Kindeswohlgefährdung und Vernachlässigung (Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär, 15)

Kindeswohlgefährdung und Vernachlässigung (Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär, 15)

 

 

 

von: Ute Ziegenhain

Ernst Reinhardt Verlag, 2008

ISBN: 9783497603152

Sprache: Deutsch

217 Seiten, Download: 1561 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Kindeswohlgefährdung und Vernachlässigung (Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär, 15)



Teil III: Prävention und Intervention durch frühe Förderung von Feinfühligkeit (S. 119-120)

9 Stärkung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen – Chance für präventive Hilfen im Kinderschutz

von Ute Ziegenhain

9.1 Welche Hilfen für welche Familien?

Eine der zentralen Herausforderungen im Kinderschutz ist sowohl die fachliche als auch (familien)politische Entscheidung, wie breit oder wie eng unterstützende Angebote für Familien vorgehalten werden bzw. welche Familien angesprochen werden. Damit verbunden ist die Frage danach, inwieweit eher entsprechende Rahmenbedingungen bereitgestellt werden, von denen alle Familien profitieren (primärpräventive oder universelle Angebote), oder eher Angebote, die spezifisch erwarteten Misshandlungsrisiken oder negativen kindlichen Entwicklungsverläufen vorbeugen (sekundärpräventive oder selektive Angebote) bzw. Angebote zur Versorgung und Intervention nach Kindesmisshandlung und Vernachlässigung (tertiäre oder indizierte Angebote).

Die Diskussion darüber wird nicht nur unter methodischen und strategischen, sondern auch unter Kostengesichtspunkten kontrovers geführt (Krugman 1993). Tatsächlich ziehen in der derzeitigen Situation erhöhten Kostendrucks familienpolitische Akzentsetzungen in dem einen Bereich unweigerlich Einschränkungen und absehbare Kostenausweitungen im jeweils anderen Bereich nach sich. Eine gute Infrastruktur für alle Familien, wie etwa breit angelegte Familienbildungs- oder Beratungsangebote bzw. ein hinreichendes Angebot an Krippen- und Kindergartenplätzen, kann auf der anderen Seite die Versorgung von psychosozial belasteten Familien mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf einschränken. Mittelfristig kann sie dabei aber zum Kostenanstieg sekundärpräventiver Interventionen für diese Familien beitragen. Umgekehrt können ebenso Einschränkungen in den allgemeinen Rahmenbedingungen für alle Familien diejenigen Familien gefährden, die sich aufgrund ihrer Belastung an den Übergängen zwischen Selbstorganisation bzw. minimaler institutioneller Inanspruchnahme von Hilfen und verstärkter Inanspruchnahme befinden (Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen beim BMFSFJ 2005).

Dabei profitieren nicht nur Eltern mit besonderen Belastungen von Beratung und Unterstützung. Immer mehr junge Eltern aus allen Schichten sind heutzutage im Umgang und in der Erziehung ihrer Kinder verunsichert oder teilweise sogar überfordert. In der Shell-Jugendstudie gab etwa die Hälfte der befragten Eltern an, nicht zu wissen, woran sie sich in der Erziehung ihrer Kinder halten sollen (Deutsche Shell 2000). Des Weiteren wachsen die Belege, nach denen immer mehr Kinder Verhaltensstörungen entwickeln. Danach liegt die Prävalenzrate für unterschiedliche psychische Störungen von Kindern und Jugendlichen wie etwa aggressives Verhalten, soziale Ängste oder hyperkinetische Störungen zwischen 18 und 27% (Petermann et al. 2000). Und auch bereits für Kinder im Kindergartenalter zeigte sich, dass ca. 18% aller Kindergartenkinder behandlungsbedürftige emotionale und Verhaltensstörungen hatten (Hahlweg/Miller 2001; Schneewind 2002; Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen beim BMFSFJ 2005). Der Unterstützungsbedarf von Eltern reicht von Informationen über die Entwicklung, die Bedürfnisse und das Verhalten von Säuglingen und Kleinkindern bis hin zu gezielter Unterstützung und Anleitung. Nach wie vor entwickelt sich der weitaus größte Teil der Kinder in Deutschland positiv bzw. unauffällig und wächst in einem entwicklungsfördernden familiären Klima auf. Dennoch lässt sich festhalten, dass die Belastungen von Familien zunehmen und die Verantwortung der Familienpolitik wächst, Familien systematisch in der Stärkung ihrer Beziehungs- und Erziehungskompetenzen zu unterstützen. Mit einer universellen und möglichst breit angelegten Förderung der Beziehungs- und Erziehungskompetenzen von Eltern lassen sich auch diejenigen Eltern relativ zuverlässig und rechtzeitig erreichen, die tatsächlich gefährdet sind, ihre Kinder zu misshandeln oder zu vernachlässigen. In einem solchen Zugang liegen Chancen, auch diese, relativ zur Gesamtbevölkerung, geringe Anzahl von hoch belasteten Familien niedrigschwellig und nicht stigmatisierend frühzeitig wahrzunehmen und rechtzeitige, weitergehende und spezifisch angelegte Hilfen anzubieten.

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