Die Feste im Kirchenjahr
von: Erhard Domay, Hanne Köhler
Gütersloher Verlagshaus GmbH, 2004
ISBN: 9783579055442
Sprache: Deutsch
176 Seiten, Download: 1254 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Gründonnerstag Das Evangelium nach Markus 14,12-26 (S. 76-77)
Zum Text
Mahlgemeinschaft
Das Markusevangelium ist das älteste der vier Evangelien. Es berichtet davon, dass Frauen Jesus in Galiläa über einen längeren Zeitraum hinweg nachgefolgt sind und mit ihm nach Jerusalem zogen (Mk 15,51). Eine ganze Gruppe von Frauen kannte Jesus also schon vor seinem Wirken in Jerusalem, zog mit ihm durch Galiläa und andere Gegenden und begleitete ihn mit den männlichen Jüngern zusammen von Galiläa bis nach Jerusalem. Einige dieser Frauen gingen den gefährlichen Weg zu Jesu Grab, um ihn zu salben (Mk 16,1-8). Sie hielten länger an ihm fest als die männlichen Jünger.
Diese Frauen waren Anhängerinnen Jesu. Sie waren bereit, der inhaltlichen Füllung von Nachfolge nachzukommen, nämlich dem Verständnis des Markusevangeliums gemäß »sich selbst zu verleugnen, das Kreuz aufzunehmen und Jesus nachzufolgen« (Mk 8,34). Sie wollten »dienen« (das griechische Wort dafür steckt in unserer »Diakonie«), also an erster Stelle an andere denken und sich entsprechend verhalten, nicht überheblich sein, sich nicht um jeden Preis selbst behaupten oder um Anerkennung konkurrieren.
Die Gruppe um Jesus ist als bunte Gruppe vorzustellen, zu der Frauen und auch Kinder dazugehörten. Dabei ist zu beachten, dass die biblischen Texte die Kinder kaum erwähnen, denn diese waren so selbstverständlich mit dabei, dass sie nicht nennenswert waren – beispielhaft zu sehen bei den Varianten der Speisung der 5000 oder 4000 Männer und anderer Menschen (Mt 14,21 und Mt 15,38 setzt die Frauen und Kinder ausnahmsweise explizit hinzu).
Wir müssen uns »die soziale Situation in den Städten und Dörfern der Antike so vorstellen, wie wir sie nur aus den schlimmsten Elendsberichten der Dritten Welt kennen: Kinderarbeit auf den Feldern und in den Werkstätten, vom Betteln und Ladendiebstahl bis zur Prostitution, Verkauf von Kindern in die Sklaverei, Banden von Straßenkindern als einzige Überlebensmöglichkeit.«
Nun ist also die Gruppe um Jesus nach Jerusalem gekommen, um dort das Passafest zu feiern. Es ist unvorstellbar, dass beim gemeinsamen Mahl am Abend, bei dem das Brot und der Wein gesegnet werden, die Anhängerinnen außen vor gelassen wurden.
Im Gegenteil: Entgegen der gängigen, kirchengeschichtlich dominanten Vorstellung, Jesus habe nur mit seinen zwölf namentlich bekannten männlichen Jüngern zusammen gesessen, gegessen und gefeiert, berichtet Mk 14,12-26, wie Jüngerinnen und Jünger das gemeinsame Mahl vorbereiten. Zu ihnen »gesellt sich Jesus mit den Zwölfen dazu« (Vers 17), sie bleiben also beim gemeinsamen Mahl dabei. So schön die Abendmahlsdarstellung von Leonardo da Vinci ist, wir müssen uns von ihr verabschieden: So wenig es historisch korrekt ist, dass die Gruppe auf Stühlen saß, so wenig ist es richtig, dass nur 13 Männer in diesem Raum anwesend waren. Stattdessen müssen wir beginnen, uns hier neue Bilder vorzustellen: Zum einen lagen und saßen die Menschen auf Kissen auf dem Boden. Zum anderen aß hier gemeinsam eine bunt gemischte Gruppe aus Männern, Frauen und Kindern.