Soziale Ungleichheit, Kulturelle Unterschiede - Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München 2004

Soziale Ungleichheit, Kulturelle Unterschiede - Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München 2004

 

 

 

von: Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.)

Campus Verlag, 2006

ISBN: 9783593378879

Sprache: Deutsch

1429 Seiten, Download: 7240 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Soziale Ungleichheit, Kulturelle Unterschiede - Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München 2004



Stellvertretende Ungerechtigkeit: Der Schutz des traditionellen Wissens Wolfgang van den Daele und Rainer Döbert (S. 189-190)

1. Extrakt vom Hoodia-Kaktus als Appetitzügler – ein Fall von »Biopiraterie«
Dass Hungergefühle verschwinden, wenn man das Fleisch der Kaktuspflanze »Hoodia Gordonii« kaut, ist uraltes traditionelles Wissen der San, einer indigenen Jäger- und Sammlergesellschaft in Südafrika. Dieses Wissen hat sich die südafrikanische Armee schon zu Anfang des letzten Jahrhunderts zunutze gemacht. Es ist auch in der ethno-botanischen Literatur beschrieben worden.

Wissenschaftler des (halbstaatlichen) südafrikanischen Council of Scientific and Industrial Research (CSIR) haben den Mechanismus der Hungerunterdrückung untersucht und in den neunziger Jahren den Wirkstoff isoliert. Diesen hat der CSIR 1996 zum Patent angemeldet, um sich die mögliche kommerzielle Nutzung schützen zu lassen. Für die Entwicklung und Vermarktung von Produkten mit dem Wirkstoff wurde 1997 eine Lizenz an die britische Firma Phytopharm vergeben, die ihrerseits 1998 diese Rechte für 21 Millionen Dollar an den Pharmagiganten Pfizer weiter veräußerte. Das Marktvolumen für beim Menschen zugelassene wirksame Appetitzügler wird auf bis zu 8 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt.

Nach langen Verhandlungen kam es im Juli 2002 zu einem Memorandum of Understanding zwischen CSIR und Vertretern der San. Darin war eine Teilung der Einkünfte aus der Lizenzvereinbarung mit Phytopharm vorgesehen: Die San sollten acht Prozent der während der Phase der Produktentwicklung fälligen milestone- Zahlungen erhalten und sechs Prozent der Lizenzgebühren, die CSIR bekommt, wenn ein Produkt erfolgreich vermarktet wird. Vertreter der San erhofften sich Zahlungen von 1,3 Millionen Dollar bis 2007 und danach etwa dieselbe Summe jedes Jahr, wenn ein Produkt auf den Markt kommt (Wise 2003).

Obwohl die Ergebnisse erster klinischer Prüfungen durchaus viel versprechend waren, stellte Pfizer im Juli 2003 die Arzneimittelentwicklung mit dem Hoodia- Wirkstoff ein und verlängerte die Lizenzvereinbarung mit Phytopharm nicht. Phytopharm äußerte sich zwar zuversichtlich, dass bald andere Unternehmen einsteigen würden, aber nach einem Jahr hatte sich offenbar noch kein Interessent für die Lizenz gefunden. Von irgendwelchen Zahlungen an die San ist bisher nichts bekannt geworden.

Inzwischen sind Hoodia-Kapseln aus Südafrika als Schlankheitsmittel auf dem Markt, die als Naturprodukte (Pflanzenextrakte) angeboten werden und daher weder eine Arzneimittelzulassung brauchen, noch eine Lizenz für die Nutzung des patentierten Wirkstoffs. Allerdings kann man den Kaktus nur mit staatlicher Genehmigung von natürlichen Flächen ernten. Versuche zum Plantagenanbau laufen.

2. Der Sturm der Entrüstung: Diebstahl, Ungerechtigkeit, Ausbeutung
1998 war damit zu rechnen, dass das Patent, das die Wissenschaftler des CSIR auf den Hoodia-Wirkstoff erwirkt hatten, ohne die San zu fragen, kommerziell verwertet werden würde, ohne die San am Gewinn zu beteiligen. Diese Aussicht löste einen Sturm der Entrüstung aus. Eine Phalanx von Non-Governance-Organizations (NGOs) und Beobachtern, die sich für die Entwicklung und Rechte der indigenen Völker engagierten, geißelten das Vorgehen des CSIR und der beteiligten Unternehmen als Biopiraterie.

»This is a major case of biopiracy. Corporations are scouring the globe looking to rip off traditional knowledge from some of the poorest communities in the world. Consent or compensation is rarely given.« (Sprecher von Action Aid, zit. in: The Observer v. 17.6.2001)

»In Africa the Hoodia cactus keeps men alive. Now its secret ist ›stolen‹ to make us thin.« (http://www.observer.guardian.co.uk/international/story)

»The episode was a blatant example of biopiracy, the exploitation for profit, of ›civilized‹ society, of the knowledge and natural resources of indigenous people through theft of their intellectual property, leaving them out in the cold (…).« (siehe in Block 2004, http://www.life-enhancement. com/article_template.asp?ID=972)

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