Einleitung in das Neue Testament

Einleitung in das Neue Testament

 

 

 

von: Udo Schnelle

Vandenhoeck & Ruprecht, 2005

ISBN: 9783825218300

Sprache: Deutsch

617 Seiten, Download: 3495 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Einleitung in das Neue Testament



3.1.3 Die Literaturgattung ,Evangelium‘ (S. 177-178)

Wie kam es vom unliterarischen eu.agge´lion-Begriff zur Makrogattung Evangelium? Der Evangelist Markus schuf diese neue Gattung, so daß seine mit der Konzeption des Evangeliums verbundenen historischen und theologischen Einsichten zugleich Auskunft geben Über die Entstehung der Literaturgattung Evangelium. Alle sieben eu.agge´lion-Belege (vgl. Mk 1, 1.14f; 8, 35; 10, 29; 13, 10; 14,9) gehen auf den Evangelisten zurÜck5. Wurde vor Markus eu.agge´lion immer als Verkündigung von Jesus Christus verstanden, wobei ein genitivus objectivus LIvsou˜ Cristou˜ zu ergänzen war, zeigt sich nun eine grundlegende Veränderung. In Mk 1,1 ist Jesus Christus Verkünder und zugleich Inhalt des Evangeliums, der Genitiv LIvsou˜ Cristou˜ bezeichnet das Subjekt und das Objekt des Evangeliums. Die Korrespondenz zwischen Mk 1,1 und Mk 1,14f verdeutlicht, daß für Markus der im Evangelium verkündigte Jesus Christus zugleich der VerkÜnder des Evangeliums ist. Aus dem vorösterlichen eu.agge´lion tou˜ Xeou˜ (Mk 1,14) ist nun das eu.agge´lion LIvsou˜ Cristou˜ (Mk 1, 1) geworden, ohne daß für Markus die theologische Verkündigung Jesu und das christologische Bekenntnis der Gemeinde einen Gegensatz darstellen. Die Taten und Worte Jesu Christi sind Inhalte des Evangeliums, zugleich ist aber Jesus Christus für Markus nicht nur eine Gestalt der Geschichte, sondern der gekreuzigte und auferstandene Gottessohn und darum auch Subjekt des Evangeliums. Die Repräsentanz des Evangeliums durch Jesus und die ReprÈsentanz Jesu im Evangelium unterstreicht Markus nachdrücklich durch die AnfÜgung ‚um des Evangeliums willen‘ an ‚um meinetwillen‘ in Mk 8, 35; 10, 29. Damit verbindet der Evangelist das vergangenheitliche und gegenwÈrtige Wirken Jesu Christi untrennbar mit dem Evangelium als Verkündigungsbotschaft und Literaturgattung. Zugleich verschrÈnken sich hier die für die Gattung Evangelium konstitutive textinterne und textexterne Ebene. Der auf der textinternen Ebene von Jesus gesprochene Entscheidungsruf zielt auf textexterner Ebene auf die markinische Gemeinde, für die Jesus Christus im Evangelium zugänglich und gegenwÈrtig ist.

Indem Markus in seinem Evangelium den irdischen Weg des Gottessohnes Jesus Christus darstellt, nimmt er eine bereits in 1Kor 15,3b–5 erkennbare Tendenz auf: Das Bekenntnis zum gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus ist ohne die elementare Bindung an den Weg des irdischen Jesus nicht möglich.

Der irdische Weg Jesu ist aber zugleich der Weg des Gottessohnes, Jesus Christus steht gleichermaßen mit Himmel und Erde in Verbindung, und deshalb ist seine Geschichte eine himmliche und irdische. Markus verdeutlicht diesen fundamentalen Zusammenhang durch die Erzählung von der Taufe Jesu (Mk 1,9–11), der VerklÈrungsgeschichte (Mk 9,2–9) und dem Bekenntnis des Centurio unter dem Kreuz (Mk 15, 39). Diese drei Texte bilden das kompositorische Grundgerüst des Evangeliums, insofern hier in gleichartiger Weise Himmel- und Erdenwelt zusammentreten und zur Bezeichnung der Gottzugehörigkeit Jesu jeweils der Titel uýoß gebraucht wird. Taufe, Verklärung und Bekenntnis unter dem Kreuz sind die drei Grundpfeiler, um die herum Markus seine Traditionen in Form einer vita Jesu gruppiert. Der Titel uýoß markiert dabei die inhaltliche Mitte, denn er vermag Jesu göttliches Wesen und sein Leidens- und Todesgeschick gleichermaßen zu umfassen. Jesu Sein und Wesen stehen von Anfang an fest, er ist Gottes Sohn und verändert sein Wesen nicht. Aber für die Menschen wird er erst Gottes Sohn, denn sie brauchen einen Erkenntnisprozeß. Dieser Prozeß ist die vita Jesu, so wie Markus sie in der neuen Literaturgattung Evangelium darstellt.

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