Handbuch Psychologie und Geschlechterforschung
von: Gisela Steins
VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010
ISBN: 9783531921808
Sprache: Deutsch
413 Seiten, Download: 3076 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Teil IV Das Fach Psychologie aus einer Genderperspektive: Kritik und Reflexion (S. 305-306)
17. Friedenspsychologie Krieg und Frieden – feministische Perspektiven der Friedenspsychologie
Miriam Schroer Das Thema Krieg und Frieden trifft den Kern der zentralen dualistischen Geschlechterzuschreibung aggressiv-friedlich. Aggression und Gewalt sind in vielen Gesellschaften geschlechtlich kodiert. Jeweils spezifische Formen von Aggression und Gewalt gelten – in bestimmten Kontexten – als Teil der Definition von Männlichkeit und Negation von Weiblichkeit. Feministische Bewegungen befassten sich mit Gewalt, Krieg und Frieden und beeinflussten die Geschlechterforschung. Inzwischen sind Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Konflikt zu einem traditionsreichen Thema eines breiten, interdisziplinären, geschlechtertheoretischen Forschungsstrangs geworden. Gegenstände der Friedenspsychologie sind Krieg und Frieden.
Die Disziplin ist normativ am Ideal des positiven Friedens ausgerichtet. Die Kategorie Geschlecht ist inzwischen Bestandteil friedenspsychologischer Gegenstandsbestimmungen (z.B. Christie, et al. 2001). Dabei wird Geschlechtergerechtigkeit als fester Bestandteil eines positiven Friedens verstanden und strukturelle Gewalt geschlechtsspezifischer Ungleichheit untersucht. Debatten der Geschlechterforschung legen nahe, dass Gender darüber hinaus eine bedeutende Kategorie für die Untersuchung bewaffneter Konflikte ist. Zu den – später ausführlich dargestellten – analytischen Eckpunkten der Forschung über Geschlecht und Konflikt gehört die feministische Kritik an starren Identitätskonzepten, das Verständnis von Geschlecht in den Dimensionen Struktur, Symbolik und Identität, der Begriff der Intersektionalität und Ansätze der Männlichkeitsforschung.
Diese analytischen Werkzeuge ermöglichen ein vertieftes Verständnis nationaler und ethnischer Gemeinschaftsbildungen und Eskalationsdynamiken, die für das Verständnis bewaffneter Konflikte zentral sind. Der in diesem Beitrag verwendete Konfliktbegriff bezieht sich, soweit nicht anders bezeichnet, auf die Makroebene zwischenstaatlicher und innerstaatlicher Konflikte. Unterschieden wird zwischen einem Konflikt als Unvereinbarkeit (vgl. Glasl 1994) und dem möglicherweise gewaltsamen Konfliktaustrag. Damit sind vor allem bewaffnete Konflikte und Kriege gemeint.