Cyberpsychologie - Leben im Netz: Wie das Internet uns verändert

Cyberpsychologie - Leben im Netz: Wie das Internet uns verändert

 

 

 

von: Catarina Katzer

dtv, 2016

ISBN: 9783423428309

Sprache: Deutsch

280 Seiten, Download: 1450 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Cyberpsychologie - Leben im Netz: Wie das Internet uns verändert



Privatheit


Warum können wir Intimsphäre und Öffentlichkeit digital so schwer trennen?

Haben Sie es schon einmal erlebt, dass Sie an Ihrem Zielort ankamen, ohne sich genau daran zu erinnern, wie Sie dahin gekommen sind? Häufig hat man solche Erlebnisse, wenn man sich nicht auf eine Sache konzentriert, sondern viele andere Dinge in Kopf umherschwirren. Oder wenn man mehrere Dinge gleichzeitig erledigen will. Die Gleichzeitigkeit mehrerer Tätigkeiten führt dazu, dass man sein räumliches Umfeld plötzlich aus dem Blick verliert. Wir nehmen dann nicht mehr bewusst wahr, wo wir gerade sind.

Schon in den 50er-Jahren hat Harald Adam Innig festgestellt, dass unsere Umgebung für uns umso unübersichtlicher wird, je mehr unterschiedliche Aktivitäten wir ausüben. Die Folge: Wir verlieren die Kontrolle über unser Raumempfinden. Wir unterliegen also schon in unserem ganz normalen realen Alltag, ohne Smartphone und Co, im Hinblick auf unsere Verortung zahlreichen Aufmerksamkeitsfehlern. Doch wie ist das nun, wenn wir online sind? Potenziert sich dieser Effekt? Und mit welchen psychologischen Prozessen haben wir es hier zu tun?

Was genau passiert, wenn wir uns auf Plattformen wie Facebook, Xing, Instagram, Amazon oder in einem Strategiespiel befinden? Wir blenden in diesem Moment unser reales Umfeld aus und sind uns dessen gar nicht mehr bewusst, dass wir in der Bahn oder am Flughafen sitzen, weil wir abdriften und völlig in die virtuelle Räumlichkeit eintauchen. »No sense of place«, so hat Joshua Meyrowitz 1986 den räumlichen Zustand im Cyberspace benannt. Scheinbar verlieren wir online noch stärker unsere Wahrnehmungsfähigkeit für den »Raum«, in dem wir handeln. Es treten deutliche Schwierigkeiten auf, diesen Raum konkret zu beschreiben und einzugrenzen, also auch zu unterscheiden, was ist hier und dort, und was ist privat, was ist öffentlich.

Woran liegt das?

Das traditionelle Konzept von Raum oder Räumlichkeit, vor der Internetrevolution, bestand lediglich in dem, was uns physisch, also körperlich umgeben hat. Unser materielles Umfeld, in dem wir leben, agieren, arbeiten, lieben, Familie gründen, Ferien machen und vieles mehr. Eine andere Welt, in die wir eintauchen und dabei die physische Realität hinter uns lassen konnten, war eigentlich nur gedanklich möglich, z. B. im Spiel, im Theater, in Geschichten, im Kino oder vor dem Fernseher. Auch für die Kommunikation mit anderen Menschen haben wir unser physisches Umfeld nicht verlassen, denn auch beim Telefonieren waren wir stets im Hier und Jetzt, im Flur oder am Schreibtisch. Und wollten wir in direkten Kontakt zu anderen Personen treten, so mussten wir zwangsläufig auf die Straße, ins Café oder die Disco. Es gab keine virtuellen Kontaktbörsen oder Kommunikationsplattformen.

Was man vor dem Internetzeitalter als »medialisierte Räume« bezeichnen konnte, betraf vor allem die Rezeption, also das reine Empfangen von Informationen, ohne zwischenmenschliche Aktionen, so z. B. beim Radiohören oder Fernsehen. Das Publikum, also der Zuhörer oder Betrachter, hatte keine Möglichkeit direkt zu reagieren. Zwar ermöglichten bereits in den 80ern Gameboy und Spielekonsolen das aktive Handeln, nämlich das Spiel gegen einen unbekannten Gegner in einer künstlichen Umgebung. Einen zwischenmenschlichen Transfer gab es trotzdem nicht.

Erst durch die Entwicklung der Internettechnologie entstanden völlig neue nicht-physische digitale Handlungsräume. Auch diese waren zunächst auf das Empfangen von Informationen ausgerichtet. Denken wir an den ersten richtigen Internetdienst – die E-Mail. Inzwischen aber beschränkt sich die Internetnutzung nicht mehr nur auf die Rezeption und das Versenden von Informationen und Daten, sondern ermöglicht den Usern, eigene Inhalte zu produzieren, in Form von Webseiten, Homepages, Blogs oder Chatrooms bis hin zu den Foto- und Videoverteilern und sozialen Netzwerken von heute. Das Besondere dabei: Wir als Nutzer geben zwar den Input im virtuellen Raum ab, handeln aber aus unserem physischen, realen Umfeld heraus, in dem wir uns zu diesem Zeitpunkt mit unserem Internet-Equipment wie Laptop oder Smartphone gerade befinden – also z. B. von zu Hause aus, vom Schreibtisch im Büro, der Bahn oder einer Parkbank.

Die Räumlichkeiten und Umgebungen, in denen wir handeln und agieren, beschränken sich dann eben nicht mehr nur auf das reale Wohn- und Lebensumfeld, also unsere materielle Umwelt. Sie haben sich um virtuelle Räume ergänzt. Wir müssen uns heutzutage also neben unserem realen Aktionsraum, in den wir körperlich eingebunden sind, auch mit unseren neuen virtuellen Handlungsumgebungen auseinandersetzen, die wir rein mental erleben.

