Widersprüchliches professionelles Handeln. Handlungsmuster in der Jugendberufshilfe

Widersprüchliches professionelles Handeln. Handlungsmuster in der Jugendberufshilfe

 

 

 

von: Peter Assmann

Diplomica Verlag GmbH, 2017

ISBN: 9783961460274

Sprache: Deutsch

171 Seiten, Download: 7209 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Widersprüchliches professionelles Handeln. Handlungsmuster in der Jugendberufshilfe



Kapitel 4.2 Die neuen Anforderungen und Rahmenbedingungen vor denen die Jugendberufshilfe steht: 4.2.1 Die Kooperation zwischen dem Job - Center und der Jugendberufshilfe: Mit der Einrichtung von spezifischen Job - Centern für Personen unter 25 Jahren wird ein besonderes Augenmerk auf die Integration junger Menschen gelegt. Gleichzeitig werden die vollständige Struktur und die spezifischen Leistungsprozesse zur beruflichen Integration junger Menschen mit der Zielsetzung vorgegeben, eine umfassende Beratung und Betreuung junger Menschen zu gewährleisten. Hierbei kommt den Job - Centern ein Arbeitsvermittlungs- und Existenzsicherungsmonopol zu, welches sich darin ausdrückt, dass alle erwerbsfähigen Arbeitssuchenden im Alter von 15 bis 25 Jahren dem gesetzlichen Zwang unterworfen sind, sich unverzüglich in Beschäftigung, Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit vermitteln zu lassen (vgl. Schruth 2005, S. 55). Doch auch umgekehrt unterliegen die Job - Center einem besonderen Vermittlungsdiktat für junge Arbeitssuchende. So sind junge Menschen unter 25 Jahren nach § 3, Abs. 2 SGB II 'unverzüglich nach Antragstellung auf Leistungen nach diesem Buch in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln'. Diese Behandlung junger Menschen soll - so der Anspruch des Gesetzgebers - Jugendarbeitslosigkeit nach Erfüllung der Schulpflicht weitestgehend reduzieren. Die Vorschrift zwingt das Job - Center, ohne vermeidbaren Zeitverzug irgendetwas - also Ausbildung, Arbeit oder zumindest eine Arbeitsgelegenheit - in jedem Einzelfall anzubieten; sie stellt somit eine unbedingte Handlungs- bzw. Aufgabenverpflichtung dar. Dieser Aufgabenverpflichtung folgt eine weitere gesetzliche Hinwirkungs-verpflichtung hinsichtlich junger Menschen ohne Berufsabschluss. Immer dann, wenn Jugendliche und junge Erwachsene ohne Berufsabschluss nicht in eine Ausbildung vermittelt werden können, sollen diese in eine die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessernde Arbeit oder Arbeitsgelegenheit vermittelt werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich der gesetzlich formulierte Vorrang von Vermittlung in Arbeit und Ausbildung vor anderen Unterstützungsformen nicht auch ein gewisses Risiko darstellt oder gar als falsch zu bezeichnen ist. Eine solche 'work - first'- Orientierung verstellt den Blick auf andere notwendige Unterstützungen. Insbesondere für junge Menschen mit spezifischem Förderbedarf werden so mögliche Entwicklungsräume eingeengt und reduziert (vgl. Wende 2005, S. 39). Insgesamt wird für diese Zielgruppe, und dies lässt sich als erste Konsequenz für die Jugendberufshilfe festhalten, eine Kooperation aller Fachkräfte der Jugendberufshilfe mit den Arbeitsagenturen gefordert, diesen gar aufgedrängt (vgl. Schruth 2005, S. 58). Aus fachlicher Sicht ist dies nicht unbedingt negativ zu bewerten, stehen doch individuelle und passgenaue Hilfen für den einzelnen jungen Menschen im Fokus dieser Kooperationsbemühungen. Zu beachten ist bei den entsprechenden Kooperationsformen jedoch, dass es sich hier nicht lediglich um einen gesetzlichen Auftrag zur Zusammenarbeit handelt, sondern die Kommunen bzw. die Jugendhilfeträger sind durch Verwaltungs- bzw. Leistungsvereinbarungen zu Angeboten und deren verbindlicher Gewährleistung aufgefordert (vgl. ebd.). Was genau diese individuell passgenauen Hilfen - im Sinne der 'work - first' - Orientierung - sind, wird in vorher definierten Verwaltungs- und Leistungs¬vereinbarungen festgelegt. 