Betreutes Wohnen - Hilfen zur Alltagsbewältigung
von: Gunda Schlichte
Psychiatrie-Verlag, 2009
ISBN: 9783884147085
Sprache: Deutsch
141 Seiten, Download: 1244 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Im Lebensalltag Unterstützung anbieten (S. 19-20)
Betreutes Wohnen: nicht alternativ, sondern komplementär
Das betreute Wohnen für psychiatrieerfahrene Menschen hat heute, in der veränderten Versorgungsstruktur, die Aufgabe, seelisch behinderte, chronisch erkrankte Menschen in die Gemeinde zu integrieren. Es wird als eine zu den Krankenhäusern »komplementäre« Einrichtung gesehen, die der sozialen Rehabilitation dient und (lange) Klinikaufenthalte vermeiden helfen soll.
Anfangs wurde betreutes Wohnen als Teil einer »therapeutischen Kette« verstanden: Klinik – (Übergangs-)Wohnheim – betreutes Wohnen – Selbstständigkeit, allerdings findet sich dieser Rehabilitationsweg in der Realität eher selten. Möglicherweise funktioniert er deshalb nicht, weil jede Einrichtung der »Kette« unter dem Erfolgsdruck steht, den Nutzer weiterzugeben, und sich dieser so »entwickeln« muss, dass er in die nächste Einrichtung hineinpasst. Menschen reagieren jedoch auf solche technisch- formalisierten Anforderungen häufig widerspenstig oder gar nicht, und sollten sie doch so »freundlich« sein, dann bringt der Beziehungsabbruch vielleicht die nächste Krise und in der »Kette« geht es wieder rückwärts.
In dem Bericht, den die Expertenkommission 1988 vorlegte, wird auf den Lebensalltag von Bürgern und Bürgerinnen fokussiert, nicht auf Einrichtungen mit Patientinnen und Patienten. Es werden nicht mehr einzelne Institutionen unter fachpsychiatrischen Gesichtspunkten empfohlen, sondern Bereiche von Hilfen, die jeweils eine Funktion in Richtung auf die Grundbedürfnisse der Menschen beschreiben:
- das Grundbedürfnis auf medizinisch-soziale Grundversorgung (Funktionsbereich: Behandlung und Rehabilitation),
- das Grundrecht auf eine angemessene Wohnung (Funktionsbereich: Wohnen),
- das Grundbedürfnis nach sinnvoller Betätigung, Entfaltung der Persönlichkeit, Teilnahme am beruflichen Leben (Funktionsbereich: Hilfen im Arbeitsleben),
- das Grundbedürfnis nach menschlichen Kontakten und Teilhabe an den Rechten (Funktionsbereich: Hilfen zur sozialen Teilhabe und Verwirklichung materieller Rechte).
Die einzelnen Anbieter wie etwa die Klinik, der Sozialpsychiatrische Dienst, Wohnheime, Tagesstätten, berufliche Rehabilitationseinrichtungen und das betreute Wohnen können und sollen nicht alle Funktionsbereiche abdecken, sie werden vielmehr zur Zusammenarbeit aufgefordert (»Verbund«).
MERKE: Im Zentrum des professionellen Handelns steht der Einzelne mit den Schwierigkeiten,die in seinem Alltag auftreten,nicht die psychische Erkrankung als solche.Arbeitsziel ist die größtmögliche Selbstständigkeit der Bewohner.
Der gemeindepsychiatrische Verbund
Zum gemeindepsychiatrischen Verbund gehören neben den Einrichtungen, die ambulant, teilstationär und stationär psychiatrisch, psycho- und soziotherapeutisch arbeiten, auch die komplementären und rehabilitativen Einrichtungen, die Hilfen in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Tagesstrukturierung und Freizeit anbieten. MERKE