Glücksspielsucht - Ursachen - Prävention - Therapie

Glücksspielsucht - Ursachen - Prävention - Therapie

 

 

 

von: Friedrich M. Wurst, Natasha Thon, Karl Mann

Hogrefe AG, 2012

ISBN: 9783456951041

Sprache: Deutsch

292 Seiten, Download: 1784 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Glücksspielsucht - Ursachen - Prävention - Therapie



problematisches Spielen bei 0,64 % (N = 47). Der Vergleich der beiden Befragungen zeigte, dass der Anteil der Lottospieler um 4,5 % gestiegen war; insbesondere bei hohen Jackpots stieg die Zahl der Spieler, wobei die eingesetzten Geldbeträge 2009 gegenüber 2007 gesunken waren. Beim Spielen an Geldspielautomaten war die 12-Monats-Prävalenz hingegen von 2,2 % auf 2,7 % gestiegen. Der Vergleich des GABS zeigt, dass die Teilnehmer der zweiten Befragung dem Glücksspielen gegenüber deutlich skeptischer eingestellt sind, Männer und Jugendliche aber stärker irrationale Haltungen vertreten als Frauen. Außerdem wurde deutlich, dass Warnhinweise und Informationen oder Broschüren bezüglich der Gefahren des Glücksspielens 2009 von mehr Personen wahrgenommen worden waren als 2007. Insgesamt aber zeigt sich, dass bei den Prävalenzschätzungen zu pathologischem oder problematischem Glücksspielen keine signifikanten Unterschiede bei den beiden Befragungen festzustellen sind.

Die telefonische Befragung von Probanden birgt – wie bereits oben dargestellt – die Gefahr der Verzerrung; auch bei den beiden BZgA-Studien lag ein relativ kurzer Befragungszeitraum vor (2007: 8. August bis 19. September; 2009: 12. März bis 8. Mai), was die Teilnahmequoten beeinflusst haben kann. Außerdem kann die Verwendung des SOGS – wie oben bereits dargestellt wurde – zu einer Überschätzung der Prävalenz geführt haben (vgl. Tab. 1–1). Insgesamt ist die epidemiologische Befundlage zum pathologischen oder problematischen Glücksspielen sehr unbefriedigend. Die begrenzten Teilnehmerquoten in den einzelnen Studien lassen vermuten, dass potenzielle Subgruppen von pathologischen oder problematischen Glücksspielern unberücksichtigt, zumindest jedoch unterrepräsentiert sind.

Das kann allein durch den Ort der Kontaktaufnahme zu den Glücksspielern oder den Erhebungsmodus beeinflusst sein. Der Erhebungsmodus ist meist auf telefonische Befragungen beschränkt, was zu einem erheblichen Stichprobenbias führen kann (Williams & Volberg, 2009). In allen vier dargestellten Bevölkerungsstudien ist nur die 12-Monats-Prävalenz erhoben worden. Eine Erfassung der Lebenszeitprävalenz glücksspielbezogener Probleme ist aber für das vollständige Verständnis der Problematik notwendig und ermöglicht, auch Remissionsprozesse zu erfassen und besser zu verstehen. Der Kontakt zum Hilfesystem ist bislang vor allem in Studien aus klinischen Zusammenhängen analysiert worden. Remissionsprozesse ohne die Inanspruchnahme formeller Hilfen sind bislang in nationalen Studien jedoch nicht bearbeitet worden. Dabei ist aus der internationalen Forschung bekannt, dass die wenigsten pathologischen Glücksspieler formelle Hilfen in Anspruch nehmen, um eine Glücksspielproblematik zu überwinden (Hodgins & El-Guebaly, 2000; Laging, 2009; Suurvali, Hodgins et al., 2010). Die häufigsten Gründe hierfür sind u.a. Scham und die Angst vor Stigmatisierung oder die Unfähigkeit, sich das Ausmaß des Problems eingestehen zu können (Suurvali, Cordingley et al., 2009). Gerade die Analyse von Remissionsprozessen kann dazu beitragen, das Hilfesystem für Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen zu verbessern und Konzepte für Prävention und Frühintervention im Glücksspielbereich zu entwickeln.

