Glauben und Wissen - Arbeitsbuch Theologie und Philosophie

Glauben und Wissen - Arbeitsbuch Theologie und Philosophie

 

 

 

von: Martin Hailer

Vandenhoeck & Ruprecht, 2006

ISBN: 9783525604274

Sprache: Deutsch

251 Seiten, Download: 1684 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Glauben und Wissen - Arbeitsbuch Theologie und Philosophie



2. Grundkonflikt II: Griechische und christliche Gottesrede (S. 37-38)

2.1 Die Botschaft eines Toten

Er war ein schon in jungen Jahren berühmter Mathematiker. Er wagte sich an die Konstruktion einer Rechenmaschine, Jahrhunderte bevor es Halbleiter und Computer gab. Er disputierte mit großen Gelehrten wie dem Philosophen René Descartes über naturphilosophische Probleme. Als er mit nur 39 Jahren verstarb, fand ein Diener zufällig ein Stück Pergament, das in den Saum seiner Jacke eingenäht war. Die Datierung und die Tatsache, dass niemand davon wusste, lässt darauf schließen, dass er das Stück Pergament seit vielen Jahren selbst immer wieder in das jeweils aktuelle Kleidungsstück einnähte. Es lautet:

»FEUER – Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Gott der Philosophen und Weisen.«

Der Autor ist der französische Mathematiker, Philosoph und Laientheologe Blaise Pascal, der eingenähte Text wurde als »Mémorial« bekannt, als Erinnerungsschrift, von der Pascal sich, als er es einmal formuliert hatte, nicht mehr trennen wollte. Trotz oder gerade wegen seiner Kürze wurde er zu einem der großen – und das heißt auch: stets umstrittenen – Texte der Christenheit. Den hier vorzustellenden Grundkonflikt II bildet er in geradezu idealer Weise ab.

Zunächst aber zu seinem Autor: Blaise Pascal lebte von 1623 bis 1662. Sein Vater war Politiker und erzog den Sohn und seine beiden Schwestern im humanistischen Geist. Schon früh zeigte sich bei Blaise eine enorme mathematische Begabung und eine Abhandlung über Kegelschnittrechnungen, die er mit gerade einmal 16 Jahren veröffentlichte, machte ihn mit einem Schlag berühmt. Pascal verwandte viel Zeit auf die Versuche, eine Rechenmaschine für die Grundrechenarten zu konstruieren und beschäftigte sich unter anderem mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen und der Frage, ob es leeren, also auch luftleeren Raum geben könne. Er bejahte dies und ließ sich auch dann nicht beirren, als es ihm u.a. die Kritik René Descartes’ eintrug. So weit hätten wir es mit dem gewöhnlichen Lebenslauf eines Intellektuellen in der frühen Neuzeit zu tun. Er verlief aber nicht gewöhnlich.

Denn zu einem, wenn nicht zu dem Lebensthema Pascals sollte das Christentum werden und die Art und Weise, wie er sich damit beschäftigte bestimmte sein Leben nachhaltig. Beinahe durch Zufall machte die Familie Bekanntschaft mit zwei Männern, die ihr das vorher eher traditionell gelebte Christentum nahe brachten. Besonders Blaise Pascals Schwester Jacqueline fühlte sich stark dazu hingezogen und trat im Jahr 1652 in das Zisterzienserinnenkloster Port Royal ein. Pascal selber durchlebte zwei Bekehrungserlebnisse und verschrieb sich spätestens 1654 – auf dieses Jahr ist das Mémorial datiert – ganz dem Glauben. Auch er suchte die Nähe von Port Royal, nachdem er den Wunsch der Schwester, Nonne zu werden, zunächst kritisch gesehen hatte und sich zu der bei einem Eintritt üblichen finanziellen Dotation nur zögerlich bereit fand.

Port Royal war ein profiliertes Kloster und in schwere Auseinandersetzungen mit der französischen Krone und ihren jesuitischen Beratern verwickelt. In Port Royal herrschte der Geist des so genannten Jansenismus. Diese aus den Niederlanden kommende theologische und frömmigkeitliche Strömung geht auf ein Buch von Cornelius Jansen d.J. (1585–1638) zurück. Jansen und seine Mitstreiter betonen die Alleingeltung der göttlichen Gnade. Nach dem Sündenfall ist nichts im Menschen, woran er zur Erlangung des Gnadenstandes anknüpfen könnte. Insbesondere lehnen die Jansenisten die Vorstellung ab, dass göttliche Gnade auf der einen und menschliches Mittun auf der anderen Seite zusammenwirken. Diese besonders in der Theologie der Jesuiten verbreitete Denkweise hielten sie für Häresie und Verkleinerung der Gnade Gottes.

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