Soziale Organisationen im Wandel

Soziale Organisationen im Wandel

 

 

 

von: Constance Engelfried

Campus Verlag, 2005

ISBN: 9783593378411

Sprache: Deutsch

356 Seiten, Download: 1632 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Soziale Organisationen im Wandel



Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe – Ansätze, Probleme und Perspektiven (S. 125-126)

Constance Engelfried/Lena Schuster

Vorbemerkungen

Im Rahmen einer Probelehrveranstaltung an einer deutschen Hochschule wurden KollegInnen gehört, die eine Professur im Bereich Sozialverwaltung, Sozialmanagement und Organisation an einem Fachbereich Sozialwesen anstreben. Ein Referent wurde nach seinem Vortrag über neue Steuerung und öffentliche Verwaltung von der Gleichstellungsbeauftragten gefragt, wie er die Implementierung von Gender Mainstreaming in die Verwaltung beurteile. Die ausweichende Antwort des Referenten, der als so genannte Kapazität im Themenbereich Sozialverwaltung, Sozialmanagement und Organisation gilt, ließ viele Vermutungen hinsichtlich der Interpretation des Gesagten zu. Eine Studentin konnte und wollte sich mit der Situation nicht abfinden und fragte den Referenten, ob er bitte dezidiert auf die Frage der Gleichstellungsbeauftragten eingehen möge. Mit klarer Stimme formulierte er den Satz: »Dieser Ansatz, wie sagten sie noch, Gender Mainstreaming, ist mir unbekannt.«

Entgegen der weit verbreiteten Auffassung, das Schlagwort Gender Mainstreaming sei in aller Munde, begegnet uns hier eine andere Position. Aber vielleicht liegen die Standpunkte doch nicht so weit auseinander. Oft verbirgt sich hinter der Verwendung des Begriffs Gender Mainstreaming wenig Kenntnis dessen, was eigentlich damit gemeint ist beziehungsweise welche komplexen Zusammenhänge gedacht, reflektiert, diskutiert, beschlossen und umgesetzt werden müssen.

Bevor wir nun in aller Kürze darauf eingehen, was unter Gender Mainstreaming zu verstehen ist, möchten wir erkenntnisleitende Thesen formulieren, die uns in diesem Zusammenhang umtreiben.

Der Gender Mainstreaming-Ansatz zielt erstmalig auf die Neuorganisation von Entscheidungsprozessen und setzt dadurch an Strukturen in einer Organisation an (vgl. Tondorf 2001). Ist dies nicht genau der Ansatz, der erfolgversprechend scheint? Endlich keine Nischenposition mehr von Mädchen- und JungenarbeiterInnen, das Thema im Zentrum der »Macht« platzieren, Topdown bei der Führungsebene ansiedeln – ist es nicht das, was sich VertreterInnen dieses Bereichs immer gewünscht haben? Keine endlosen Debatten mehr an der Basis über die Wege, die politisch gegangen werden müssen, vorbei die emotionalen Debatten zwischen Männern und Frauen und innerhalb der Gruppen der Jungen- und Männerarbeiter sowie Mädchen- und Frauenarbeiterinnen?

Wir vertreten die Auffassung, dass uns technokratische Verfahren sehr schnell suggerieren, ein gesellschaftliches Problem – und dies stellt die Geschlechterhierarchie immer noch dar – ließe sich durch gezielte Planungs-, Entwicklungs- und Evaluationsprozesse und die Etablierung von Qualitätsentwicklungsverfahren, dies können entsprechende Verfahren sein, die Gender Mainstreaming umsetzen, lösen. Die Versuchung ist groß, anstrengende aber notwendige Reflexion und Auseinandersetzung über Geschlechterverhältnisse durch die Etablierung von klar strukturierten Verfahren zu ersetzen.

Wir möchten an dieser Stelle nicht missverstanden werden und stellen uns hier keinesfalls gegen Ansätze der Umstrukturierung und Veränderung von Organisationen. Die Soziale Arbeit und somit auch Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe sollten durch konkrete Prozesse – zum Beispiel im Rahmen einer Organisationsberatung – umstrukturiert werden, um mehr Transparenz für alle Beteiligten (Politik, Verwaltung, Fachlichkeit, Adressat- Innen) herzustellen. Geht dies jedoch damit einher, dass wie zum Beispiel im Rahmen der »Verbetriebswirtschaftlichung der Sozialen Arbeit« in den achtziger und neunziger Jahren geschehen, Fachdebatten und somit auch Reflexion und persönliche Auseinandersetzung mit einem Thema in den Hintergrund treten, kann die Weiterentwicklung Sozialer Arbeit nicht erfolgreich weiter betrieben werden. Hier zeigen sich nun Widersprüche im Gender Mainstreaming-Konzept: Reflexion und Auseinandersetzung kann nicht Top- Down »verordnet« werden (vgl. Horstkemper 2001: 54).

Außerdem verweist die Organisationstheorie darauf, dass Organisationen immer nur als das angesehen werden können, was Menschen in ihnen sehen und aus ihnen machen. Zwischenmenschliche Kommunikation ist die Voraussetzung für die (Weiter)entwicklung von Organisationen (vgl. Graf 2000: 74ff.; Schwarz 1995: 44/45). Nehmen wir diese Erkenntnisse ernst, so wird deutlich, dass Gender Mainstreaming nur dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn das Konzept mit Leben gefüllt ist, das heißt von Männern und Frauen überzeugt vertreten, ausgehandelt, institutionalisiert, weiterentwickelt und diskutiert wird und zwar auch auf der Ebene der kritischen Auseinandersetzung mit der Konstruktion und Aneignung von Männlichkeiten und Weiblichkeiten im Kontext der eigenen Biographie.

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