Mutig gegen Mobbing - in Kindergarten und Schule

Mutig gegen Mobbing - in Kindergarten und Schule

 

 

 

von: Françoise D. Alsaker

Hogrefe AG, 2016

ISBN: 9783456756677

Sprache: Deutsch

274 Seiten, Download: 3485 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Mutig gegen Mobbing - in Kindergarten und Schule



1.2 Mobbing – eine Machtdemonstration

Im Mobbing streiten die Beteiligten nicht um eine Sache, wie es in Konflikten der Fall ist: Mobbing ist eine reine Machtdemonstration. Mobber wollen dabei sicher nicht ertappt werden. Sie wollen Erfolg, aber keine Strafe. Der Erfolg ist bereits dadurch vorprogrammiert, dass die Mobber in der Zahl ihren Opfern überlegen sind. Ein weiterer Vorteil ihrer Überzahl liegt darin, dass die Mobber, werden sie ertappt, einander in ihren Aussagen immer unterstützen. Das Fallbeispiel Katia/ Eva zeigt auf, wie sich aus einer persönlichen feindlichen Einstellung von Katia gegenüber Eva eine Gruppeneinstellung entwickeln konnte. Eva hat nicht nur eine Angreiferin, sondern gleich mehrere. Es werden Gerüchte verbreitet und sie weiß nicht mehr, wie viele gegen sie agieren. Das Machtgefälle wächst mit jeder Schülerin und jedem Schüler, die dem Mobbing-Bündnis beitreten. Auch wenn nicht so viele der Mitschüler mitmachen würden, ist ein eindeutiges Ungleichgewicht zu beobachten. Katia demonstriert Macht und diese wächst kontinuierlich. Sollte Eva versuchen, sich zur Wehr zu setzen, halten die Angreifer noch mehr zusammen. Eva ist zunehmend machtund wehrlos.

Mobbing und Konflikte

Das eindeutige Ungleichgewicht zwischen Mobber und Opfer ist ein zentrales Merkmal von Mobbing. Es gehört auch zu den Kriterien, die Mobbing von Konflikten unterscheiden. In Konflikten sind die Streitenden einigermaßen gleich stark und mindestens gleichberechtigt. Kinder hänseln einander, streiten miteinander – manchmal sehr viel –, und es mag auch körperliche Ausmaße annehmen. Sind die Kinder etwa gleich stark, reden wir von Konflikten. Konflikte gehören zum Alltag und zur sozialen und emotionalen Entwicklung. Kinder lernen mit Konflikten umzugehen, sie zu lösen, sich durchzusetzen oder auch nachzugeben. Sie erkennen außerdem, wie weit sie gehen können, und sie lernen, sich zur Wehr zu setzen. Mobbing bietet keine solche Möglichkeit. Das Opfer des Mobbing-Angriffs hat keine Chance gegenüber den anderen. Somit lernt es meistens nur, nachzugeben. Wenn Kinder einen Konflikt haben, streiten sie «um etwas». Entweder möchten zwei Kinder das Gleiche und streiten darüber, wer den begehrten Gegenstand haben soll, oder sie streiten, weil sie sich nicht einig sind, was sie spielen sollen, wohin sie gehen wollen, wie Spielregeln sein sollen etc. Konflikte haben meistens einen konkreten Inhalt. Das Gleiche gilt bei Erwachsenen. Im Fall von Mobbing gibt es keinen Konfliktstoff. Im Mobbing demonstrieren Mobber ihre Machtbedürfnisse, indem sie jemanden angreifen und verletzen.

In Konflikten tragen beide Parteien zum Konflikt bei, auch wenn die eine Seite angefangen hat. Konflikte sind selten mit Aggression verbunden (Shantz, 1987). Konfliktsituationen können allerdings auch ausarten, beispielsweise wenn keine der beiden Parteien kompromisswillig ist, wenn die persönlichen Grenzen nicht respektiert werden, wenn Missverständnisse entstehen. Dazu kann es vor allem dann kommen, wenn die Konfliktparteien die Situation verzerrt wahrnehmen. Zu häufige Konflikte, Konflikte, die zu oft ausarten, Konflikte, die von Ungleichgewicht geprägt werden, weil immer dieselbe Partei nachgibt, sind nicht mehr entwicklungsfördernd. Und solche Konflikte können auch die Grundlage für eine Mobbing-Situation bilden, wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind.

