Handbuch Bildungsforschung

Handbuch Bildungsforschung

 

 

 

von: Rudolf Tippelt, Bernhard Schmidt

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010

ISBN: 9783531920153

Sprache: Deutsch

1020 Seiten, Download: 6278 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Handbuch Bildungsforschung



Aktuelle Bereiche der Bildungsforschung (S. 812-813)

Arbeit, Quali? kation und Kompetenzen

1 Einleitung


Erst seit Beginn der 1990er Jahre datieren die Versuche einer programmatischen Ausdifferenzierung und Gegenüberstellung der Begriffe Quali? kation und Kompetenz im Diskurs der Forschung zu Bildungsprozessen, die auf Zuschneidung, Vernutzung und Reproduktion von Arbeitsvermögen abzielen. Ihrer Vielzahl wegen kaum noch registrierbar, hatten sie anscheinend schon bald (vgl. Grootings 1994, S. 5)1 mehr Verwirrung gestiftet, als dass sie zur Klärung beigetragen hätten.

„Mit den unendlichen Diskussionen um Schlüsselquali? kationen haben Diskussionen verschiedens ter Kompetenzen eines gemein“, charakterisierten Volker Heyse und John Erpenbeck (1997, S. 8) die Situation: „Niemand weiß, was sie ‚eigentlich‘ sind“. Als größter gemeinsamer Nenner des Diskurses kann wohl gelten, dass es sich bei Quali?kationen um ein – in der Regel zerti? ziertes, perspektivisch: statisches – Bündel von Kenntnissen und Fertigkeiten handelt, das über die mit ihm erworbenen Titel (Facharbeiter, Meister) Zugangsberechtigungen zu tendenziell knappen Positionen im Erwerbssystem verteilt. Kompetenzen werden dagegen eher als stärker personengebundene Performanz-Potenziale (Meisterschaft) mit den ihnen eigenen Dispositionen verstanden, die, in einer dynamischen Perspektive, immer an den Verlauf von Arbeitsprozessen und die Akkumulation praktischer Erfahrung gebunden sind und insbesondere aufgrund ihres permanent aktuellen Praxisbezugs sowohl als innovationsoffener als auch als innovationsträchtiger gelten.

Mittlerweile hat sich aber im Zuge des Projekts „Kompetenzentwicklung“3 eine – in Deutschland – dominante De?nition des Begriffs herauskristallisiert. Danach ist Kompetenz „stets eine Form von Zuschreibung (...) auf Grund eines Urteils des Beobachters. Wir schreiben dem physisch und geistig selbstorganisiert Handelnden auf Grund bestimmter, beobachtbarer Verhaltensweisen bestimmte Dispositionen [Hervorh.: A.B.] als Kompetenzen zu. Danach sind Kompetenzen Dispositionen selbstorganisierten Handelns, sind Selbstorganisationsdispositionen“ (Erpenbeck/Rosenstiel 2003, XI).

Ein Wesensmerkmal der Diskussion um Quali? kationen und Kompetenzen – bzw. des Postulats einer Schwergewichtsverlagerung von ersteren zu letzteren – ist ihre Herleitung aus allgemein-gesellschaftlichen und ökonomischen oder technologischen Entwicklungen, aus Modernisierungserfordernissen des Beschäftigungssystems. In der Regel werden die mehr oder weniger differenzierten Prämissen als gesicherter Wissensbestand („self-evident truths“: Cof? eld 1999, S. 9) gesetzt.

Deshalb sollen hier zunächst diese Prämissen noch einmal benannt und wenigstens ansatzweise geprüft werden, bevor versucht wird, die sehr heterogenen Diskussionsstränge aufzuzeigen. Dem folgt dann die Beschreibung zweier Wurzeln der „Konjunktur“ (Achatz/Tippelt 2001) des Begriffs der Kompetenz(entwicklung), die sich zwar zum Teil aufeinander beziehen, aber doch im Großen und Ganzen sehr Unterschiedliches meinen: die europäische Diskussion um competencies und die spezi? sch deutsche um die Kompetenzentwicklung.

Den beiden Konzepten gemein ist der Appell, neue Lernkulturen zu entwickeln und damit neue Verantwortlichkeiten herzustellen im Feld von Bildung für Arbeit. Die wesentliche – und mit enormen Konsequenzen für das deutsche Berufsbildungssystem einhergehende – Differenz liegt in der vornehmlich anglo-amerikanischen Negation der Beru? ichkeit der Organisation von Arbeit zugunsten von employabilitiy. Hier deuten sich große Umwälzungen in den Rahmenbedingungen der Lehr-/Lernprozesse für und in Arbeit an. Die Tendenzen lassen sich zuspitzen in der Frage, ob es überhaupt noch um die Entwicklung von Arbeitsvermögen geht – oder nur noch um dessen Messung.

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