4.2.2 Das 'Profiling' der Fallmanager und die Folgen für die Jugendberufshilfe: Eine zentrale Position kommt bei der 'passgenauen' Vermittlung den Fallmanagern zu, welche den Integrationsprozess mit weitgehender Budgetverantwortung steuern und koordinieren. Folgende Prozessschritte des Fallmanagements sollen dabei durchlaufen werden: Ziel- und Bedarfsklärung, Abschluss von Hilfeplan bzw. Eingliederungsvereinbarung, Koordination erforderlicher Sach-, Geld- und Dienstleistungen, Einschaltung traditioneller Vermittlung, ggf. Nachbetreuung nach Eingliederung sowie Dokumentation und Wirkungskontrolle (vgl. Rietzke 2006, S. 198). Entscheidend ist, dass der Fallmanager / die Fallmanagerin nicht selbst Teil der einzelnen Hilfeleistung ist, sondern sich 'externer Dienstleister' - also auch der Jugendberufshilfe - bedient. Um die angesprochene Ziel- und Bedarfsklärung zu gewährleisten, steht zunächst einmal ein 'Profiling' zur Ableitung einzelner Kundengruppen am Anfang eines jeden Integrationsprozesses. Die Differenzierung der 'Kunden' in unterschiedliche Gruppen erfolgt hierbei anhand unterschiedlicher Dimensionen, die im Rahmen des Profilings mit Hilfe von Leitfragen und Einschätzungshilfen abgefragt werden. Zu diesen Dimensionen gehören zum einen Engagement, Motivation und Einstellung der Jugendlichen, wobei auch die Umgangsformen, das Erscheinungsbild oder die Körperhygiene der 'Kunden' in den Blick genommen werden. Weitere Dimensionen stellen die Fähigkeiten und Qualifikationen der arbeitsuchenden Jugendlichen dar. Gefragt sind also Berufserfahrungen, Sprachkenntnisse, formale Abschlüsse sowie die so formulierten 'spezifischen Arbeitsmarktbedingungen' und die 'berufsbezogenen Hemmnisse bzw. der soziale Kontext'. Unter den spezifischen Arbeitsmarktbedingungen versteht man personenbezogene Merkmale, die Aufschluss darüber geben, wie sehr das persönliche Profil auf die Gegebenheiten des regionalen und überregionalen Arbeitsmarktes passt. Die berufsbezogenen Hemmnisse und der soziale Kontext beschreiben hingegen Fragen der Flexibilität und Mobilität, etwaiger gesundheitlicher Einschränkungen oder etwaiger Sucht- oder Schuldenproblematiken der Jugendlichen (vgl. BA o. J., 2006, S. 4). Anhand dieser insgesamt vier Dimensionen werden die jungen Menschen nun unterschieden als: Marktkunden, das sind Jugendliche, für die in der Folge des 'Profiling' kein Handlungsbedarf zu erkennen ist und denen gute Integrationschancen zugesprochen werden. Beratungskunden, das sind Jugendliche, die je nach Handlungsbedarf aktiviert bzw. gefördert werden müssen und für die durch Einstellungsänderung, weitere Qualifizierung und Abbau von Beschäftigungshürden erhöhte Integrationschancen gesehen werden. Betreuungs-kunden, das sind Jugendliche, die einen hohen Handlungsbedarf in mehreren Dimensionen und nur sehr geringe Integrationschancen aufweisen (vgl. BA o. J., 2006, S. 4f.). Insgesamt dient die Einteilung in Kundengruppen dazu, bestimmte Zieloptionen nach einheitlichen Kriterien zu definieren und Passgenauigkeit auch zu Maßnahmen der Jugendberufshilfe zu erzeugen. Andreas Polutta merkt hierzu an: 'Besonders auffällig ist, dass je nach Kundengruppe Ziele auf unterschiedlichem Niveau vorgesehen sind und genau eine spezifische Auswahl an Produkten zur Verfügung steht. Leistungskatalogartig ist festgelegt, welche Integrationsformen jeweils in Frage kommen. Für alle Gruppen ist die Beendigung des Leistungsbezugs vorrangiges Ziel, für Markt- und Beratungskunden ist eine Integration in den ersten, für Betreuungskunden in den zweiten Arbeitsmarkt beziehungsweise [zunächst] die Zielperspektive `Soziale Integration` vorgesehen' (Polutta 2005, S. 26; Einfügung: P. A.). Insbesondere für 'benachteiligte' junge Menschen ist diese Form der Differenzierung nach Maßnahmetypen je nach ihrer Zuordnung zum Beratungs- oder Betreuungskunden als kritisch zu beurteilen. Stellt bereits die Benachteiligung eine Stigmatisierung dar, werden nunmehr einzelne Formen der Benachteiligung identifiziert und die betroffenen Jugendlichen dementsprechend unterschiedlich behandelt, womit ein Stufensystem von Benachteiligung eingeführt wird (vgl. Wende 2005, S. 41). Den durch das 'Profiling' als Betreuungskunden selektierten Jugendlichen wird somit von vorneherein eine berufliche Integration in den ersten Arbeitsmarkt so gut wie verwehrt. Es besteht die Gefahr, dass die Jugendberufshilfe in der Praxis gar nicht mehr alle möglichen notwendigen Maßnahmen zur Verfügung stellen kann und stellen darf, sondern nur solche, die der Vorauswahl durch die Job - Center entsprechen.

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