Soziologische Theorie. Abriß der Ansätze ihrer Hauptvertreter

Soziologische Theorie. Abriß der Ansätze ihrer Hauptvertreter

 

 

 

von: Julius Morel, Tamás Meleghy, Heinz-Jürgen Niedenzu, Eva Bauer, Max Preglau, Helmut Staubmann

De Gruyter Oldenbourg, 2007

ISBN: 9783486584769

Sprache: Deutsch

352 Seiten, Download: 1872 KB

 
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Soziologische Theorie. Abriß der Ansätze ihrer Hauptvertreter



Kapitel 6: Der Strukturalismus: Claude Lévi-Strauss (S. 116-117)
(Tamás Meleghy)

1. Problemlage und Erkenntnisinteresse

Claude Lévi-Strauss, geboren 1908 in Brüssel, gestorben 1990, gilt als Begründer und wichtigster Vertreter des französichen Strukturalismus. Nach Abschluß seines Philosophiestudiums und einiger Forschungsjahre lehrte Lévi-Strauss an der Universität von São Paulo (1935-39) und an der New York School for Social Research (1942-45) Soziologie. 1950 erhielt er eine Professur für Vergleichende Religionswissenschaften der schriftlosen Völker an der École Pratique des Hautes Études und 1959 für Anthropologie am Collège de France.

Lévi-Strauss interessierte sich in seinen jungen Jahren für die Geologie, für den Marxismus und für die Psychoanalyse. Die Beschäftigung mit diesen Wissenschaften lehrte ihn, daß der Wissenschaftler nach tieferliegenden Strukturen hinter dem oberflächlich Sichtbaren (Geologie), den vordergründigen Ideologien (Marxismus) und dem scheinbar Irrationalen (Psychoanalyse) schauen muß. Dieselbe Lektion erteilte ihm die Begegnung mit dem Werk des Schweizer Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure (1857-1913).

Der Begründer der strukturalen Sprachwissenschaft de Saussure führte u.a. die Unterscheidung zwischen der Sprache im Sinne vom Sprechen (parole) und der Sprache selbst (langue) ein. Er bestimmte als den eigentlichen Gegenstand der Linguistik die Sprache im Sinne von „langue" und lenkte die Aufmerksamkeit der Sprachwissenschaftler weg von den individuellen sprachlichen Äußerungen (parole) hin zu den Gesetzen der tiefer liegenden phonologischen Struktur der Sprache (langue).

Die von de Saussure begründete strukturale Phonologie sollte nach Lévi-Strauss „für die Sozialwissenschaften die gleiche Rolle des Erneuerers spielen wie zum Beispiel die Kernphysik für die Gesamtheit der exakten Wissenschaften" (Lévi-Strauss 1967, S. 45). Einen bedeutenden Einfluß auf das Denken Lévi-Strauss übten auch die Arbeiten der französischen Soziologen Emile Durkheim (1858-1917) und Marcel Mauss (1872-1950) aus. Sein Interesse für das „wilde Denken", d.h. für die von den Mitgliedern primitiver Gesellschaften verwendeten Klassifizierungen und Denkschemata, sind auf diesen Einfluß zurückführbar. Seine Idee, die Soziologie auf Austausch und auf Reziprozität zu gründen, stammt von Mauss (vgl. Mauss 1968).

Es lassen sich im wissenschaftlichen Schaffen von Lévi-Strauss drei Phasen ausmachen, die jeweils von unterschiedlichen Themen beherrscht werden. In der ersten Phase beschäftigt er sich vorwiegend mit dem Phänomen der Verwandtschaft. Der Abschluß dieser Periode wird durch das Erscheinen der französischen Originalausgabe seines großen Werkes „Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft" im Jahre 1949 markiert. In seiner zweiten Schaffensperiode widmet sich Lévi-Strauss der Untersuchung der gedanklichen Instrumente wie Kategoriensysteme und Klassifikationsschemata, mit deren Hilfe primitive Gesellschaften ihre spezifischen Welten erschaffen. Diese zweite Phase findet ihren Abschluß durch das Erscheinen der französischen Originalausgabe seines Buches „Das wilde Denken" im Jahre 1962. In der dritten Schaffensphase entsteht sein monumentales dreibändiges Werk (insgesamt 1856 Seiten) „Mythologica" über die Mythen der Urbewohner Nord- und Südamerikas. Die einzelnen Bände dieses Werkes erschienen in Frankreich zwischen 1970 und 1973. Mit diesen drei Themen beschäftigt sich Lévi-Strauss auch in zahlreichen kürzeren Aufsätzen und Zeitschriftenartikeln. Daneben veröffentlicht er eine ganze Reihe von Abhandlungen, in denen er seinen strukturalistischen Ansatz und die daraus abgeleitete strukturalistische Methode behandelt.

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