Diagnostik der Schizophrenie

Diagnostik der Schizophrenie

 

 

 

von: Reinhard Maß

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2010

ISBN: 9783840922077

Sprache: Deutsch

148 Seiten, Download: 3028 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Diagnostik der Schizophrenie



"6 Praktische Anwendungen und Fallbeispiele (S. 94-95)

Bei schizophrenen Erkrankungen kann es sehr unterschiedliche diagnostischen Fragestellungen geben, die bei der Auswahl eines geeigneten Instruments zu berücksichtigen sind. Soll ermittelt werden, ob die diagnostischen Kriterien für eine Schizophrenie zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfüllt werden oder irgendwann früher erfüllt wurden? Soll – bei gesicherter Diagnose – der aktuelle psychopathologische Status erhoben werden?

Ist eine Querschnitt- oder Längsschnittbeschreibung beabsichtigt? Werden akutpsychotische Patienten oder klinisch unauffällige Personen untersucht? Nicht jedes psychometrische Instrument ist für jedes dieser Ziele gleichermaßen geeignet, die falsche Auswahl kann zu nicht interpretierbaren Ergebnissen oder gar zu Trugschlüssen führen. Dieses Kapitel beleuchtet verschiedene besonders wichtige oder kritische Aspekte des diagnostischen Prozesses und gibt Hinweise auf die Verwendung der geeigneten diagnostischen Instrumente bzw. Strategien. Zur Illustration sind Falldarstellungen beigefügt, die auf realen Patientengeschichten basieren.

6.1 Erstdiagnose


Es geht hierbei um die Frage, ob es sich bei einer gegebenen psychischen Störung um eine Schizophrenie handelt oder nicht. Gerade bei Ersterkrankungen sollte hier mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden. Aber auch bei Patienten, die mit vordiagnostizierter Schizophrenie und längeren Krankheitsverläufen in die Behandlung kommen, sollte die Möglichkeit einer falschpositiven Fehldiagnose nicht ausgeschlossen werden, sofern das aktuelle psychopathologische Bild unklar ist. In den meisten Fällen ist bei einer akuten psychotischen Dekompensation eine stationär-psychiatrische Behandlung unumgänglich, die aufgrund von Selbst- oder Fremdgefährdungsrisiken zuweilen auch gegen den Willen des Patienten erfolgen kann.

Die Diagnose einer Schizophrenie darf nur gestellt werden, wenn die diagnostischen Kriterien geprüft wurden. Im deutschen Gesundheitssystem ist die Verwendung der ICD-10 obligatorisch. Die Kriterien für Schizophrenie nach ICD-10 werden z. B. mit dem AMDP-System (siehe Kap. 4.1.5), dem CIDI (siehe Kap. 4.1.10), dem IRAOS (siehe Kap. 4.1.7) oder den IDCL (siehe Kap. 4.1.6) systematisch erfasst; das SKID-I (siehe Kap. 4.1.9) gehört zwar zum internationalen Standard, zielt aber auf DSM-IV-Diagnosen. Das DIA-X ist prinzipiell auch zur Diagnosestellung geeignet, weist allerdings bei Psychosen gewisse Reliabilitätsprobleme auf (siehe Kap. 4.1.11).

Das „Praecoxgefühl“ (Rümke, 1941), mit dem gerade ältere, erfahrene Kliniker zuweilen auch noch heute die Diagnose einer Schizophrenie begründen möchten, ist ebenso verführerisch wie fragwürdig. Gemeint ist ein Eindruck intuitiver Evidenz, der bei einem Beobachter im Kontakt mit einer an Schizophrenie erkrankten Person aufkommen soll. Eine auf langjähriger Berufserfahrung begründete Intuition ist zweifellos nützlich; es darf daraus jedoch nicht mehr als eine – dann zu prüfende – diagnostische Hypothese folgen, keineswegs aber die Diagnose selbst.

Ein professionelles Vorgehen erfordert, nicht im Vagen und Subjektiven zu bleiben, sondern nach objektivierbaren Symptomen zu suchen. Finden sich keine, so ist bis zum Beweis des Gegenteils die Hypothese zu verwerfen. Die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens ist spätestens offenkundig geworden, seit in den bekannten US-UK-Studien (z. B. Gurland et al., 1969, 1970) erhebliche Diskrepanzen der britischen vs. amerikanischen Psychiatrie bei der diagnostischen Zuordnung einiger der häufigsten psychischen Krankheitsbilder wie Schizophrenie und affektiven Störungen aufgezeigt wurden. Diese Erfahrungen führten zu Bemühungen um eine internationale Vereinheitlichung der Diagnostik, die ihren Niederschlag in den modernen Diagnosesystemen gefunden haben."

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