Lehrbuch Psychiatrische Pflege

Lehrbuch Psychiatrische Pflege

 

 

 

von: Dorothea Sauter, Chris Abderhalden, Ian Needham

Hogrefe AG, 2006

ISBN: 9783456942735

Sprache: Deutsch

1081 Seiten, Download: 21873 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Lehrbuch Psychiatrische Pflege



3 Werkzeuge
3.1 Die Person des Helfers
(S. 305-306)

3.1.1 Einleitung

Die Arbeit in der Psychiatrie erzeugt unterschiedliche Reaktionen:Manche Menschen sind voll Bewunderung, manche gehen auf Distanz, und andere können nicht begreifen, dass man an einem solchen Ort arbeiten kann. Viele Leute meinen, die Arbeit in der Psychiatrie führe bei den HelferInnen unweigerlich zu einem Schaden.Manchmal ist zu hören, Menschen würden nur deshalb in der Psychiatrie arbeiten, weil sie auf Heilung ihrer eigenen Probleme hofften. Bisweilen heißt es, in der Psychiatrie Tätige wollten, indem sie PatientInnen unterdrücken, ihre eigenen sadistischen Neigungen ausleben.

Übersicht

In diesem Kapitel wird zunächst anhand des Beispiels 3.1-1 illustriert, wie wichtig die Rolle der Reflexion in den helfenden Berufen ist. Einige Schlüsselqualifikationen bilden die «technischen» Voraussetzungen des Helfens. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenartigen Rollen der Pflegenden werden die Berufswahl und die Entwicklung zur Helferin bzw. zum Helfer erörtert. Das psychoanalytische Konzept der Übertragung und Gegenübertragung wird in einen Zusammenhang mit dem Helfen gebracht. Einige Gefahren, Berufsbelastungen und Mythen werden dargelegt. Zum Schluss des Kapitels werden allgemeine Strategien gegen den beruflichen Stress angeboten.

Beispiel 3.1-1
Gefährliche Verstrickungen zwischen Patient und Therapeut


Es war beinahe schon zu spät, als der verstörte Psychotherapeut selbst Hilfe suchte. Eine seiner langjährigen Patientinnen hatte ihn so sehr in ihre eigene Welt verstrickt, dass er sich fragte, ob er ihrem Wunsch nach einem gemeinsamen Suizid folgen müsste. Offensichtlich war ihm die Kontrolle über die Therapie irgendwann entglitten. Geplagt von Schuldgefühlen, dass sich der Zustand der Patientin nicht besserte, hetzte er immer atemloser hinter ihren vermeintlichen Bedürfnissen her, änderte ständig die Behandlungsstrategie und verlor allmählich jede Distanz zu seiner Patientin. Schließlich tauchten sie gemeinsam in ein archaisches Reich seelischer Symbiose ab. (Kuntz, 2003)


Unabhängig davon, wie extrem die Anschauungen über psychiatrisches Helfen sind, steckt vielleicht überall ein Körnchen Wahrheit darin. Darum ist es erforderlich, dass HelferInnen ihre Motive, ihre Neigungen, ihre Grenzen und ihre »blinden Flecke« kennen.Wem diese Erkenntnisse verborgen bleiben, läuft Gefahr, in allerlei psychologische Spiele, Intrigen, narzisstische Kränkungen und Spaltungen verwickelt zu werden. Die hier festgehaltenen Konzepte und Ausführungen sollen zeigen, wo Gefahren im Bereich des Helfens lauern und zur Reflexion anregen.

3.1.2 Anforderungen an Pflegende

3.1.2.1 Helfen


Das Verb «helfen» beinhaltet verschiedene Konzepte, wie etwa «Unterstützen», «Beistehen », «Ein Mittel zur Problemlösung bereitstellen» oder «Zur Problemlösung beitragen ». Hilfe und Helfen bedeuten Verschiedenes für verschiedene Leute. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob eine bestimmte Handlung Hilfe ist oder nicht. Eine Handreichung, ein Rat oder eine Warnung kann in Situation A genau richtig sein, in Situation B hingegen falsch (Abb. 3.1-1). Somit impliziert das Wort «Helfen» auch ein Werturteil über das, was richtig und falsch (oder Schattierungen davon) darstellt. Brüskiert beispielsweise ein selbstbewusster Patient im Morgentreff die anderen PatientInnen mit seiner Kritik, könnte die Aufforderung zur Zurückhaltung für ihn und die Gruppe hilfreich sein. Hat sich hingegen ein zurückgezogener, ängstlicher Patient in gleicher Weise verhalten, könnte das Hilfreiche darin bestehen, ihm zu diesem Fortschritt zu gratulieren. Da die Bewertung von Hilfe so sehr an den jeweiligen Kontext gebunden ist, müssen wir als HelferInnen uns bewusst werden, was wir als Einzelne und als Teams für hilfreich halten. Eine solche Suche nach dem Hilfreichen schließt unsere Normen und Wertvorstellungen ein und ist nicht mit einem Mal abgeschlossen und fixiert. Allgemein gültige Normen und Werte mit Blick auf das Helfen wollen wir keine geben, außer dem Prinzip, dass Helfen in der Regel gut ist, wenn es zur Autonomie und zum Wachstum des Hilfeempfängers gereicht (s. Hinweis 3.1-1).

Hinweis 3.1-1
Hilfreiches Helfen


Helfen ist in der Regel dann gut, wenn es dem Hilfeempfänger zu Autonomie und Wachstum gereicht.

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