Die soziale Konstruktion von Männlichkeit

Die soziale Konstruktion von Männlichkeit

 

 

 

von: Nina Baur, Jens Luedtke (Hrsg.)

Verlag Barbara Budrich , 2008

ISBN: 9783866491106

Sprache: Deutsch

291 Seiten, Download: 7423 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die soziale Konstruktion von Männlichkeit



3. Männlichkeit und geschlechtshomogene Praxis bei Jungen (S. 45)

Sabine Jösting

3.1 Einleitung

Geschlechtshomogene jugendliche Gleichaltrigengruppen bestätigen häufig auf den ersten Blick gängige Klischees über die Adoleszenz: Wir sehen sich an den Händen haltende, kichernde Mädchen im einheitlichen Modelook, die zum Teil endlos lang miteinander reden – wenn nicht von Angesicht zu Angesicht, dann zum Unmut der ganzen Familie am Telefon. Und wir sehen Fußball spielende, Computer spielende, am Mofa schraubende und wortkarge Jungen – mittlerweile ebenfalls im einheitlichen Modelook.

Auf den zweiten Blick jedoch sind diese Gleichaltrigenbeziehungen interessante Orte jugendlicher Vergemeinschaftung mit vielfältigen Funktionen: Freunde und Freundinnen verbringen viel Zeit miteinander, sie haben Spaß, lernen Beziehungen einzugehen, diese zu gestalten und möglicherweise auch wieder zu beenden.

Freunde und Freundinnen setzen sich mit gesellschaftlichen Erwartungen auseinander und lernen gemeinsam, sich von den Eltern bzw. von erwachsener Kontrolle abzugrenzen. In geschlechtshomogenen Freundschaften werden kollektive Standards für die Herausbildung der geschlechtlichen Identität entwickelt und erprobt. Zusammengefasst geht es in diesen Freundschaften um die interaktive Erarbeitung, praktische Einübung und bildhafte Darstellung und Inszenierung von Orientierungen und Praktiken, die eine Selbstpräsentation ermöglichen, die von Anderen als gelungen, als alters- und geschlechtsangemessen wahrgenommen und bestätigt wird.

In diesem Sinne sind adoleszente Freundschaften wichtige jugendliche Orte des Einarbeitens in eine erwachsene Praxis und Orientierung und damit sowohl eine bedeutende Sozialisationsinstanz, als auch wichtige Konstruktionsmittel und Konstruktionsorte von Geschlecht.

Wir wissen bislang jedoch wenig darüber, wie Jugendliche ihre freundschaftlichen Beziehungen konkret ausgestalten, was sie ihnen bedeuten, welche Funktionen sie haben und wie sich in diesen Beziehungen und durch diese Beziehungen Konstruktionsprozesse von Weiblichkeit und Männlichkeit vollziehen. Eva Breitenbach (2000) hat mit ihrer Studie zu Mädchenfreundschaften dieses Forschungsfeld geöffnet.

Parallel dazu habe ich mich mit Jungenfreundschaften beschäftigt und bin so dem Mangel an empirischen Untersuchungen zu diesem Themenfeld der männlichen Sozialisation begeg- net. Bei der sozialwissenschaftlichen und pädagogischen Betrachtung männlicher Peer Groups liegt der Blick bislang hauptsächlich auf dem Aspekt der Devianz oder der stilistischen Auffälligkeiten (vgl. z. B. Döge/Meuser 2001, Zimmermann et al. 2001, Wölfl 2001, Bieringer et al. 2000, Kersten 1997, 1994, Schäffer 1996, Bohnsack et al. 1995, Messerschmidt 1993).

Demgegenüber erscheint mein Forschungsfeld – die freundschaftlichen, solidarischen und intimen Beziehungen unter Jungen – unspektakulär und stellt in der öffentlichen wie wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein eher randständiges Thema dar. Ich habe mich diesem vermeintlich unspektakulären Forschungsfeld der freundschaftlichen Beziehungen zugewandt und mit sechs Freundesgruppen im Alter von 13 bis 17 Jahren Gruppendiskussionen durchgeführt.

Ich wollte die Jungen und jungen Männer selbst zu Wort kommen lassen, um unter anderem ihr alltägliches Miteinander und ihre kollektiven Praktiken und Orientierungen zu rekonstruieren. Ein zentrales Ergebnis meiner Studie ist, dass das geschlechtshomogene Gruppenleben durch Aktivität ausgestaltet wird, wobei der Sport und die Technik die vorherrschenden Aktionsfelder sind. Der folgende Artikel wird sich auf diese beiden zentralen jugendlichen Praxisfelder beziehen und deren Bedeutung für die Männlichkeitskonstruktionen meiner Befragten analysieren.

Einführend erläutere ich die methodische und theoretische Rahmung der Studie. Dann stelle ich zwei Interviewausschnitte vor: Einmal geht es um ein Fußballspiel und zum anderen um die kompetente Beherrschung eines Treckers. Abschließend thematisiere ich die geschlechtshomogenen Gemeinschaften und ihre sportliche und/oder technische Praxis für die Konstruktion von Männlichkeit.

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