Pädagogisches Grundwissen. Überblick - Kompendium - Studienbuch

Pädagogisches Grundwissen. Überblick - Kompendium - Studienbuch

 

 

 

von: Herbert Gudjons

Verlag Julius Klinkhardt, 2006

ISBN: 9783781514904

Sprache: Deutsch

385 Seiten, Download: 5849 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Pädagogisches Grundwissen. Überblick - Kompendium - Studienbuch



Kapitel 4: Geschichte der Pädagogik (S. 73-74)

Worum es geht …
Geschichte der Pädagogik studieren heißt: über den Tellerrand der pädagogischen Gegenwart hinauszublicken, die Vielfalt und Widersprüchlichkeit von Erziehung kennen zu lernen, die Wurzeln unserer heutigen Situation zu verstehen, aktuelle Probleme im Licht der Geschichte neu zu sehen. Nach einem kurzen Vorspann wird die Entwicklung in fünf Epochen gegliedert:

1. Der Umbruch vom Mittelalter zur Moderne.
2. Die Aufklärung oder das »Pädagogische Jahrhundert«.
3. Die »Deutsche Klassik« und die entstehende bürgerliche Gesellschaft, vor allem die Entstehung des modernen Bildungswesens.
4. Die Reformpädagogik im ersten Drittel unseres Jahrhunderts.
5. Der Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit.

Die Ihnen bekannten Namen und Daten müssen nicht vom Staub der antiquarischen Historie überdeckt bleiben. Die gesamte Geschichte der Pädagogik ist natürlich nicht auf wenigen Seiten darstellbar. Das folgende Kapitel setzt inhaltlich und quantitativ Akzente. Es stellt die Geschichte der Pädagogik seit der Antike nur exkursartig dar, betont die klassischen Epochen und fasst die Zeit nach 1900 dann erheblich kürzer zusammen. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kommt dann noch einmal im Kapitel 10 (Bildungswesen) zur Sprache. Leitende Perspektive der Gesamtdarstellung ist das »Doppelgesicht der Erziehung « und ihre Widersprüchlichkeit: Erziehung als Menschwerdung des Menschen und Erziehung als Durchsetzung fremder Zwecke.

Dabei geht es um die Frage: Welche Rolle hat »Erziehung« bei der Entstehung der »Moderne« gespielt? (Grundlegend dazu: Handbuch der Deutschen Bildungsgeschichte 1987ff., Benner/ Oelkers 2003)Vorspann: Von der Antike zur Neuzeit Die Idee der Bildung Unser neuzeitliches Bildungsverständnis ist Erbe der antiken Welt, entstanden durch Überformung im Christentum, Säkularisierung in der Renaissance und Auseinandersetzung seit der Aufklärung. Diese weite Zeitspanne von über 2000 Jahren ist einerseits Vorgeschichte neuzeitlichen Denkens, andererseits nicht darauf reduzierbar, sondern eine eigene Welt, deren Erziehungsalltag zum Beispiel uns heute in der Regel weitgehend unbekannt ist (Tenorth 1992, 40). Grundlegend für die griechische Antike ist die Idee der »paideia« (= Erziehung, Bildung), wie sie in den griechischen Stadtstaaten des 5. und 4. Jahrhunderts vor Christus entstand (Marrou 1957, Jäger 1959). Paideia war damit einerseits praktische Lebensform: Sie bereitete für das gesellschaftliche Leben in der polis (= Stadtstaat) vor, einer Demokratie, in der gewählte Politiker und Volk noch zusammengehörten und öffentlich-staatliches Handeln und gesellschaftliche Praxis sich nicht trennen ließen. Insofern war Bildung immer auch »politische« (polis!) Bildung.

Andererseits wurde paideia zu einem philosophisch ausformulierten Bildungsideal, wie es sich in den Hauptwerken Platons (427–347) fi ndet. Ziel ist es, vom dumpfen Meinen zum Erkennen der höchsten Idee des guten und gerechten Lebens aller zu gelangen und dies mit den höchsten Tugenden (z.B. Besonnenheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Frömmigkeit) zu verbinden. Plato entwickelt dabei eine hoch-selektive Gesellschaft mit einem elitären Bildungsideal. Dabei sind der Seele – vorgeburtlich – die Ideen des Wahren, Schönen und Guten eingeboren, wie Plato es im Dialog Menon entwickelt. Der Mensch tritt aus diesem Reich der Ideen ins irdische Leben, strebt nach Wiedererinnerung (Anamnesis) der Ideen, stirbt und geht ins Ideenreich ein – ein ewiger Kreislauf im Rahmen eines zyklischen Zeit- und Weltbildes. In der nachklassischen Antike wurde dann eher der Kreis des allgemeinen Wissens (enkyklios paideia, etymologische Wurzel von »Enzyklopädie«) betont (später als die Sieben Freien Künste zum Lehrplan des Abendlandes geworden, Dolch 1971).

In Rom wird dann das griechische Erbe mit dem eigenen Ideal der virtus (= Tugend) etwa durch Cicero (106–43) verschmolzen. Doch das folgende christliche Denken bedeutet einen radikalen Einschnitt. Die menschliche Existenz wird linear (nicht mehr zyklisch) gedacht, es gibt eine Schöpfung und ein Jüngstes Gericht. Nicht die Ideen sind das Höchste, sondern ein persönlicher Gott. Nicht die Erkenntnis weniger ist das Ziel, sondern die Erlösung aller Menschen. Die Bindung an Gott und die Vorstellung der Gottesebenbildlichkeit des Menschen (imago dei) werden im gesamten Mittelalter Grundlagen des Bildungsdenkens. Bildung ist Gestaltung des Lebens auf diesen Grundlagen. Ein weiterer radikaler Einschnitt in der Geschichte der Bildungsidee ergibt sich

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