Die Internettechnologie hat also dazu geführt, dass wir uns mit zwei Aspekten besonders auseinandersetzen müssen: So haben wir es eben nicht nur mit einer Vervielfältigung unserer Aktionsräume zu tun, sondern auch mit einer schleichenden Auflösung der eigentlichen Trennung unserer Handlungsumfelder. Wir handeln einerseits im virtuellen Umfeld von Bildschirm und Tastatur oder Touchscreen, in dem wir allein durch unser Denken und Fühlen, also rein mental, anwesend sind. Gleichzeitig agieren wir weiterhin von unserem physischen Umfeld aus, in dem wir uns körperlich, sozusagen mit Haut und Haaren, befinden. Doch genau dieses Unterscheiden fällt uns zunehmend schwerer: Unser realer sozialer Handlungsraum verschmilzt quasi mit dem Cyberspace, den Orten, die wir online betreten. So beschreibt es auch der Amerikaner Lance Strate. Unsere grundsätzlich beschränkte Fähigkeit, sich gleichzeitig auf mehrere Dinge zu konzentrieren, führt dazu, dass sich die Grenzen zwischen den verschiedenen Räumen auflösen.

Dabei spielt allerdings auch der Grad der Interaktion bzw. Interaktivität, die wir in diesen vielfältigen Räumen ausüben können, auch eine Rolle. Unser Raumempfinden wird eben auch davon beeinflusst, was wir online tun bzw. in welchem interaktiven virtuellen Umfeld wir uns befinden.

Mit Interaktionsgrad ist hier auch die Qualität der Interaktion gemeint, d. h. Tiefe oder Intensität des Interagierens und Austauschens zwischen Personen, die Häufigkeit und die emotionale Ebene. Es macht nämlich einen deutlichen Unterschied, ob wir mit Freunden oder dem Lebensgefährten »chatten« (denn mit ihnen befinden wir uns auf einer emotionalen, intimen Beziehungsebene) oder mit Kollegen und Geschäftspartnern (hier findet eher eine Gespräch auf Sachebene statt, wenn nichts mit Privatem oder Persönlichem vermischt wird). Die Stärke der emotionalen Bindung an die Gesprächspartner beeinflusst somit auch den Interaktionsgrad.

Dabei bieten uns die verschiedenen virtuellen Handlungsräume, von E-Mail über E-Commmerce bis zu sozialen Netzwerken, ganz verschiedene Grade der Interaktivität an. Interaktion und Kommunikation finden auf unterschiedlichen Niveaus statt: Vom reinen asynchronen Datensenden und -empfangen wie der E-Mail, auf die eben zeitversetzt reagiert wird oder reagiert werden kann, bis zur synchronen, also zeitgleichen Kommunikation zwischen realen Personen – in Chatrooms oder sozialen Netzwerken.

Studien zeigen, dass wir insbesondere soziale Netzwerke als kommunikative Treffpunkte ansehen, in denen das Gefühl des sich Austauschens und Mitteilens, also der direkten synchronen Kommunikation, eine große Rolle spielen und in der ganz konkret Gemeinschaft entsteht (Kweon, Hwang und Jo 2011). Somit ermöglichen uns gerade die sozialen Medien wie Facebook und Co einen hohen Grad an interaktiver Kommunikation und zeichnen sich auch durch eine starke »soziale Interaktion« und soziales Handeln aus. Ähnliches gilt für Online-Spiele, in denen man mit Tausenden Gamern in Wettkampf tritt oder sogar gezielt Gruppen bilden muss. Mit sozialer Interaktion oder sozialem Handeln ist somit unser Verhalten gemeint, das wir auf andere Menschen beziehen, das wir auf die Reaktionen der anderen abstimmen und an diesen orientieren, ob beim ersten Kennenlernen, im Gespräch mit Freunden, in einer Verhandlung, einem Meeting oder im Spiel.

Je intensiver wir mit anderen sozial interagieren, je stärker also unser Interaktivitäts- oder Interaktionsgrad ist, umso höher ist auch unser Involvement, unsere emotionale, mentale Beteiligung, bezogen auf den Ort, an dem die Handlung stattfindet. Und das gilt selbstverständlich auch im Netz. Sobald ich mich online mit anderen Usern auseinandersetze und austausche, also sozial kommuniziere, wird auch meine Aufmerksamkeit intensiver auf den virtuellen Raum gelenkt.

Und je mehr soziales Handeln ich online ausübe, also je mehr soziale Tasks ich bearbeite (z. B. WhatsApp, Instagram und Facebook gleichzeitig) umso stärker wird die Verwirrung und umso schwieriger wird es, zwischen den verschiedenen Räumen zu unterscheiden.

Wenn wir uns also damit befassen, wie wir uns in medialen Räumen bewegen, so sollten wir vor allem drei Aspekte besonders im Blick haben, die zu einer Diffusion unserer eigenen Verortung führen können:

1. Die Vervielfältigung unserer Handlungsräume (Diversifizierung)

2. Die Gleichzeitigkeit unserer Aktionen in verschiedenen Arten von Handlungsräumen: physisch vs. rein virtuell, mental erlebbaren Orten (Verschiedenartigkeit)

3. Der Grad unserer Interaktivität bzw. unserer sozialen Interaktion

Vervielfältigung, Verschiedenartigkeit der Handlungsräume und der Interaktivitätsgrad beeinflussen aber auch die Beurteilung der Räume entscheidend.

Man fühlt sich nicht überall gleich wohl. Es gibt Unterschiede, je nachdem, wo man sich...

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