Durchstarten mit dem neuen Team - Aufbau einer ressourcenorientierten Zusammenarbeit mit Verstand und Unbewusstem

Durchstarten mit dem neuen Team - Aufbau einer ressourcenorientierten Zusammenarbeit mit Verstand und Unbewusstem

 

 

 

von: Annette Diedrichs, Dominique Krüsi, Maja Storch

Hogrefe AG, 2012

ISBN: 9783456751054

Sprache: Deutsch

142 Seiten, Download: 10327 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Durchstarten mit dem neuen Team - Aufbau einer ressourcenorientierten Zusammenarbeit mit Verstand und Unbewusstem



2 Team

Teamarbeit ist keine neue Erfindung. Schon in der Steinzeit haben sich Menschen zu Gruppen zusammengeschlossen und so ihre Jagdchancen verbessert. Durch Teamarbeit konnte die Mondlandung realisiert werden oder, um ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit zu nehmen, wurde die Rettung der 33 verunglückten Bergleute beim Grubenunglück in der Kupfer- und Goldmine von San José in Chile überhaupt möglich. Gestern wie heute finden sich Arbeitsteams in nahezu allen Berufssparten – in der Wissenschaft, der Verwaltung, im Gesundheitswesen, in der Produktion, in Banken und Versicherungen, im Sport, in Schulen etc. Ohne Teamarbeit sind weder Operationen noch die Suche nach Überlebenden bei Naturkatastrophen noch die Erstellung der Jahresbilanz eines großen Unternehmens möglich. Obwohl Team- oder Gruppenarbeit weit verbreitet ist, sind nicht alle Teams bzw. Gruppen gleich erfolgreich. Gewisse Teams sind innerhalb kurzer Zeit produktiv und erfolgreich, andere entwickeln sich über Jahre hinweg kaum. Erfahrungsgemäß kann ein Vorgesetztenwechsel für Teams einen kritischen Wendepunkt darstellen. Durch einen Wechsel werden eingespielte Routinen, etablierte Normen und Rollen vom neuen Vorgesetzten vielleicht in Frage gestellt, was zu einer Verunsicherung der Teammitglieder führen kann.

2.1 Gruppe oder Team

Die Begriffe Team und Gruppe werden in der Umgangssprache und in der Literatur entweder synonym verwendet oder aber eine exakte Trennung wird nicht als nützlich erachtet (vgl. Kriz, Nöbauer, 2008; Wegge, 2006; Van Dick, West, 2005). In diesem Buch sprechen wir von Arbeitsteams oder Abteilungen sowie Projektgruppen und ihren neuen Führungskräften und davon, wie die Teams und ihre neuen Vorgesetzten bei der Zusammenarbeit effizient unterstützt werden können. Wir verwenden die Begriffe Team und Gruppe synonym und im Sinne von Thompson: «A work team is an interdependent collection of individuals who share responsibility for specific outcomes for their organizations. […] A team is a group of people who are interdependent with respect to information, resources, and skills and who seek to combine their efforts to achieve a common goal» (Thompson, 2004: 4).

