Demografie der Demenz

Demografie der Demenz

 

 

 

von: Gabriele Doblhammer, Anne Schulz, Juliane Steinberg, Uta Ziegler

Hogrefe AG, 2012

ISBN: 9783456950501

Sprache: Deutsch

161 Seiten, Download: 6962 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Demografie der Demenz



Mit der Wiedervereinigung stieg die Lebenserwartung, die Geburten sanken, sodass der Osten stärker alterte als der Westen und ihn etwa ab dem Jahr 2000 überholte. Das neue Maß, der prozentuale Anteil der Bevölkerung mit einer Restlebenserwartung von maximal 15 Jahren (Abbildung 5B), zeigt, dass in beiden Teilen Deutschlands die Bevölkerung bis etwa 1975 alterte, da der Anteil der Personen mit einer verbleibenden Lebenserwartung von 15 Jahren und weniger größer wurde, sich danach die Bevölkerung verjüngte und erst ab dem Jahr 2000 im Westen und 2005 im Osten des Landes eine neue Alterungswelle einsetzte. Die Neudefinition des Alters in Bezug auf die verbleibende durchschnittliche Lebenszeit geht implizit davon aus, dass sich mit der steigenden Lebenserwartung auch die Gesundheit verbessert. Bis zu einem Alter von 85 Jahren weisen eine Reihe von Indikatoren der physischen Gesundheit darauf hin, dass dies tatsächlich der Fall ist [7]. Für höhere Altersgruppen sind die Befunde widersprüchlich (vgl. Kapitel 1.4 Trends in der Gesundheit). In der demografischen Forschung werden in Anlehnung an den Anstieg der Lebenserwartung und die Gesundheitstrends neben dem konventionellen Alterungsmaß des Altersquotienten (AQ) zwei weitere neue Alterungsmaße diskutiert [9, 10]: Das sind der Prospektive Altersquotient (PAQ) und der Beeinträchtigungsquotient (BQ). Der AQ ist dabei als das zahlenmäßige Verhältnis der 65+-Jährigen zu den 15bis 64-Jährigen definiert, der PAQ als das Verhältnis der Personen mit einer Lebenserwartung von 15 Jahren und weniger zu den Personen, die mindestens 20 Jahre alt sind und eine Lebenserwartung von mehr als 15 Jahren haben. Der BQ ist definiert über die Zahl der Erwachsenen, die mindestens 20 Jahre alt sind und Hilfe bedürfen im Vergleich zu denen, die keine Hilfe benötigen. Dabei wird das Verhältnis jeweils auf 100 Personen bezogen. Auf der Basis der Prognosen der Vereinten Nationen (2009) und unter Verwendung der Gesundheitsinformationen in dem EU-weiten Survey SILC (Survey of Income and Living Conditions) zeigen die Autoren, wie sich die drei Alterungsmaße bis zur Mitte des Jahrhunderts entwikkeln werden. Nimmt man Deutschland als Beispiel, so wird der AQ von 33 im Jahr 2008 auf 48 im Jahr 2028 und auf 63 im Jahr 2048 steigen (Tabelle 1). Der PAQ, der die Anstiege in der Lebenserwartung berücksichtigt, steigt nur etwa halb so stark an, von 21 im Jahr 2008 auf 34 im Jahr 2048. Berücksichtigt man Verbesserungen im Gesundheitszustand und betrachtet allein die hilfebedürftige Bevölkerung, so kommen die Autoren auf einen Anstieg von 12 im Jahr 2008 auf 15 im Jahr 2048. In Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten hat die Politik mit der stufenweisen Erhöhung des Renteneintrittsalters eine Neudefinition des Alters vorgenommen. In Deutschland erhöht sich, ausgehend von den Geburtsjahrgängen 1946, das Renteneintrittsalter um jährlich einen Monat, für die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1963 um jährlich zwei Monate [11]. Da die Lebenserwartung jährlich um etwa drei Monate ansteigt, bedeutet dies, dass sich für die erwerbstätige Bevölkerung bis zum Ruhestand in etwa die Hälfte der zusätzlichen Lebenszeit auf Jahre in Arbeit und Jahre in Rente aufteilt. Noch ist unklar, ob Alter auch in Hinblick auf mentale Gesundheit, kognitive Leistungsfähigkeit und Demenzen neu definiert werden kann. Studien zeigen, dass mit steigender Bildung die kognitive Leistungsfähigkeit bis in ein höheres Alter erhalten bleibt (vgl. Kapitel 5 Risikofaktoren der Demenz). Neue Erkenntnisse über mögliche Risikofaktoren von Demenzen, die auch im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen stehen, geben Hoffnung. Der Anstieg der Lebenserwartung ist eine Konsequenz rückläufiger Sterberaten bei kardiovaskulären Erkrankungen wie dem Schlaganfall. Generell werden die Erfolge in der Bekämpfung dieser Erkrankungen mit rückläufigem Zigarettenkonsum, der vermehrten Diagnose und Behandlung von Bluthochdruck und Diabetes, der effektiven Medikation gegen die Bildung von Blutgerinnseln, aber auch mit einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstils in Verbindung gebracht. Neuere epidemiologische Studien bringen das Auftreten von kardiovaskulären Risikofaktoren im mittleren Alter mit dem Risiko der Ausbildung von Demenzen im hohen Alter in Verbindung. Ein Rückgang bzw. eine verbesserte Behandlung der Risikofaktoren könnte damit auch zu einem Rückgang des Demenzrisikos führen. Ergebnisse epidemiologischer Studien sind jedoch nicht eindeutig, auch wenn vorsichtiger Optimismus geäußert wird (vgl. Kapitel 3 Epidemiologie der Demenz).

1.3 Die Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland

1.3.1 Anstieg der Lebenserwartung

Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert des Sterblichkeitsrückganges. 1871/81 lag die Lebenserwartung in Deutschland für Männer bei 35,6 Jahren und für Frauen bei 38,45 Jahren. Nach den aktuellen Sterbetafeln von 2007/2009 [12] liegt die Lebenserwartung bei Geburt für Männer bei 77,3 Jahren und für Frauen bei 82,5 Jahren. Aktuell die weltweit höchste Lebenserwartung haben japanische Frauen mit 86,5 Jahren im Jahr 2009. Damit ist in Deutschland die Lebenserwartung seit 1900 um durchschnittlich vier Monate pro Jahr gestiegen, seit 1957 um etwa drei Monate pro Jahr. Zwar kam es durch die beiden Weltkriege und die Grippepandemie im Jahr 1918 zu einem Einbruch der Lebenserwartung, dieser war jedoch schnell überwunden und konnte den Trend der steigenden Lebensjahre langfristig nicht stoppen (Abbildung 6). Das Sterbealter wurde in ein immer höheres Lebensalter hinausgeschoben und ging mit einem Wandel des Todesursachenspektrums einher. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen die zusätzlichen Lebensjahre aus dem Rückgang der Säuglingsund Kindersterblichkeit sowie der Bekämpfung von …

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