Sprachentwicklungsstörungen - Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie

Sprachentwicklungsstörungen - Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie

 

 

 

von: Annerose Keilmann, Claudia Büttner, Gerhard Böhme

Hogrefe AG, 2009

ISBN: 9783456946764

Sprache: Deutsch

230 Seiten, Download: 6238 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Sprachentwicklungsstörungen - Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie



12 Spezifische Sprachentwicklungsstörungen (SSES) (S. 141-142)

12.1 Neurobiologische, humangenetische und psychosoziale Befunde

Experten erforschen schon seit Jahrzehnten, wie wichtig neurobiologische Befunde und Gen-Umwelt-Interaktionen einschließlich der Umwelteinflüsse bei spezifischen Sprachentwicklungsstörungen sind. Die Meinungsbildung ist immer noch nicht abgeschlossen, und die Bedeutung dieser Befunde im Verhältnis zu Umweltfaktoren wird von den Forschern unterschiedlich eingeschätzt.

Neurobiologische Befunde


Zusammenhänge zwischen spezifischen Sprachentwicklungsstörungen und einer mangelnden Asymmetrie des Planum temporale wurden immer wieder erörtert. Darüber hinaus werden auch neuroanatomische Strukturen, wie zum Beispiel eine anatomische Asymmetrie des perisylvanischen Kortex beschrieben. Trotz zahlreicher Einzelergebnisse steht eine endgültige Klärung des neurobiologischen Korrelats von Sprachentwicklungsstörungen noch aus (Suchodoletz, 2001).

Humangenetische Befunde

Etwa bei der Hälfte der von einer schweren Sprachentwicklungsstörung betroffenen Kinder findet sich ein Verwandter ersten Grades, der ebenfalls unter einer Sprachentwicklungsstörung oder einer Störung des Schriftspracherwerbs leidet (Keilmann et al., 2005). Verschiedene Metaanalysen weisen darauf hin, dass insbesondere für das Auftreten von Sprachentwicklungsstörungen die Genetik eine wichtige Rolle spielt, während sprachliche Leistungen im oberen Bereich durch die Umwelt stärker beeinflusst werden (Hayiou-Thomas, 2008). Bei eineiigen Zwillingen beträgt die Konkordanz für Sprachentwicklungsstörungen 85 %, bei zweieiigen nur 52 %.

Forscher favorisieren für die SSES allgemein die Hypothese einer polygen/multifaktoriellen Vererbung, bei der bei geschlechtsspezifischem Schwellenwert ein «Major»-Gen beteiligt ist (DGPP-Leitlinie, 2008). Im Zusammenhang mit einer genetischen Beteiligung bei spezifischen Sprachentwicklungsstörungen wird immer auf die «KE-Familie» verwiesen, bei der in drei Generationen etwa der Hälfte der Familienmitglieder von einer Sprachstörung betroffen war. Eine Analyse des Genmaterials der KE-Familie ergab eine Mutation eines Gens auf dem 7. Chromosom. Es handelt sich um das Gen «FOXP2» (u. a.Vargha-Khadem et al., 1995, 2005, Lai, 2001). Die Mutation des Chromosom 7 soll zu Hirnregionen in Beziehung stehen, die das Sprechen und die Sprache kontrollieren. In diesem Zusammenhang wird auch von dem «Fox- Gen» gesprochen. Zur Vertiefung des Verständnisses verweisen wir auf Schaaf und Zschocke (2008) im Sinne der modernen Humangenetik.

«Multifaktorielle Krankheiten»

Es wird zunehmend deutlich, dass es kaum eine Gesundheitsstörung gibt, deren Ausprägung nicht auch durch genetische Varianten bedingt wird. Die genetischen Komponenten geben einen Spielraum vor, wie der Organismus auf entsprechende Umweltfaktoren reagieren kann. Als Beispiele für typische multifaktorielle Krankheiten, bei denen genetische und nichtgenetische Faktoren in unterschiedlichem Maße zusammenwirken, seien die arterielle Hypertonie, die rheumatische Arthritis und die senile Demenz genannt. Multifaktorielle Krankheiten machen damit die größte Gruppe genetischer Krankheiten (sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter) aus. In diesem Sinne kann auch die spezifische Sprachentwicklungsstörung den multifaktoriellen Krankheiten zugeordnet werden.

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