Ein Team ist also eine Arbeitsgruppe von Individuen, die zusammen ein bestimmtes Produkt (z. B. die Entwicklung einer neuen Software) herstellen oder einen bestimmten Service (z. B. Personalrekrutierung- und Betreuung) anbieten und die für die Qualität dieser Leistung Rechenschaft ablegen. Mitglieder eines Teams haben geteilte Ziele, für deren Erreichung sie gemeinsam verantwortlich sind. Sie sind wechselseitig abhängig von der Leistung der anderen Teammitglieder. Sie beeinflussen ihre Ergebnisse durch Interaktion miteinander und arbeiten dauerhaft oder, wenn es sich um Projektteams handelt, für eine bestimmt Zeit an einer Aufgabe (Schattenhofer, 2004). Ein Team ist also zum einen ein Arbeitssystem, in dem Aufgaben erfüllt und Ziele erreicht werden, und gleichzeitig ein dynamisches, soziales System. In diesem sozialen System werden von den Teammitgliedern Rollen, Werte und Normen entwickelt, die das Verhalten der Teammitglieder steuern (Schattenhofer, 2004). Weil die Arbeitsgruppe als Ganzes verantwortlich für das Endergebnis seiner Arbeit ist, besteht eine der zentralen Aufgaben für jedes einzelne Teammitglied in der Vernetzung und Kooperation mit den anderen Mitgliedern des Teams (Van Dick, West, 2000: 4). Bevor wir darauf eingehen, wie sich diese Vernetzung und Kooperation etwa durch den Einsatz des von uns vorgeschlagenen Workshops (s. Kapitel 7) anstoßen lässt, schauen wir uns zuerst an, was im Team geschieht, wenn seine Mitglieder einen neuen Vorgesetzten bekommen.

2.2 Wenn Teams einen neuen Vorgesetzten bekommen

Wird in einem Unternehmen eine Veränderung angekündigt, reagieren die Teammitglieder erfahrungsgemäß meist verunsichert. Die Erwartungen des Vorgesetzten an die einzelnen Teammitglieder waren bisher mehr oder weniger klar, sein Verhalten in unterschiedlichen Situationen soweit bekannt und die Rollen bzw. Zuständigkeiten im Team aufgeteilt. Diese Sicherheit, diese Vertrautheit muss mit einer neuen Führungsperson wieder aufgebaut werden. Viele Menschen kennen dieses Gefühl aus der Schulzeit, wenn sie einen neuen Klassenlehrer bekommen haben. Es dauerte eine Weile bis man herausgefunden hatte, worauf bei der Beantwortung von Prüfungsfragen bei der neuen Lehrperson zu achten ist, um gute Noten zu schreiben.

Es gilt einen Weg zu finden, mit dieser anfänglichen Unsicherheit umzugehen. Um die Unsicherheit zu reduzieren, versuchen sich die Mitarbeitenden gemeinhin, möglichst viele Informationen, etwa über die neue Führungskraft oder die geplante Reorganisation, zu beschaffen. Annahmen oder Gerüchte über den neuen Chef, beispielsweise, dass er ein «scharfer Hund» ist, der die Abteilung aufräumen soll, kursieren in den Kaffeeecken und verunsichern zusätzlich. Gleichzeitig vermitteln sie eine gewisse Sicherheit, weil man sich nun auf etwas einstellen kann bzw. sich einzustellen versucht. Leider entstehen durch Gerüchte auch falsche Annahmen und falsche Erwartungen an die neue Führungsperson. Doch wie entstehen diese Annahmen?

2.2.1 Innere Landkarten von guten Teams, mentale Modelle

Unter einer Gruppe oder einem Team können wir uns alle etwas vorstellen. Jeder Mensch arbeitet und lebt in verschiedenen Gruppen: der Familie, dem Sportverein oder einem Arbeitsteam. Wir haben alle unterschiedliche Erfahrungen mit Gruppen gesammelt. Die Erlebnisse im Fußballclub sind für die einen positiv, etwa mit der Erinnerung an den Sieg im «Grümpelturnier» und Entfaltungsmöglichkeiten im Vereinsleben verknüpft. Andere denken dabei an elterlichen Zwang und die Unterdrückung durch Gleichaltrige. Ähnliches gilt für die Wahrnehmung von Arbeitsteams. Die einen erleben in Teams, dass große Aufgaben effizient erledigt werden können, andere denken dabei eher an endlose Diskussionen bei der Entscheidungsfindung. Die Wahrnehmung von Teams und Gruppen geschieht also nicht einheitlich, sondern individuell (Schattenhofer, 2009).

