Jean-Paul Sartre

Jean-Paul Sartre

 

 

 

von: Peter Kampits

C.H.Beck, 2003

ISBN: 9783406510861

Sprache: Deutsch

174 Seiten, Download: 806 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Jean-Paul Sartre



II. Werk (S. 31-32)

1. Der Existentialismus

«[D]er Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht.» (EH120 f.) Dieser Satz aus dem Vortrag Der Existentialismus ist ein Humanismus fasst gewissermaßen das Credo des Existentialismus zusammen, ebenso wie ein weiterer Satz: «[D]er Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein.» (EH 125)

Sartre ist zur Zeit der Veröffentlichung dieses Vortrags fast mit einem Schlag in das Licht der Öffentlichkeit getreten. Nach dem Erscheinen von La Nausée (1938) und seinen philosophischen Arbeiten über das Bewusstsein und das Imaginäre sowie über eine Theorie der Emotionen ist 1943 auch Das Sein und das Nichts herausgekommen. Die Theaterstücke Die Fliegen und Geschlossene Gesellschaft wurden uraufgeführt, die Existentialismuswelle ergreift Paris, Frankreich, Europa und bald auch die ganze Welt. Sartre steht am Beginn eines öffentlichen Interesses, das weit über ein kulturell oder intellektuell interessiertes Publikum hinausgeht. Er selbst bezeichnet den Existentialismus als eine nüchterne Lehre, die ausdrücklich «für Fachleute und Philosophen bestimmt» sei (EH 119), was überzogen anmutet, denn die Auseinandersetzung um den Existentialismus erfasste nahezu sämtliche Bereiche des öffentlichen kulturellen Lebens – weit über eine akademische Diskussion hinaus.

Vor allem von seiten marxistischer Kritiker und solcher aus dem christlichen Lager scheute man nicht davor zurück, vor dem Existentialismus als einer gefährlichen, halb anarchistischen, halb anstößigen und skandalösen Doktrin zu warnen. Existentialismus stand bald für einen Lebensstil, für eine Provokation oder eine gefährliche geistige Seuche, vor der es sich zu wappnen galt. Nicht zufällig ist Sartre auch die Ehre widerfahren, schon bald (1948) auf den Index der vom Vatikan verbotenen Bücher gesetzt zu werden. Die Vielfalt seiner Ausdrucksformen, vom philosophischen Essay bis zu Theaterstücken, die alle Schaffensperioden auszeichnete, trug ein übriges dazu bei, den gelegentlich in Hysterie umschlagenden Wirbel um ihn und die sogenannte «famille» – seine Freunde, Freundinnen und Weggefährten – zu verstärken.

Dem Existentialismus heute gelassener gegenüberstehend, kann man sich mit Recht fragen, aus welchen wohl auch kulturgeschichtlichen Gründen der Existentialismus nicht bloß als philosophische Richtung, sondern als ein kulturelles Phänomen die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte. Er entspringt aus einer Strömung, die man im allgemeinen unter dem Titel der Existenzphilosophie zusammenfasst und stellt sicher eine der markantesten und auch provokantesten Ausprägungen dar. Entstanden aus einer Gegenstellung zur Wesensmetaphysik der Neuzeit, ließe sich der Stammbaum existenzphilosophischen Denkens weit zurückverfolgen. Ein wichtiger Repräsentant ist Sören Kierkegaard, der ausdrücklich im Namen der Existenz des Einzelnen sein aus dem Glauben kommendes Denken als existentielles Denken verstand und gegen die allgemeine Geistphilosophie des Deutschen Idealismus den Einzelnen und sein Existieren betonte. Gewiss spielt auch die Philosophie Nietzsches für die weitere Entwicklung dieser Denkrichtung keine geringe Rolle, ebenso wie lebensphilosophische Anstöße(Wilhelm Dilthey, Henri Bergson). Existenzphilosophie, sofern diese Sammelbezeichnung akzeptiert werden kann, positioniert sich in mehrfacher Frontstellung: als postmetaphysisches Denken gegen die Tradition der abendländischen Metaphysik, als subjekt- und existenzbezogenes Denken gegen den wissenschaftsbezogenen Positivismus und die analytische Philosophie, aber auch gegen den sich zu einer Ideologie verfestigenden Marxismus.

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