Die Kunst, sich wertzuschätzen - Angst und Depression überwinden - Selbstsicherheit gewinnen

Die Kunst, sich wertzuschätzen - Angst und Depression überwinden - Selbstsicherheit gewinnen

 

 

 

von: Heinz-Peter Röhr

Patmos Verlag, 2013

ISBN: 9783843604253

Sprache: Deutsch

200 Seiten, Download: 537 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Die Kunst, sich wertzuschätzen - Angst und Depression überwinden - Selbstsicherheit gewinnen



Wie entwickelt sich das Selbstwertgefühl?


Die Frage, wann sich das Selbstwertgefühl entwickelt, ist etwa so zu beantworten: Das Selbstwertgefühl entwickelt sich maßgeblich während der ersten sechs Lebensjahre. Darüber besteht Einigkeit bei den meisten Forschern und Wissenschaftlerinnen. Während dieser Zeit werden die Weichen gestellt, die lebenslänglich von Bedeutung sind. Doch wie sehr frühe Erfahrungen das Leben bestimmen, ist den meisten Menschen gar nicht bewusst.

Die Entwicklung beginnt während der Schwangerschaft: Wie steht die werdende Mutter zu dem, was in ihrem Leib wächst? Ist sie in großer Erwartung und Freude? Oder wird sie von Zweifeln, Angst und Ablehnung geplagt? Kinder, die schon während der Schwangerschaft nicht gewollt waren, haben meist nach der Geburt viele Probleme. Sie sind häufiger untergewichtig, leiden öfter unter Ernährungsstörungen und sind aufgrund ihres schlechteren Immunsystems für Infekte anfälliger als erwünschte Kinder. Die Haltung der Mutter in der ersten frühen Phase zu ihrem Kind hat Auswirkungen auf die gesamte Persönlichkeit, bis hinein in die körperlichen Strukturen und Abläufe. Die Auswirkungen auf die Seele, und damit auch auf das Selbstgefühl, sind so gravierend, dass sie in ihrer Bedeutung schwerlich überschätzt werden können.

Jeder Mensch kommt mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen auf die Welt. Gene tragen dazu bei, wie sich das Selbstwertgefühl entwickelt. Darauf haben wir jedoch keinen direkten Einfluss. Nachgewiesen durch die moderne Hirnforschung ist inzwischen, dass sich die Genstruktur durch die Umwelt verändert. Sie kann sich durch Psychotherapie, durch die Arbeit an der eigenen Person verändern, ebenso durch regelmäßig praktizierte Meditation, aber auch z. B. durch die Werbung, die uns täglich berieselt. Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass die Gene relativ großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben.

Gleich zu Beginn ist jedoch zu erwähnen, dass es sie gibt: die Unverletzlichen. Trotz früher negativer Erfahrungen, schwierigster Lebensumstände und Vernachlässigungen scheint es immer wieder Menschen zu gelingen, ein zufriedenes Leben zu führen. In der Fachsprache nennt man sie »resilient«, das heißt, dass sie über konstruktive Strategien und Fähigkeiten verfügen, trotz widrigster Umstände ihre psychische Gesundheit und ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Bei ihnen kann man positive innere Programme erkennen, die Orientierung und Halt geben.

Drei grundlegende Fragen


Wenn ein Mensch auf die Welt kommt, stellen sich gleich zu Beginn des Lebens drei wichtige Fragen, die für das Selbstwertgefühl von entscheidender Bedeutung sind.

Die erste Frage lautet: Bin ich willkommen?

Jedes dritte Kind kommt ungeplant und leider häufig auch unerwünscht auf die Welt. Manchmal erwacht ein positives Gefühl für ein Kind erst nach seiner Geburt. Wie man sich ihm zuwendet, wie es berührt und angefasst wird, trägt entscheidend dazu bei, ob es sich auf dieser Welt willkommen fühlt – oder nicht. In dem Zusammenhang spielt das sog. Körpergedächtnis eine Rolle. Die Zuwendung geht sozusagen unter die Haut. Streicheln, Berührung und Liebkosung werden als angenehm empfunden und im Körpergedächtnis gespeichert. Wenn diese positive Zuwendung in der Kindheit fehlte, kann es sein, dass Menschen körperliche Nähe als unangenehm empfinden und dass sie im späteren Leben Angst haben, wenn ein anderer Mensch ihnen nahe kommt. Besonders in Partnerbeziehungen muss dies zu enormen Schwierigkeiten führen.

Damit ein Mensch ein starkes Selbstwertgefühl entwickeln kann, benötigt er positive Signale von den ersten Bezugspersonen, zunächst besonders von der Mutter. Die Erfahrungen, die die kleinen Wesen während dieser Zeit machen, gehen sozusagen unter die Haut, und Lernen findet über die Haut statt. Der Lerntheoretiker Piaget nennt diese Form des Lernens »sensumotorisch«. Kinder lernen, obwohl sie noch nicht sprechen können. Sie spüren, wie die Mutter zu ihnen steht, wie andere Menschen – Vater, Geschwister oder Großeltern – zu ihnen stehen, ob sie willkommen sind oder nicht. Da diese Prozesse so früh stattfinden, dringen sie tief in die Seele ein, viel tiefer als in späteren Lebensabschnitten. Die Art und Weise, wie das kleine Kind angefasst wird, wie man es hält, wie man es streichelt und versorgt, geht als Botschaft in die Seele ein.

Natürlich ist die Behandlung eines unerwünschten Kindes anders als die eines erwünschten. Früh müssen kleine Kinder erleben, dass sie eine Last sind, dass man sie eigentlich nicht haben will. Demgegenüber wird ein willkommenes Kind mit der notwendigen Nähe, Wärme und Liebe versorgt. Die Stimme und die Stimmung, wenn die Mutter mit dem Säugling spricht, werden intuitiv wahrgenommen. Die emotionalen Schwingungen, die von den Eltern ausgehen, nimmt die Seele auf, und sie werden zur Basis für das Selbstwertgefühl.

