Mose - Geschichte und Legende

Mose - Geschichte und Legende

 

 

 

von: Eckart Otto

C.H.Beck, 2006

ISBN: 9783406536007

Sprache: Deutsch

129 Seiten, Download: 1488 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Mose - Geschichte und Legende



VI. Der literarische Mose als Kristallisationspunkt judäischer Identität während des babylonischen Exils im 6. Jahrhundert v. Chr. (S. 42-44)

612 v. Chr. wurde Ninive von einer babylonisch-medischen Koalition erobert und der Zusammenbruch des neuassyrischen Reiches besiegelt. Juda geriet aber, da das aufstrebende neubabylonische Reich nach Ägypten blickte, wieder in politische Abhängigkeit. Eine erste Rebellion führte 598/97 v. Chr. zur Eroberung Jerusalems durch babylonische Truppen unter Führung des babylonischen Königs Nebukadnezers II. (605–562 v. Chr.), eine zweite 587/86 zur Zerstörung von Stadt und Tempel, zum Verlust der Eigenstaatlichkeit, die im 2. Jahrhundert v. Chr. für kurze Zeit und dann erst 1948 mit dem Staat Israel wieder gewonnen werden sollte, und zum endgültigen Untergang der davidischen Königsdynastie, deren Verlust die Erwartung eines endzeitlichen «Gesalbten», eines Messias, hervorbrachte.

Die Jahre des Exils der judäischen Oberschicht zwischen 586 und 539 v. Chr. waren religions- und literarhistorisch aber, wie es Leidenszeiten oft sind, besonders kreativ, denn es ging doch um eine Antwort auf die Frage, ob das Unglück der Exilszeit einen endgültigen Abbruch der Geschichte, wie ihn das Nordreich durch die assyrische Eroberung Samarias 722/21 v. Chr. erlebt hatte, bedeuten sollte oder ob es Hoffnung auf einen Neuanfang für Juda geben könnte. Das wirklich Erstaunliche dieser Zeit war, daß die Judäer nicht, wie es im Alten Orient üblich war, zu den Göttern der babylonischen Sieger übergingen, da diese sich als scheinbar stärker erwiesen hätten, sondern der Niederlage zum Trotz an Jahwe festhielten, dessen Tempel zerstört wurde. In dieser Zeit trat die in den Erzählungen des Pentateuch unter verschiedenen Blickwinkeln behandelte Frage nach dem Subjekt der Geschichte hervor, die Frage, ob die entscheidende Macht in der Geschichte tatsächlich die der Waffen sei.

Der Schlüssel der Erklärung für die Niederlage und den Sieg der Babylonier war die Einsicht, daß die Niederlage nicht durch die politische Ohnmacht ihres Gottes Jahwe über die Judäer gekommen, sondern das militärisch-politische Unglück, von dem sie betroffen waren, vielmehr Folge des eigenen Versagens dem Gott wie den Mitmenschen gegenüber sei. Das Motiv des im Auszug, in der Wüste und am Gottesberg störrisch versagenden Volkes in den Mose-Erzählungen hat hier seinen Ursprung.

Doch bis wir zur Gestalt der Erzählungen kommen, wie wir sie heute lesen (siehe oben II.), sind noch einige Linien der literarischen Geschichte des Pentateuch, beginnend mit der Exilszeit, nachzuzeichnen. Um zu verstehen, was zwischen 586 und 539 v. Chr. theologisch geschah, muß zunächst nach den Trägern der religionsund literaturhistorischen Entwicklung des Pentateuch in diesen Jahren gefragt werden. Die Autoren der Mose-Erzählungen des 7. Jahrhunderts v. Chr. sind in schriftgelehrten Kreisen Jerusalemer Priester zu finden, die sich auf Zadok, den Oberpriester am Salomonischen Tempel zurückführten. Gründeten die Zadokiden ihre Legitimation auf die davidische Königsdynastie und den Jerusalemer Tempel, so mußte diese Legitimation 586 v. Chr. mit der Vernichtung von Tempel und Königtum in eine schwere Krise geraten.

Von den Zadokiden spaltete sich eine priesterliche Reformgruppe ab, die angesichts dieser Krise ihre Legitimation über Jerusalem hinaus unter Anknüpfung an die vorexilischen Mose-Erzählungen auf Aaron, der als Bruder des Mose von Jahwe zum Priesteramt eingesetzt worden sei, zurückführte eine Legitimation, die durch die Katastrophe von 586 v. Chr., den Verlust von Tempel und Königtum, nicht außer Kraft gesetzt werden konnte.

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