Die Burnout-Epidemie oder Brennt die Leistungsgesellschaft aus?

Die Burnout-Epidemie oder Brennt die Leistungsgesellschaft aus?

 

 

 

von: Andreas Hillert

C.H.Beck, 2006

ISBN: 9783406535895

Sprache: Deutsch

337 Seiten, Download: 1321 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Burnout-Epidemie oder Brennt die Leistungsgesellschaft aus?



Kapitel 2 Burnout – ein bodenloser Begriff? (S. 31)

Ein besonderes Anliegen namentlich der sprachgeschichtlichen Forschung ist es, den Ursprüngen von Begriffen auf den Grund zu gehen, in der Hoffnung, auf diese Weise einem wirklichen Verständnis der damit bezeichneten Phänomene näher zu kommen. Im Sinne einer möglichst spezifischen inhaltlichen Klärung des Begriffs verweist bereits Herbert Freudenberger, der eigentliche Entdecker des Burnout-Phänomens (vgl. Kap. 3), auf Wörterbücher, in denen das Verb «burn-out» als «to fail, wear out, or become exhausted by making excessive demands on energy, strength, or resources» definiert wird («versagen, ermüden oder sich durch exzessive Anforderung an seinen Energiehaushalt, seine Kräfte oder seine Ressourcen erschöpfen»).

Einen konkreten Hinweis, wonach sich Burnout bereits in den 1930er Jahren in Merriams-Webster Dictionary findet, wo der Begriff im Kontext des Profisports und der darstellenden Kunst gebraucht werde, gibt Whiton Stewart Paine.1 Matthias Burisch und viele andere verweisen demgegenüber auf Graham Greenes 1961 erschienenen Roman A Burnt-Out Case (deutscher Titel: Ein ausgebrannter Fall) als früheste Verwendung des Begriffs im Sinne der späteren wissenschaftlichen Diskussion des Phänomens. Wir werden auf dieses Buch gleich zurückkommen.

Wenig später, in der Brockhaus Enzyklopädie Bd. 3, 1967, S. 511, findet sich dann folgender Eintrag: «Burn out (engl.), bei Reaktoren das Durchbrennen von Wärmetauschern oder Brennstoffhülsen, es tritt auf, wenn die Wärmeproduktion des Brennstoffs zu hoch ist, so daß die Wärme nicht mehr vom Kühlmittel abgeführt werden kann.» Für Nicht-Atomphysiker: Burnout wäre in diesem Kontext offenbar ein dramatisches, alles andere als ungefährliches Geschehen.

Helfen Betrachtungen dieser Art weiter, um Burnout im psychologisch-therapeutischen Kontext näher zu verstehen? Burnout wird üblicherweise als «Ausbrennen» oder auch als «Durchbrennen » übersetzt, was im psychologischen Kontext per se nur metaphorisch gemeint sein kann. Aber wie? Schließen Sie die Augen, und lassen Sie den Begriff «Burnout» auf der Zunge zergehen. Sprechen Sie ihn mehrere Male aus, langsam und deutlich… und achten Sie darauf, welche Bilder spontan in Ihrem Kopf auftauchen.

Am häufigsten wird diesbezüglich – in der Literatur wie auch von Patienten – auf das eindrucksvoll-endgültige Bild eines nahezu ausgebrannten Hauses verwiesen. Nur ein paar Grundmauern sind vom einstmals stattlichen Anwesen übrig geblieben, ein paar Flammen züngeln noch, es qualmt. Gezähmter, aber vielleicht deswegen seltener spontan genannt ist das Bild eines im Kamin, in Ermangelung von frischem Brennmaterial, ausgebrannten Feuers.

Welches Bild kam Ihnen in den Sinn, als Sie Burnout memorierten? Wie auch immer, die Vermutung liegt nahe, dass es auch bei Ihnen ein kraftvolles Bild gewesen ist, keine durch Dauerbetrieb entleerte Batterie oder eine flaue, unerklärte Kraftlosigkeit. Burnout ist dabei ein Begriff, der eine ganze Geschichte von ihrem Ende her erzählt – man hört es förmlich noch knistern und riecht den Qualm. So impliziert Burnout zumindest eine Ahnung davon, was mutmaßlich zuvor als dramatisches, schicksalhaftes Geschehen abgelaufen sein muss.

Was einmal aus- bzw. abgebrannt ist, das kann zwar wieder aufgebaut werden. Dasselbe,was es einmal war, wird es dennoch niemals mehr sein. Burnout ist offenkundig ein starker, emotionaler Begriff, kein beliebiges Wort, das einen geschmacksneutralen Sachverhalt bezeichnet.

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