Wie geht katholisch? - Eine Gebrauchsanleitung

Wie geht katholisch? - Eine Gebrauchsanleitung

 

 

 

von: Julia Knop

Verlag Herder GmbH, 2013

ISBN: 9783451800511

Sprache: Deutsch

192 Seiten, Download: 4008 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Mehr zum Inhalt

Wie geht katholisch? - Eine Gebrauchsanleitung



Gott sei Dank! – Horizonterweiterung


1. … der Himmel und Erde erschaffen hat:
Gott, der Schöpfer


»Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn – der Himmel und Erde erschaffen hat.« Wer einmal Ministrantin oder Ministrant war, kennt diese Worte aus den Psalmen der Bibel (vgl. Ps 121,2; Ps 124,8). Es handelt sich um ein kurzes Wechselgebet, das Priester und Messdiener sprechen, bevor sie aus der Sakristei in den Kirchenraum einziehen, um dort zusammen mit der ganzen Gemeinde Messe zu feiern. Bei diesem Gebet machen sie ein Kreuzzeichen.

Aber was soll das heißen – »… der Himmel und Erde erschaffen hat«? Für viele klingt das ganz schön altbacken. In Amerika streiten Eltern, Biologie- und Religionslehrer um die Wahrheit des ersten biblischen Schöpfungsberichts (vgl. Gen 1,1–2,4a). Wer hat Recht – die Bibel, die von der Schöpfung als Erschaffung der Welt in sieben Tagen spricht, oder die moderne Naturwissenschaft, die von vielen Millionen Jahren, von einem bis heute andauernden Prozess der Evolution ausgeht?

Eine einfache Überlegung kann diesen Streit beilegen. Ein Konflikt entsteht eigentlich nur dann, wenn man die beiden Perspektiven – die religiöse und die naturwissenschaftliche – als alternative Antworten auf dieselbe Frage versteht, beispielsweise auf die Frage, wie lang es gedauert hat, bis der Mensch auf der Erde aufgetreten ist. Dann muss eine Antwort falsch sein – in diesem Fall eindeutig die religiöse. Der Mensch ist nicht am sechsten Tag des Universums aufgetaucht. Damit ist das Thema aber noch nicht vom Tisch. Schaut man genau hin, erkennt man nämlich, dass nicht dieselbe, sondern zwei sehr verschiedene Fragen gestellt und beantwortet werden. Den Naturwissenschaftler interessiert die Entstehung und Entwicklung des Kosmos. Er fragt nach dem »Wann?« und dem »Wie?«. Dazu rekonstruiert er biochemische Abläufe und ihre Ursachen. Liest er mit dieser Frage die Bibel, bekommt er keine Antwort – natürlich nicht! Denn die Bibel ist kein Protokoll der ersten Wochen des Universums. Sie ist ein Buch, in dem Menschen das, was sie erfahren haben, im Horizont ihres Glaubens deuten. Man versteht die Texte der Bibel dann richtig, wenn man ihre Sprache und ihr Anliegen kennt und ernst nimmt. Das ist bei jedem Text so – um zu verstehen, was gemeint ist, muss man in seine Perspektive einsteigen. In den Schöpfungserzählungen der Bibel geht es nicht um naturwissenschaftliche Theorien, sondern um existenzielle Fragen wie diese: Warum gibt es diese Welt überhaupt? Wer wollte, dass sie sei? Was ist der Mensch? Wer wollte, dass es ihn gibt? Wozu sind wir hier auf der Erde? Hat das alles einen tieferen Sinn?

Die Bibel gibt im Bild der sieben Schöpfungstage (vgl. Gen 1–2,4a) bzw. der Erschaffung von Mann und Frau im Paradies (vgl. Gen 2,4b–25) der Überzeugung Ausdruck, dass unsere Welt ihren letzten Grund in Gott findet; dass Gott Ursprung und Ziel, Sinn und Maßstab unseres Lebens ist. Die Schöpfungserzählungen beantworten also nicht die Frage nach dem »Wie?« der evolutiven Welt-Entstehung, sondern die Frage nach dem »Warum?« all dessen, was ist. Die Antwort der Bibel lautet: Es gibt diese Welt, weil Gott sie wollte und will. Weil er jeden von uns liebt und in seine Gemeinschaft ruft. Weil er alle Geschöpfe gutheißt. Denn was Gott will, das entsteht. Und was Gott gutheißt, das segnet er.

Wenn Christen sich zu Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, bekennen und ihren Gottesdienst mit den Worten »Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn – der Himmel und Erde erschaffen hat« beginnen, dann nehmen sie genau diese Perspektive ein: Sie stellen sich in den Horizont des guten und allmächtigen Schöpfers. Sie bekennen, dass nicht sie Herrscher der Welt sind, sondern dass dies einzig und allein Gott zukommt. Sie nehmen ihre Verantwortung für diese Welt an als eine Aufgabe, für die sie Gott gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Das bedeutet der Herrschaftsauftrag aus Gen 1,28: dass der Mensch vor Gott verantwortlich ist in seiner Sorge für Mensch und Tier, für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt.

Wer Gott mit den Schöpfungserzählungen der Bibel als Schöpfer bekennt, verlässt sich auf eine Jahrtausende alte Erfahrung: auf die Erfahrung, dass es sich in den Koordinaten Gottes gut leben lässt und dass es in ihnen eine Dimension gibt, die die Maßstäbe dieser Welt überschreitet. Es ist die Dimension der Hoffnung und des Vertrauens auf den Gott, der seine Schöpfung liebt und sie einmal zur Vollendung führen wird.

