Tiergestützte Pädagogik: Das Pferd als pädagogisches Medium in der stationären Jugendhilfe - Modeerscheinung oder Methode mit vielversprechenden Möglichkeiten?

Tiergestützte Pädagogik: Das Pferd als pädagogisches Medium in der stationären Jugendhilfe - Modeerscheinung oder Methode mit vielversprechenden Möglichkeiten?

 

 

 

von: Daniela Schmidt

Diplomica Verlag GmbH, 2012

ISBN: 9783842815667

Sprache: Deutsch

108 Seiten, Download: 1769 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Tiergestützte Pädagogik: Das Pferd als pädagogisches Medium in der stationären Jugendhilfe - Modeerscheinung oder Methode mit vielversprechenden Möglichkeiten?



Textprobe: Kapitel 3, 'Bindungsstörungen': 3.1, Grundlagen der Bindungstheorie: Nach Schleiffer ist es nicht übertrieben, in den Hauptthemen der Bindungsforschung die wichtigsten Problembereiche von Kindern und Jugendlichen auszumachen, die in stationären Wohnformen leben. Um derartige 'Bindungsstörungen' verstehen und pädagogisch adäquat auf betroffene Jugendliche eingehen zu können, muss zunächst geklärt werden, was Bindung bedeutet. Aufgrund der Komplexität der Thematik und der zum Teil stark divergierenden Erklärungsansätze bezüglich der Bindung und so genannter 'Bindungsstörungen' findet im weiteren Verlauf eine Fokussierung auf die auf dem Werk John Bowlbys und der Weiterentwicklung seiner Theorie durch Mary Ainsworths aufbauende bindungstheoretische Tradition statt. Dabei liegt die besondere Stärke der Bindungsforschung, verglichen mit anderen Sozialisations- und Entwicklungstheorien, in ihrer theoretischen Herleitung und Differenzierung von unterschiedlichen Bindungsqualitäten, wie sie im weiteren Verlauf näher erläutert werden. Die Bindungstheorie wurde seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von John Bowlby entwickelt und geht von dem Modell der Bindung der frühen Mutter-Kind-Beziehung und somit von einer dyadischen Bindung aus. Bowlbys Interpretationsmuster stammen aus der Naturwissenschaft und haben ihre Wurzeln in der evolutionären Weltsicht Charles Darwins. Bindung ist nach Bowlby die Bezeichnung für eine enge emotionale Beziehung zwischen Menschen und bezieht sich auf den spezifischen Aspekt und die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung. Die Bindung veranlasst das noch abhängige Kleinkind, in potenziellen Belastungs- und Gefahrensituationen wie Bedrohung, Angst oder Schmerz Schutz und Sicherheit bei seinen Bezugspersonen zu suchen und zu erhalten. Unter Bezugs- beziehungsweise Bindungspersonen sind hierbei Personen zu fassen, mit welchen das Kind den intensivsten Kontakt in seinen ersten Lebensmonaten hatte. Die Bindung ist nicht direkt beobachtbar, sie wird beispielsweise im vorsprachlichen Alter aus dem Bindungsverhalten des Kindes nach einer Trennung von seiner Bezugsperson erschlossen. Eine der entscheidenden Erkenntnisse der Bindungsforschung besagt, dass der Wunsch nach Sicherheit und Schutz gewährenden Beziehungen ein zentrales Grundbedürfnis des Menschen ist. Demnach ist für die psychische Entwicklung einschließlich der moralischen Entwicklung die Qualität der frühen Bindungserfahrungen und demnach die emotionale Entwicklung und Beziehung zwischen den heranwachsenden Kindern und ihren Eltern entscheidend. Nach Bowlby können Kinder und Jugendliche nur dann psychische Stabilität und Selbstsicherheit erlangen, wenn die Eltern, beziehungsweise die relevanten Bezugspersonen, ihr Autonomiestreben fördern, bei Bedarf aber eine verlässliche Anlaufstelle bieten und ihrer Verantwortung nachkommen. Eine derart sichere Basis bilden diese nur dann, wenn sie das Bindungsverhalten ihrer Kinder intuitiv erfassen, akzeptieren und es nicht zuletzt als angeborenes Merkmal akzeptieren. Auf der Grundlage dieses Verhaltens primärer Bezugspersonen entwickeln Kinder mentale Repräsentanzen. Hierunter sind verinnerlichte Vorstellungen einer Person über enge soziale Beziehungen zu verstehen, beispielsweise was diese engen Beziehungen auszeichnet und wie verlässlich sie sind, wenn Gefahr besteht. Diese entwickelt das Kind in den ersten Lebensjahren über die Kommunikation mit seinen relevanten Bezugspersonen und deren individuellen Verhaltensweisen. Hier muss angemerkt werden, dass die Bindungstheorie die kindlichen Bedürfnisse fokussiert und die Mutter nach Wiegand in einer komplementären, reduktionistischen Weise als zentrale Bindungsfigur sieht. Eine psychodynamische oder sozialkritische Hinterfragung findet nicht statt. Diese so entwickelten spezifischen inneren Bilder sowie die aus den Interaktionen abgeleiteten komplementären Selbstbilder vernetzen sich zu dominanten kognitiven Strukturen und formen über die realen täglichen Interaktionen das individuelle Bindungsmuster. Zusammenhänge zwischen internalen Arbeitsmodellen und der Interpretation von Emotionen und sozialer Wahrnehmung bei Kindern sind empirisch bewiesen. Bowlby unterscheidet hier zwischen der Komponente des eigenen Selbst (wie wertvoll empfindet sich die Person selbst?) und der Komponente der Umwelt (wie verlässlich, emotional unterstützend und helfend werden die Fürsorgepersonen bei Bedrohungen wahrgenommen?). Derartige innere Arbeitsmodelle können sowohl explizit als auch implizit erfasst und zugänglich gemacht werden. Nach Bowlby stellen sie affektiv-kognitiv-motivationale Schemata dar, welche die spätere Organisation der Persönlichkeit, der emotionalen wie sozialen Regulationsprozesse sowie die Strategie des Umgangs mit Bindungspersonen in bedeutender Weise formen. Auch wenn weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass die Bindungsbereitschaft angeboren ist, so kann angenommen werden, dass die Art und Weise, mit der sich die Bindungen des Kindes entwickeln, zu einem beachtlichen Teil durch die sozialen Erfahrungen in den ersten Lebensjahren beeinflusst wird. Mary Ainsworth machte schon früh darauf aufmerksam, dass es sich in dieser frühen Entwicklung von Kindern nicht etwa um biologisch vorprogrammierte Abläufe handelt, sondern dass es die sozialen Erfahrungen sind, welche sich als ausschlaggebend für ihre weitere Entwicklung erweisen. So besteht ein nachgewiesener Zusammenhang zwischen den Interaktionsformen der Hauptbezugspersonen in den ersten Lebensjahren und den mentalen Fürsorge- und Bindungsrepräsentationen sowie entsprechender Bindungsmuster von Klein- und Vorschulkindern, was mit dem Begriff der transgenerationalen Vermittlung von Bindung belegt ist.

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