Es gibt Kinder und Erwachsene, die leicht in Konfliktsituationen geraten, und es gibt solche, die Konflikte vermeiden. Beide Verhaltensweisen können in einer Mobbing-Situation zu Ungunsten des Opfers missbraucht werden. Die einen lassen sich womöglich leicht provozieren, und jede Provokation kann eine schwere Konfliktsituation auslösen. Für Außenstehende ist die Situation schwer durchschaubar, wenn Mobber ihr Opfer zuerst provozieren und danach ihre Angriffe als «normale Abwehr» vertuschen. Die extreme Vermeidung von Konflikten wiederum führt dazu, dass Kinder sich schnell zurückziehen. Dadurch werden sie von Mobbern als leichte Zielscheiben wahrgenommen, die lieber schnell nachgeben als sich zur Wehr zu setzten.

Es ist sehr wichtig, dass man Mobbing nicht als Konflikt bezeichnet. In einem Konflikt sollten beide Parteien zur Lösung des Konflikts beitragen, um daraus etwas Konstruktives zu lernen. In Mobbing-Situationen muss man dafür sorgen, dass Mobber und ihre Assistenten ihr Verhalten ändern. Mobbing wird von den Mobbern nicht selten als Konflikt vertuscht. Man täte aber dem Opfer sehr unrecht, wenn man es für die Mobbing-Situation zur Verantwortung ziehen oder sogar Kompromisswillen und Nachgiebigkeit verlangen würde.

Mobbing ist kein Konflikt.
Mobbing ist eine Machtdemonstration und von Ungleichgewicht geprägt.
Konflikte haben konkrete Inhalte – Mobbing hat die Verletzung des Opfers zum Ziel.
Konflikte sind Teil der Entwicklung – Mobbing hindert die Entwicklung.

Wenn Mobbing eine Machtdemonstration ist, liegt die Frage nahe, ob Mobbing nicht Teil von Dominanzritualen sein könnte, durch die eine Gruppe eine klare Rangordnung erhält. Solche Rangordnungen dienen meist dazu, aggressive Auseinandersetzungen in einer Gruppe zu verringern (Roseth, Pellegrini, Bohn, van Ryzin, Vance, 2007). Im Rahmen der sozialen Dominanztheorie kann man erwarten, dass aggressive Handlungen gebraucht werden, um die Hierarchie in einer Gruppe zu bilden. Wenn diese erstellt ist, können die Kinder besser einschätzen, wann sie in welchen Konfliktsituationen mit ihren Peers eher gewinnen oder eher verlieren. Dies führt dazu, dass die aggressiven Auseinandersetzungen abnehmen.

Warum aber sollten Kinder, die um Dominanz und Status ringen, Aggression gegen schwächere Mitschüler ausüben? Die Opfer sind in diesem Fall ja nicht diejenigen Kinder, die ihren dominanten Status in der Gruppe gefährden. Denn wie Smith und Boulton (1990) es formuliert haben, wird Dominanz nur erreicht, indem Peers von ungefähr gleicher Stärke herausgefordert werden, nicht indem Schwächere angegriffen werden. Des Weiteren würde man erwarten, dass die Aggressionen zurückgehen, wenn die Mobber ihren Status erreicht haben. Mobbing ist aber anhaltend, die Aggressionen gehen weiter, auch wenn das Opfer längst aufgegeben hat (Pepler, Craig, O’Connell, 1999). Deshalb darf Mobbing in keinem Fall einem Dominanzritual gleichgestellt oder mit der Sozialdominanztheorie erklärt werden.

Mobbing und Feindschaften

Nur wenige Forscher haben sich mit Feindschaften unter Kindern beschäftigt. Für uns sind solche Feindschaften interessant, weil sie durch Abneigung und Antipathie gekennzeichnet sind und eventuell als ein Element von Mobbing erscheinen könnten. Während starke gegenseitige Abneigungen im Kindergartenalter bis jetzt nicht erforscht wurden, fanden Abecassis und ihre Kollegen (2002) heraus, dass ungefähr 9% bis 14% der Mädchen und 20% bis 25% der Jungen in einem Alter zwischen 10 und 14 Jahren solche gleichgeschlechtliche Antipathien angaben. Gegengeschlechtliche Antipathien wurden von ungefähr 15% der Mädchen und Jungen berichtet. Feindschaften sind von starken negativen Einstellungen geprägt; Feinde sehen einander als eine Bedrohung. Gründe, die Kinder angeben, weshalb sie Peers nicht mögen, sind häufig mit aggressivem Verhalten verbunden.

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