Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie

Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie

 

 

 

von: Martina Löw, Silke Steets, Sergej Stoetzer

Verlag Barbara Budrich , 2007

ISBN: 9783825283483

Sprache: Deutsch

215 Seiten, Download: 12488 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie



2. Räume (S.51)

Die wissenschaftliche Aufmerksamkeit für Raumphänomene ist derzeit groß. Auf allen skalierbaren Ebenen werden Raumkonstitutionsprozesse beobachtet: die Veränderungen territorial gebundener Nationalstaaten, die Verdoppelung der Realitätserfahrung durch elektronische Netze sowie die alltäglichen Platzierungskämpfe im Stadtteil, der Wohnung etc.

Die Soziologie hat in den letzten Jahrzehnten ihren Raumbegriff langsam erneuert. Wie im einleitenden ersten Kapitel bereits dargestellt, arbeiten die meisten AutorInnen heute nicht mehr mit der Annahme, Raum sei der materielle Hinter- oder erdgebundene Untergrund sozialer Prozesse. Vielmehr wird Raum selbst als sozial produziert, damit sowohl Gesellschaft strukturierend als auch durch Gesellschaft strukturiert und im Prozess sich verändernd begriffen.

Der Behälterraum wird mehrheitlich als möglicher Spezialfall einer räumlichen Anordnung begriffen und nicht als Normalfall vorausgesetzt. Da der Raumbegriff ein überaus komplexer soziologischer Begriff ist, beginnen wir mit einer Einführung in die Raumtheorie. Darauf aufbauend werden zwei soziologische Thematisierungsformen von Raum erläutert: die handlungstheoretische und die marxististische.

Da handlungstheoretische Raumarbeiten selten Raumstrukturen untersuchen, marxistische Werke dagegen kaum bis zur Handlungsebene vordringen, mündet die Auseinandersetzung in einen eigenen Vorschlag zur raumtheoretischen Konzeption. Aktuelle Formen der Raumbildung werden darauf aufbauend in den Dimensionen global, national, lokal und virtuell erläutert.

2.1 Raumkonzeptionen ,

Mit dem Begriff des Raumes wird eine Organisationsform des Nebeneinanders beschrieben, ebenso wie man mit dem Begriff der Zeit eine Formation des Nacheinanders benennt. Räume bezeichnen somit eine Relation zwischen gleichzeitigen Platzierungen.

Dieses Platzierte (auch im Sinne von Gewachsenem, Gebautem, Gepflanztem) muss, um als Raum wahrgenommen zu werden, im Plural auftreten. Nicht das Objekt ist Raum, sondern Raum spannt sich zwischen Objekten auf. Raum ist deshalb der Inbegriff für Gleichzeitigkeiten (vgl. dazu auch die Überlegungen von Massey 1999a/b, dargestellt in Kapitel 2.2.2).

Wer Räume analysiert, richtet das Augenmerk stets auf die Differenz, die gegenseitigen Verflechtungen und ihre Veränderungen. Dies gilt gleichermaßen für Makroräume wie Nationalstaaten als auch für die Mikroräume des Alltags. Trotz des breiten Einverständnisses in den verschiedenen Raumwissenschaften, banalisierende Container-Raumbegriffe als Erkenntnismittel zurückzuweisen, unterscheiden sich die Vorschläge, Raum nun neu zu konzeptualisieren, je nach theoretischer Position deutlich. Es lohnt sich demnach, sie im Einzelnen zu betrachten.

2.1.1 Auf den Spuren marxistischer Raumsoziologie

Henri Lefèbvre gilt als soziologischer Pionier der modernen Raumsoziologie. Mit seinem 1974 in Frankreich erschienenen Werk  „Production de l’espace" (hier zitiert nach der englischen Ausgabe von 1991) legt er nicht nur die Spur zu einem relationalen Raumbegriff, sondern bindet diesen auch in Kapitalismuskritik ein.

„(Social) space is a (social) product"" (Lefèbvre 1991, orig. 1974: 30) schreibt Lefèbvre zu Beginn seiner raumtheoretischen Überlegungen. Ähnlich wie Marx, der die Produkte der Industrie nicht in ihrer dinglichen Gestalt, sondern als Resultat eines gesellschaftlichen Produktionsprozesses untersucht hat, entwickelt Lefèbvre eine kritische Analyse von Raum, die diesen als gesellschaftlich hergestellten Raum zu erforschen vermag.

Lefèbvre unterscheidet zwar zwischen sozialem und physischem/natürlichem Raum, betont jedoch, dass letzterer immer mehr verschwindet (ebd). Natürlicher Raum habe heute den Charakter eines Hintergrundbildes.

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