? VGL. AUCH KAPITEL 2, 13, 16, 43.

2. Als Abbild Gottes schuf er ihn.
Der Mensch: Gottes geliebtes Geschöpf


Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt (Ps 8,5f.). In diesen Zeilen aus Psalm 8 kommt zunächst eine grundmenschliche Erfahrung zum Ausdruck: das Wissen darum, wie unbedeutend man selbst aufs Ganze gesehen eigentlich ist. Unmittelbar darauf aber folgt das Erstaunen darüber, dass Gott das offenbar ganz anders sieht: dass er den Menschen gutheißt, dass er ihn hochschätzt und »mit Herrlichkeit krönt«.

Auf den ersten Seiten der Bibel wird das mit dem Wort »Abbild« oder »Ebenbild« ausgedrückt: »Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie« (Gen 1,27). Im historischen Kontext dieser Zeilen war sofort verständlich, was damit gemeint ist: Ebenbild zu sein bedeutet, Repräsentant, Stellvertreter, Treuhänder, Verantwortlicher im Namen seines Herrn zu sein. Im Laufe der Zeit wurde diese eher funktionale Beschreibung der Gottebenbildlichkeit zu einer Wesensbeschreibung: Der Mensch – und zwar jeder Mensch, nicht nur Könige und Herrscher! – ist mit dieser Würde ausgestattet. Dass jeder Mann und jede Frau als Mensch von Gott gewollt und geschaffen wurde – das ist es, was uns besonders macht. Aus der Perspektive des Gläubigen trägt jeder Mensch das Antlitz Gottes – unabhängig davon, ob er eine besondere Begabung hat oder für seine Umgebung von besonderem Nutzen ist, unabhängig davon, welche »Lebensleistung« er erbringt oder wenigstens erhoffen lässt, unabhängig davon, wie hilfsbereit oder wie hilfsbedürftig er ist.

Säkulares Gegenstück dieser Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen ist der Gedanke der Menschenwürde, der heute die entscheidende Bezugsgröße moderner Rechtsordnungen darstellt. Auch hier geht es um den Wert und die Würde eines jeden Menschen unabhängig von seiner Herkunft und seinen Fähigkeiten, unabhängig vom Stand seiner Entwicklung und von seiner Gesundheit, unabhängig von seinem Geschlecht, seiner religiösen und nationalen Zugehörigkeit. Jedes Lebewesen, das menschliche Eltern hat, ist vom Beginn seiner individuellen Existenz an Träger dieser Menschen-Würde. Deshalb muss man ihm Achtung entgegenbringen, ganz gleich, ob er schon geboren ist oder noch im Leib der Mutter lebt, ob er für sich selbst eintreten kann oder nicht, ob er seine Umgebung wahrnimmt oder nicht. Seine Rechte als Person, allen voran sein Recht auf Leben, sind zu achten, zu schützen und gegebenenfalls zu verteidigen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nicht die Gesellschaft verleiht sie als Bestätigung oder Prämie für bestimmte Eigenschaften – z. B. für einen bestimmten Intelligenzquotienten, für ein Mindestmaß an Sozialkompetenz oder Wirtschaftsleistung. Die Würde des Menschen ist keine Auszeichnung für besondere Verdienste. Allein die Tatsache, Kind menschlicher Eltern zu sein, begründet den Anspruch darauf, als Person geachtet zu werden.

Die Würde des Menschen ist die Basis der Menschen- und Grundrechte. Zu ihnen zählt auch die Freiheit, sich religiös zu betätigen oder nicht. Niemand darf zu einem religiösen Bekenntnis gezwungen oder von einer religiösen Praxis abgehalten werden. Das religiöse Bekenntnis der Bürgerinnen und Bürger eines Landes ist keine Staatsangelegenheit, sondern deren ureigene Angelegenheit. Ein Glaubensbekenntnis kann man nicht verordnen oder verbieten. Es betrifft die Person in ihrem Innersten. Es ist allerdings auch keine bloße Privatsache in dem Sinn, dass Religion außerhalb der eigenen Wohnung keine Rolle spielen dürfte. Beim Schutz der Religionsfreiheit geht es darum, Zwang in Sachen Religion auszuschließen – den Zwang, ein bestimmtes Bekenntnis zu teilen ebenso wie den Zwang, ein solches aufzugeben. Religionsfreiheit aber deshalb nicht, dass religiöse Praxis in der Gesellschaft unsichtbar werden müsste. Im Gegenteil: Gerade da, wo die verschiedenen Bekenntnisse der Menschen in unserer Gesellschaft sichtbar gelebt werden, wird Austausch möglich. Dann bleiben wir ansprechbar füreinander. Dann kann auch religiöse Bildung wachsen: das Wissen um den anderen und um das, was ihm wichtig ist, genauso wie Erfahrung in der eigenen religiösen Tradition.

? VGL. AUCH KAPITEL 1, 25, 47.

3. Mit Gott auf Du und Du. Offenbarung und Glaube


Namen spielen eine große Rolle (nicht nur) in der Bibel. Namen machen erkennbar, mehr noch: Sie machen ansprechbar. Namen eröffnen Beziehung. Die Geschichte des Volkes Israel ist, wie die Schriften des Alten Testaments zeigen, eine Geschichte mit Gott, der sein Volk begleitet und schützt. Es ist die Geschichte eines Volkes mit einem Gott, der sich genau diesem Volk zu erkennen gibt. Das tut er, indem er ihm seinen Namen offenbart: »Ich bin der ›Ich-bin-da‹« (Ex 3,14). So sprach Gott zu Mose. »Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen...

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