Kant - Kritik der reinen Vernunft (Klassiker Auslegen, Bd. 19)

Kant - Kritik der reinen Vernunft (Klassiker Auslegen, Bd. 19)

 

 

 

von: Georg Mohr, Marcus Willaschek (Hrsg.)

De Gruyter Akademie Forschung, 1998

ISBN: 9783050032771

Sprache: Deutsch

691 Seiten, Download: 2481 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Kant - Kritik der reinen Vernunft (Klassiker Auslegen, Bd. 19)



17.1 Stellung und Funktion der Antinomie der reinen Vernunft in der Kritik (S. 413)
In der zweiten, der ersten gegenüber bei weitem umfangreicheren Abteilung der Transzendentalen Logik behandelt Kant unter der Überschrift „Transzendentale Dialektik" die Irrtümer der bisherigen Metaphysik. Die Transzendentale Dialektik darf deshalb, nachdem Kant in der Transzendentalen Ästhetik und der Transzendentalen Analytik zuvor seine eigene Wahrheitslehre vorgetragen hat, als seine Irrtumslehre angesprochen werden. Die spezielle Metaphysik war nun traditionell in die drei Gebiete der rationalen Psychologie, Kosmologie und Theologie eingeteilt. Dementsprechend handelt Kant die in ihr begangenen Fehlschlüsse hier nacheinander ab. Das geschieht unter den Überschriften Von den Paralogismen der reinen Vernunft (rationale Psychologie, 1. Hauptstück), Die Antinomie der reinen Vernunft (rationale Kosmologie, 2. Hauptstück), Das Ideal der reinen Vernunft (rationale Theologie, 3. Hauptstück). Dabei ist es ihm jeweils nicht nur darum zu tun, die auf diesen Feldern begangenen Irrtümer systematisch zu erfassen, vielmehr beansprucht er darüber hinaus, mit seinen Diagnosen die hier überhaupt nur möglichen Fehlschlüsse vollständig zu registrieren und das notwendige Scheitern aller vorgeblich reinen Vernunfteinsichten in Fragen der speziellen Metaphysik zu beweisen.

Die Enttarnung der Fehlschlüsse, die der Vernunft auf dem Felde der rationalen Kosmologie unterlaufen, wenn sie versucht, über das Weltganze zu inhaltsreichen Erkenntnissen zu gelangen, nimmt Kant also unter der Überschrift der Antinomie vor. Dieser Textteil ist mit 162 Seiten der längste innerhalb der Kritik und stellt so etwas wie ein Buch im Buche dar. Ihn als Ganzes zu kommentieren, würde seinerseits einen eigenen Band beanspruchen, tatsächlich liegen solche monographischen Studien bereits vor (u. a. Erhardt 1888, Heimsoeth 1967, Nitzschke 1924, Rauschenberger 1923, Richter 1863, Schmukker 1969, Schmucker 1990, Wike 1982, Woolmann 1987), die gleichwohl mitunter nur Teilaspekte des Themas (so z. B. Al- Azm 1972, Ishikawa 1990, Kawamura 1996, Rathschlag 1936) oder gar nur einzelne der vier Antinomienpaare näher beleuchten (vgl. etwa Gunkel 1989, Höselbarth 1983, Hofmann 1961, Stockhammer 1961). Aus der Revision, die Kant für die zweite Auflage der Kritik von 1787 vornahm, ist der Abschnitt über die Antinomie ohne nennenswerte Veränderung hervorgegangen.

Kant empfand – wie übrigens bei der sich anschließenden Kritik der Gottesbeweise auch – deshalb kein Bedürfnis nach einschneidenden textlichen Veränderungen, weil diese beiden Abschnitte, anders als der über die Paralogismen, den er radikal umarbeitete, sehr weit in seine denkerische Entwicklung zurückreichen und die Erörterung der Antinomieproblematik im Jahre 1781 deshalb bereits auf eine lange Behandlungszeit, in der sie vielfältige Umarbeitungen erfahren hatte, zurückblicken konnte. Diese Etappen der Problementwicklung sind in den Bänden XVII und XVIII der Akademie-Ausgabe seiner Schriften dokumentiert, welche die Reflexionen zur Metaphysik enthalten (vgl. dazu Kreimendahl 1990, Schmucker 1990).

Aber der Antinomieabschnitt ist nicht nur der längste Textblock innerhalb der Kritik, er ist auch Kants eigenen Aussagen zufolge für die kritische Philosophie von besonderer Bedeutung, und das unter zumindest zwei Gesichtspunkten. Zum einen stellt die Antinomieproblematik entwicklungsgeschichtlich zusammen mit dem von David Hume ausgehenden Impuls (Prolegomena, IV 260) das zur Ausarbeitung der Transzendentalphilosophie führende denkerische Movens dar. Stellvertretend für andere gleichlautende Zeugnisse sei hier nur die bekannteste der Stellen zitiert, an denen Kant dieser Einschätzung Ausdruck verleiht: „Nicht die Untersuchung vom Daseyn Gottes, der Unsterblichkeit etc. ist der Punct gewesen von dem ich ausgegangen bin, sondern die Antinomie der r[einen] V[ernunft].

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