Die psychologische Forschung, insbesondere die Entwicklungspsychologie, weist immer wieder auf die enorme Bedeutung des ersten Lebensjahres hin, das für die emotionale Entwicklung so wichtig ist. Ein fataler gesellschaftlicher Irrtum ist die Schaffung möglichst vieler Kindertagesstätten, damit Säuglinge möglichst früh versorgt werden und die Mütter wieder berufstätig sein können. Kinder brauchen besonders im ersten Lebensjahr die Mutter, die möglichst immer zur Verfügung steht, die ihrem Kind Sicherheit und Geborgenheit vermitteln kann. Das sog. Urvertrauen und das Gefühl, willkommen zu sein auf dieser Erde, sind die Basis für eine positive Persönlichkeitsentwicklung und für ein starkes Selbstwertgefühl. Die Liebe der Eltern zu ihrem Kind muss in seiner Seele förmlich Platz nehmen.

Das Fundament für das Selbstwertgefühl wird von den Eltern gelegt. Später wollen Kinder in der Gruppe willkommen sein. Sie haben das Bedürfnis, gemocht zu werden und wichtig zu sein. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle. Kinder mit auffälligen körperlichen Besonderheiten, Behinderungen, z. B. Fehlstellungen der Augen etc., werden in einer Gruppe leicht zu Außenseitern und leiden unter Zurückweisungen. Kinder mit Migrationshintergrund spüren beispielsweise intuitiv, dass sie weniger willkommen sind als andere. Ihre Eltern fühlen sich in der Gesellschaft eher geduldet als willkommen und geben daher meist die Botschaft weiter: Wir sind (ich bin) hier nicht willkommen.

Die zweite Frage lautet: Genüge ich meinen Eltern?

Kleine Kinder tun alles, um ihren Eltern zu gefallen. Man kann sagen, dass es ein Grundbedürfnis jedes kleinen Kindes ist, den Eltern zu genügen. Sie spiegeln sich in den Augen der Eltern, die sie anschauen und ihnen ein Wertgefühl vermitteln. Ein Kind, das nicht von Vater oder Mutter anerkannt und akzeptiert wird, leidet. Es entsteht eine innere Verzweiflung, die quält und nach Auflösung schreit. Jedes Kind will von beiden Elternteilen das Gefühl bekommen, dass es ihnen genügt, dass sie mit seinem Sosein einverstanden sind. Für die Entwicklung des Selbstwertgefühls ist es immer problematisch, wenn beide Eltern (oder ein Elternteil) nicht zufrieden sind. Dabei scheint für das Selbstwertgefühl grundsätzlich das von größerer Bedeutung zu sein, was ein Mensch nicht bekommen hat. Wer Mutter oder Vater nicht genügen konnte, trägt eine Wunde in sich, die das Selbstwertgefühl verletzt. Menschen leiden immer unter dieser Kränkung, die auch durch noch so großen Einsatz des anderen Elternteils nicht ungeschehen gemacht werden kann.

Der Leistungs- und Konkurrenzdruck in den Industriegesellschaften nimmt stetig zu. Immer mehr Menschen sind ihm nicht mehr gewachsen und reagieren mit psychischen Symptomen. Die Dänen gelten als das glücklichste Volk auf dieser Erde. Wenn es einen offensichtlichen und aus meiner Sicht entscheidenden Unterschied zu den deutschen Nachbarn gibt, dann der, dass der Konkurrenzdruck in Dänemark weitgehend fehlt: Schon im Kindergarten wird das Ich bin besser als du unterbunden und gilt als höchst unfein. Was zählt, ist die Leistung der Gruppe. Wer versucht, sich über die Gruppe zu stellen, erfährt Ablehnung und keine Bewunderung. Krankhafter Ehrgeiz wird so vermieden. Dänen sind in der Regel recht entspannt, freundlich und gelassen. Die Jagd nach Ehre und Ansehen, etwa auch durch akademische Titel, ist eher selten. Das Einkommen auch der weniger Qualifizierten ist relativ hoch. Das Gefühl der Unterlegenheit ist bei den Einzelnen nicht so ausgeprägt wie in einer Gesellschaft mit hohem Konkurrenzdruck.

Eltern, die selbst einem starken Konkurrenzdruck ausgesetzt waren und sind, geben unbewusst diesen Druck an ihre Kinder weiter. Früh wird die Botschaft vermittelt: Du musst besser werden, du musst viel leisten, um zu genügen, du bist schon gut, aber es reicht noch nicht … Durch diese Forderungen, die zu inneren Antreibern werden, entsteht wie von selbst ein fataler Irrtum, dem in einer Leistungsgesellschaft fast alle Menschen verfallen: der Glaube, dass man sein Selbstwertgefühl erarbeiten kann. Die Folge ist, dass viele der Anerkennung unablässig hinterherjagen, aber unzufrieden bleiben.

Damit sich ein stabiles Selbstwertgefühl entwickelt, ist es wichtig, dass ein Kind das unbedingte Gefühl hat, dass es seinen Eltern genügt. Zunächst sind diese die Maßstäbe, an denen es sich orientiert, und das Vertrauen, das Eltern zu ihrem Kind haben, wird zum Selbstvertrauen des Kindes. Machen wir uns wieder bewusst, dass die frühen Erfahrungen bis zum sechsten Lebensjahr ausschlaggebend sind. Manchmal kommt die Anerkennung nämlich zu spät.

Die dritte Frage lautet: Wurde...

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