Ein in nationalen Studien vernachlässigter Bereich ist die psychiatrische Komorbidität bei glücksspielbezogenen Problemen. Bislang sind komorbide Störungen bei pathologischen Spielern nur im klinischen Setting erhoben worden (Premper & Schulz, 2008), Daten bezüglich der deutschen Bevölkerung liegen bis jetzt noch nicht vor. Auch beim Thema problematisches und pathologisches Glücksspielen bei Jugendlichen gibt es weiteren Bedarf an repräsentativen Daten angesichts der hohen Internet-Affinität von Jugendlichen und der weitgehend unkontrollierbaren Online-Glücksspielindustrie.

Projekt PAGE – Pathologisches Glücksspiel und Epidemiologie

Von Dezember 2009 bis Februar 2011 führten die Universitätskliniken Lübeck und Greifswald eine groß angelegte Studie zum Thema Glücksspielen in Deutschland durch. Ziel war es, den Kenntnisstand zu Bedingungen und Aufrechterhaltung problematischen und pathologischen Glücksspielens, Remissionsprozesse mit und ohne formelle Hilfen und Komorbiditäten zu verbessern und damit Einfluss auf eine Optimierung des Hilfesystems für problematische und pathologische Spieler zu gewinnen.

Die Studie bestand aus fünf Teilstichproben (vgl. Abb. 1–1): 1. Eine Zufallsauswahl von 14 022 Probanden im Alter von 14 bis 64 Jahren aus der Allgemeinbevölkerung, die nach einem dreistufigen Ziehungsverfahren bestimmt wurde. Dazu wurden zunächst proportional zur Einwohnerzahl in einer nach Kreisen und Glücksspielautomatendichte geschichteten Zufallsziehung 52 Gemeinden ausgewählt. Für diese Gemeinden wurde daraufhin eine Zufallsstichprobe von Telefonnummern generiert. Nach Ermittlung der gültigen Nummern von Privathaushalten erfolgte die Bestimmung der Zielperson durch die «Last-Birthday»-Frage.

2. Eine Zufallsauswahl von 1000 Zielpersonen, die ausschließlich über einen Mobilfunkanschluss telefonisch zu erreichen waren (Mobile Only).

3. Eine Stichprobe von Aktual-Spielern, die direkt an Glücksspielorten (Spielhallen, Kasinos) bezüglich einer Studienteilnahme angesprochen wurden.

4. EineStichprobevonaktuellenoderehemaligenpathologischenoderproblematischen Glücksspielern, die über Presseaufrufe in Zeitungen, Radio und Fernsehen sowie über einen Informationsflyer rekrutiert wurden.

5. Eine Stichprobe von Personen, die sich wegen ihrer Glücksspielproblematik in Einrichtungen befanden, in der eine erhöhte Prävalenz zu erwarten ist, wie glücksspielspezifische stationäre oder ambulante Einrichtungen, Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen, aber auch nicht-glücksspielspezifische Hilfeeinrichtungen wie Schuldnerberatungen oder Bewährungshilfe. Die Zielpersonen wurden zunächst in einem ca. 15-minütigen computergestützten Telefoninterview zu ihrem Spielverhalten befragt. Nach der Abfrage der Lebenszeitund der 12-Monats-Prävalenz für die einzelnen Spielarten wurde die DSM-IV-basierte Sektion pathologisches Spielen des WMH-CIDI (WHO, 1990) durchgeführt, um pathologisches oder problematisches Glücksspielen zu diagnostizieren. Sofern eine Diagnose gestellt werden konnte, erhielten die Probanden bei Teilnahmebereitschaft ein weiterführendes, ca. zwei bis vierstündiges computergestütztes Interview, für das die Interviewer die Probanden an ihrem Wohnort aufsuchten. In dieser vertiefenden Befragung wurde eine ausführliche Diagnostik der Achse-I-Störungen anhand des DIA-X/M-CIDI (Wittchen, Weigel et al., 1996) durchgeführt. Persönlichkeitsstörungen wurden mit dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM-IV (SKID II; Fydrich, Renneberg et al., 1997)

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