so. Noch im 19. Jahrhundert gehörte es in manchen Familien zum guten Ton, die Kinder durch einen Hauslehrer erziehen zu lassen – bei Salzmann waren wir an pädagogisch prominenter Stelle hierauf gestoßen. Heute beginnt zumindest in der Presse die „home schooling"-Bewegung der USA Deutschland zu erreichen.

Wegen der scheinbaren Selbstverständlichkeit von Schule und der Alternativen zu ihr, die in Zukunft stärkeres Gewicht bekommen dürften, ist es wichtig, sich kurz über die wichtigsten Kennzeichen heutiger Schulen in Deutschland Rechenschaft abzulegen.

1.1 Kennzeichen

1.1.1 Schule


Der einschlägige Artikel in der elfbändigen Enzyklopädie Erziehungswissenschaft stellt folgende strukturelle Merkmale des Lernens im Schulsystem heraus: Raumzeitliche Verselbstständigung des Lernens: Gegenüber früheren Gesellschaften genügt heute offensichtlich nicht mehr die bloße Teilnahme am alltäglichen Leben. Die Heranwachsenden müssen einen eigens dafür konzipierten Ort, die Schule, aufsuchen, um für ihr späteres Leben ausreichend vorbereitet zu werden.

Symbolische Vermittlung des Lernens: Da durch die Absonderung des Raums Schule vom sonstigen Leben ein unmittelbarer Bezug zu den Dingen erschwert wird und manches nicht direkt zur Hand sein kann, ist schulisches Lernen wesentlich durch Zeichensysteme, Schrift und Zahlen, vermittelt. Deshalb begegnen Schulen nur in Kulturen mit Schrift. Allerdings setzt solches symbolisch vermitteltes Lernen praktische Befähigungen vor allem im sozialen Bereich voraus. Zeitbindung des Lernens: Entgegen der Spontaneität des Lernens in der Familie löst die Schule die Heranwachsenden aus solcher Unmittelbarkeit heraus. Es wird in eigens festgesetzten Zeiten auf Zukunft hin gelernt, etwa durch das Lernen einer Fremdsprache (um vielleicht später einmal in diesem Land tätig sein zu können o.Ä.). Dabei ist vorausgesetzt, dass das Bestehen künftiger Anforderungen heute schon vorbereitet werden kann.

Professionelle Anleitung des Lernens: Zur Schule gehört, dass Erwachsene im Auftrag anderer, heute meistens des Staates, die Lernprozesse organisieren. Deren Tätigkeit hat sich – wie der Ausbau und die jetzt universitäre Prägung der Ausbildung sowie die Standesorganisationen der Lehrer zeigen – professionalisiert.

Formale soziale Organisation des Lernens: Eng mit der Professionalisierung der Lehrerrolle verbunden ist, dass Schule eine funktional selbstständige Organisation ist. Dies zeigt sich daran, dass sie unabhängig von konkreten Personen funktioniert.

Verpflichtung zum Lernen: Schließlich besteht in Deutschland Schulpflicht. Die Schulklasse ist demnach eine Zwangsgemeinschaft. Daraus resultiert die Verpflichtung zu einer gewissen Zurückhaltung, um nicht das elterliche Sorgerecht oder die persönliche Freiheit der Schüler(innen) unzulässig zu tangieren.

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