Schattenhofer (2009: 16) bezeichnet die Gruppe bzw. das Team als ein soziales Phänomen, das vom Betrachter selbst konstruiert wird. Das heißt, jeder von uns hat eine eigene Vorstellung davon, was ein gutes oder schlechtes Team ist, und wie sich die Arbeit in einem guten oder schlechten Teams anfühlt. Jeder Mensch entwickelt im Verlauf seines Lebens eigene innere Bilder, eine individuelle innere Landkarte für verschiedene Bereiche. So auch für die Teamarbeit. In der Literatur wird dieses Phänomen auch als mentales Modell, Alltagstheorie oder persönliche Handlungstheorie bezeichnet. Mentale Modelle sind gemäß Kriz und Nöbauer «umfassende subjektive Repräsentationen der Strukturen und Prozesse eines begrenzten Realitätsbereichs. Sie stellen Teile der individuellen Konstruktion von Realität dar. Sie integrieren sprachliches, bildhaftes und handlungsbezogenes Wissen, erlauben die interne Simulation äußerer Vorgänge und bestimmen unter den Bedingungen von Anforderungssituationen unser Denken und Handeln. Es sind tief verwurzelte und nicht immer bewusste Einstellungen, Annahmen, Verallgemeinerungen und Wissensschemata, die Einfluss auf die Wahrnehmung und Interpretation der Umwelt und auf das Handeln des Menschen haben» (Kriz, Nöbauer, 2008: 49). Mentale Modelle werden von der Kultur und der Gesellschaft (Religion, Familie, Schule), von der persönlichen Lebenswelt (Freundeskreis, Sport-, Musikgruppen) und dem Erwerbsleben (Firmenkultur, Kollegen, Tagungen) geprägt. Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung (selektive Wahrnehmung), steuern unser Handeln und fungieren als Gestaltungsprinzipien, mit denen wir unsere Umwelt konstruieren (vgl. Edding, 2009: 363). Wie Sie sehen, handeln wir weit weniger bewusst als wir oft meinen.

Schon bevor ein neuer Vorgesetzter seine Stelle antritt, lenken mentale Modelle unsere Wahrnehmung so, dass wir Gerüchten eine bestimmte Bedeutung zukommen lassen. Waren beispielsweise unsere Erfahrungen im Sportverein mit einem sehr strengen Trainer positiv, wird das Gerücht, dass der neue Vorgesetzte ein «scharfer Hund» ist, tendenziell eine eher positive Bewertung von uns bekommen. Wir werden folglich gewisse Erwartungen (z. B. der wird klare Anweisungen geben) an den neuen Vorgesetzten haben, Annahmen treffen (z. B. er wird meinen Einsatz zu schätzen wissen) und vielleicht ein (Vor-) Urteil (z. B. der wird seine Regeln durchsetzen) über die neue Führungskraft fällen. Das heißt, wir versuchen uns «ein Bild» vom neuen Vorgesetzten zu machen und schützen uns auf diese Weise vor einer mentalen und emotionalen Überforderung (Edding, 2009). Wir wissen, worauf wir uns einstellen müssen. Dies verringert unsere Unsicherheit und erhöht unser Kontrollerleben.

Auch die neue Führungskraft verfügt über mentale Modelle, die ihr Handeln beeinflussen. Vielleicht hat die Führungskraft erste Führungserfahrungen in einem Jugend- oder Sportverein gesammelt, dann in einer streng hierarchisch organisierten Organisation Karriere gemacht und wechselt nun in ein flach organisiertes Unternehmen. Aufgrund dieser Vorerfahrungen ist sie vielleicht davon überzeugt, dass sie klare Regeln und Strukturen vorgeben und Entscheide alleine fällen muss (Edding, 2009). Dass sich ein solches mentales Modell und daraus resultierende Handlungen von den Vorstellungen und Erwartungen von Mitarbeitenden, die schon viele Jahre in einem flach organisierten Unternehmen gearbeitet haben, unterscheiden, ist sehr wahrscheinlich. Dass dies zu Missverständnissen und falschen Erwartungen...

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