Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie

Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie

 

 

 

von: Hans-Werner Bierhoff, Dieter Frey

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2006

ISBN: 9783840918445

Sprache: Deutsch

839 Seiten, Download: 5699 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie



Selbstwahrnehmungstheorie - Self-Perception Theory (S. 27-28)

Marc-André Reinhard, Dagmar Stahlberg & Lars-Eric Petersen

1 Grundannahmen der Theorie

Woran erkennt eine Person, dass sie hungrig ist, dass sie ein Angsthase ist oder einen anderen Menschen mag? Die Theorie der Selbstwahrnehmung von Bem (1965, 1967, 1972) beantwortet diese Fragen wie folgt:

Grundannahmen der Selbstwahrnehmungstheorie
Individuen schließen von der Beobachtung ihres eigenen Verhaltens und/ oder den Umständen, unter denen dieses Verhalten stattfindet, auf die eigenen Einstellungen, Emotionen und andere interne Zustände. So wird sich eine Person insbesondere dann, wenn interne Hinweisreize schwach, zweideutig oder uninterpretierbar sind, auf die gleichen, direkt beobachtbaren Hinweisreize verlassen müssen, die eine außenstehende Beobachterin heranziehen würde, um auf die internen Zustände dieser Person zu schließen (Bem, 1972).

Wenn wir z. B. an einem Ferientag früh aufstehen, schließen wir vielleicht daraus, dass wir eine typische Frühaufsteherin sind. Wenn wir dagegen an einem normalen Werktag früh aufstehen, weil wir zu einer wichtigen Vorlesung an die Universität müssen, dann ist unser Verhalten allein durch die Situation erklärbar, und wir können daraus nichts über unsere Präferenzen lernen.

Historisch gesehen fand die Selbstwahrnehmungstheorie zunächst deshalb in der Sozialpsychologie starke Beachtung, weil sie in bestimmten Bereichen mit einer der populärsten sozialpsychologischen Theorien, nämlich der Theorie der kognitiven Dissonanz Festingers (1957), konkurrierte. Sie beansprucht, Ergebnisse dissonanztheoretischer Forschung „sparsamer“ zu erklären. Diese Forschungskontroverse wurde weitgehend in den 70er Jahren abgeschlossen. Die aktive Forschung wandte sich dann in der Folgezeit weiteren mit der Selbstwahrnehmungstheorie erklärten Phänomenen zu, die auch aktuell noch großes Forschungsinteresse auf sich ziehen.

2 Die Kontroverse zwischen der Selbstwahrnehmungstheorie und der Theorie der kognitiven Dissonanz

Die Selbstwahrnehmungstheorie und die Theorie der kognitiven Dissonanz kommen zu den gleichen Vorhersagen darüber, wie Personen reagieren werden, wenn sie sich ihren Einstellungen widersprechend verhalten. Ein solches Verhalten könnte z. B. bei einem Studenten mit zunächst negativer Einstellung zur Einführung von Studiengebühren darin bestehen, einen Aufsatz zu schreiben, in dem er die Vorteile von Studiengebühren herausstellt. Personen, die nur geringfügig dafür belohnt werden, sich einstellungsdiskrepant zu verhalten (z.B. durch einen Schokoriegel), werden ihre danach gemessenen Einstellungen dem gezeigten Verhalten stärker anpassen als Personen, die das gleiche Verhalten unter einer Bedingung hoher Belohnung ausführen (z.B. 20 Euro): Der Student mit der 20 Euro-Belohnung wird auch nach dem Schreiben des Aufsatzes nur wenig von Studiengebühren halten. Der Student dagegen, der den Aufsatz beinahe freiwillig (Schokoriegel) schrieb, wird seine Einstellung der im Aufsatz vertretenen Position angleichen.

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