Das Pflegesystem, seine Organisation und Karrieren

Das Pflegesystem, seine Organisation und Karrieren

 

 

 

von: Hans-Jürgen Hohm

Lambertus Verlag, 2002

ISBN: 9783784113869

Sprache: Deutsch

181 Seiten, Download: 630 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Das Pflegesystem, seine Organisation und Karrieren



B. Erwerbskarrieren im Pflegesystem der fortgeschrittenen Moderne: Pluralität, Risiken und Karriereplanung (S. 89-90)

EINLEITUNG

Im folgenden geht es um Erwerbskarrieren im Pflegesystem der fortgeschrittenen Moderne. Zunächst werden einige zentralen Implikationen herausgearbeitet, die generell mit der Transformation des institutionalisierten zum deinstitutionalisierten Lebenslauf verknüpft sind. Danach wird die forcierte Pluralität der pflegerischen Erwerbskarrieren thematisiert. Dabei stehen sowohl ihre systemexternen und systeminternen Statuspassagen als auch die Unterschiede ihrer traditionellen und modernen Varianten im Zentrum unserer Beobachtung. Ferner rücken wir ihre Risiken und Versuche der Unsicherheitsabsorption durch Karriereplanung in den Blick. Schließlich werden einige Spezifika der pflegerischen Erwerbskarrieren des Lehrund Leitungspersonals beleuchtet und die Bedeutung der Weiterbildung für zukünftiges Lehrpersonal anhand der Sekundäranalyse von Personaldaten eines Weiterbildungsinstituts verdeutlicht. Da der Pflegeberuf in quantitativer Hinsicht nach wie vor von Frauen dominiert wird, beschränken wir unsere Beobachtungen vorrangig auf deren Erwerbskarrieren (vgl. zu einer früheren Version des folgenden Beitrages Hohm 1996).

1. VOM INSTITUTIONALISIERTEN ZUM DEINSTITUTIONALISIERTEN LEBENSLAUF IM KONTEXT DER FORTGESCHRITTENEN MODERNE

Spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts differenzierte die moderne Gesellschaft ein Muster des Lebenslaufs aus, das als institutionalisiert bezeichnet werden kann, seine Hochphase in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte und erst am Anfang der 70er Jahre desselben Jahrhunderts langsam obsolet wurde (vgl. Kohli 1985; Hohm 2000, 139 ff.). Es integrierte die moderne Gesellschaft und das moderne Individuum durch eine nicht beliebige Sequenz seiner Teilnahme (Inklusion) an Funktionssystemen, die durch rechtliche oder soziale Erwartungen vorstrukturiert waren. So wurde es in eine Familie hineingeboren, durchlief in der Kindheitsphase und Jugendphase den Kindergarten und die Schule, wurde qua Ausbildung auf die Inklusion ins Beschäftigungssystem während der Erwachsenenphase vorbereitet, übte in diesem einen Beruf aus und wurde aus ihm in der Altersphase in der Mehrzahl der Fälle qua Verrentung exkludiert (vgl. zur begrifflichen Differenz von Inklusion/Exklusion generell Stichweh 1988; Hohm 2000, 99 ff.).

Die Erwerbskarriere stellte dabei diejenige Phase des institutionalisierten Lebenslaufs dar, die im Rahmen der Erwachsenenphase als soziale Verpflichtung zunächst an die männlichen Individuen adressiert war. Sie begann mit der Übernahme einer Leistungsrolle (=Berufsrolle) im Kontext formaler Organisationen der Funktionssysteme der modernen Gesellschaft und endete – wie bereits erwähnt – mit der Verrentung. Sie war zugleich das Paradigma für die Selbst- und Fremdbeobachtung des Lebenslaufs als Karriere (vgl. zum Begriff der Karriere Luhmann/Schorr 1979 277 ff; Luhmann 1989, 232; Luhmann 2000, 101 ff; 297 ff; Hohm 2000, 160 ff.). Darüber hinaus fungierte sie als zentraler Bestandteil des sozioökonomischen Status der Individuen außerhalb des Beschäftigungssystems.

Der institutionalisiert Lebenslauf nahm im Zuge der Modernisierung gleichzeitig die Form einer geschlechtsspezifischen Differenzierung an. Während für die Männer das dominante Muster auf eine relativ kontinuierliche Erwerbskarriere hinauslief, läßt sich das vorherrschende Muster der Erwerbskarriere der Frauen eher als diskontinuierlich rekonstruieren (vgl. Soerensen 1990; Wohlrab-Sahr 1993, 65 ff.). Zentraler Grund für diese Diskontinuität war die im institutionalisierten Lebenslauf der Frauen verankerte Präferenz für die Übernahme familiarer Rollen im Kontext der Erwachsenenphase. Die Folgen dieser zwei dominanten und zugleich geschlechtsspezifisch unterschiedlich institutionalisierten Lebensläufe waren eine Identitätsbildung der Männer, die primär um die Berufsrolle im Rahmen des Beschäftigungssystems gruppiert war; während sich demgegenüber die der Frauen primär an den Rollen der Mutter und Hausfrau im Kontext der Familie und des Haushaltes orientierte. Traten Identitätskrisen für die Männer vor allem im Falle der Arbeitslosigkeit ein (vgl. Kronauer u.a. 1993, 23 ff.), ereilten sie die Frauen vorrangig dann, wenn sie im Status der Ledigen verblieben oder als Mutter, Hausfrau und Ehefrau versagten (vgl. Tyrell 1987, 591 ff.).

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