Heilpädagogisches Denken und Handeln - Eine Einführung in die Didaktik und Methodik der Heilpädagogik

Heilpädagogisches Denken und Handeln - Eine Einführung in die Didaktik und Methodik der Heilpädagogik

 

 

 

von: Heinrich Greving, Petr Ondracek, Heinrich Greving

Kohlhammer Verlag, 2019

ISBN: 9783170362246

Sprache: Deutsch

280 Seiten, Download: 3465 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Heilpädagogisches Denken und Handeln - Eine Einführung in die Didaktik und Methodik der Heilpädagogik



1          Didaktik und Methodik – begriffliche Festlegung


 

 

Die Begriffe »Didaktik« und »Methodik« werden in diesem Buch häufig verwendet. Deshalb ist es notwendig und sinnvoll, sie am Anfang so zu definieren, wie sie dann auch zur Geltung kommen, weil in der Fachliteratur mehrere und z. T. auch widersprüchliche Auffassungen zu finden sind. Die zwar interessante, jedoch auch sehr viel Raum einnehmende Debatte um die Festlegungen von Definitionen und deren Feinheiten soll hier allerdings nicht geführt werden. Das haben verdienstvoll andere Autoren gemacht, und wir sehen keinen Anlass, sie hier noch einmal zu wiederholen. Stattdessen verweisen wir interessierte Leser auf eine sehr gute – da überschaubare – Darstellung von Johannes Schilling in seinem Lehrbuch »Didaktik/Methodik Sozialer Arbeit« (vgl. Schilling, 2016).

In Anlehnung an die dort beschriebenen Entwicklungen und Auffassungen der Begriffe »Didaktik« und »Methodik« wird in diesem einleitenden Kapitel eine begriffliche Festlegung dieser beiden Begriffe für das vorliegende Lehrbuch erfolgen.

Abb. 2: Definition der Didaktik und Methodik in der Heilpädagogik.

1.1       Didaktik


Traditionell wird Didaktik fast automatisch mit der Institution Schule in Verbindung gebracht. Das ist nachvollziehbar, weil sie sich als theoretische Grundlage der Unterrichtskunst einen Namen gemacht und im Kontext des Lernens entwickelt hat. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass der Begriff »Didaktik« vom griechischen Wort »didaskein« abgeleitet wurde, mit dem sowohl das Lehren (im Sinne von »jemanden belehren«) als auch das Lernen (im Sinne von »belehrt werden«) bezeichnet wird. Folglich lässt sich sagen, dass Didaktik eine Disziplin ist, die sich mit Lehren und Lernen befasst. Diese Festlegung ist eindeutig und unbestritten.

Als solche hinterfragt die Didaktik den Lehr-/Lernprozess vor allem hinsichtlich folgender Elemente:

•  Beteiligte Personen (Wer lehrt wen bzw. wer lernt von wem?),

•  Gründe und Ursachen (Wieso und warum wird gelehrt bzw. gelernt?),

•  Inhalte (Was wird gelehrt bzw. gelernt?),

•  Motive, Anliegen und Ziele (Wozu wird gelehrt bzw. gelernt, welches Anliegen bzw. Ziel verfolgen die beteiligten Personen?).

Mit den erarbeiteten Hinweisen und Informationen wird von der Didaktik der theoretische Rahmen für das Lehren und Lernen aufgestellt. Dieser ist ausschlaggebend für die Antwort auf weitere wichtige Fragen: Nach einem – für die didaktisch erörterten Elemente relevanten – Weg und nach den entsprechenden Mitteln des Lehrens und Lernens. An dieser Stelle lässt sich das Bindeglied zwischen Didaktik und Methodik positionieren. Beide Disziplinen besitzen zwar ihr eigenes Teilgebiet für die Erforschung der Lehr-/Lernprozesse, sind jedoch aufeinander bezogen und folglich auch untrennbar miteinander verbunden.

Bei den Überlegungen zur Relevanz der Didaktik für die Heilpädagogik wirft die oben erwähnte fast automatische Zuordnung der Didaktik zum schulischen Geschehen Fragen auf: Die Heilpädagogik war und ist immer noch überwiegend außerhalb des Schulwesens angesiedelt (gleichwohl sich in der letzten Zeit eine Öffnung der Schule hinsichtlich einer Kooperation mit Heilpädagogen feststellen lässt – z. B. im Kontext der Integrationsklassen oder der integrativen Ganztagsschulen). Dies könnte zu der Schlussfolgerung führen, dass eine auf Lehren und Lernen ausgerichtete Didaktik nicht heilpädagogisch relevant ist, weil eben im heilpädagogischen Alltag kein Unterricht stattfindet, sondern vielmehr die pädagogisch-therapeutischen sowie Alltagsbewältigungsprozesse im Mittelpunkt stehen.

Eine solche Betrachtung der Didaktik wäre reichlich kurzsichtig. Auch in einer außerschulisch positionierten Heilpädagogik, die pädagogisch-therapeutisch wirkt und auf die Alltagsbewältigung ausgerichtet ist, sind – vielleicht nicht so vordergründig wie in der Schule, aber in der Tat doch relevant – die Lernprozesse immer involviert. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass der Mensch in seiner Entwicklung von der Geburt bis zum Tode viel mehr als alle anderen Lebewesen auf der Erde auf das Lernen angewiesen ist. Folglich sind die didaktischen Erkenntnisse über das Lehren und Lernen im schulischen Kontext durchaus relevant und auch übertragbar auf andere – nicht schulische – Situationen. Ein solcher Transfer wird hier versucht.

•  Schulisch betrachtet stehen sich in einer Lehr-/Lernsituation der Lehrende (als derjenige, der etwas weiß) und der Lernende (als derjenige, der etwas wissen möchte) gegenüber. Hier besteht ein natürliches Wissensgefälle zu Gunsten des Lehrenden. Die beiden begeben sich in einen Kommunikations- und Interaktionsprozess, in dem der Lehrende das zur Verfügung stellt, was er weiß, und der Lernende sich dieses zur Verfügung stehende Wissen aneignet. Dies gleicht das Wissensgefälle aus. Eine weitere genauso wichtige ausgleichende Tatsache besteht darin, dass die beteiligten Personen – unbeachtet ihres Wissens und Unwissens – auf gleicher menschlicher Ebene stehen. Demnach stellt die Lehr-/Lernsituation eine Kommunikation und Interaktion vom Subjekt zum Subjekt dar, die als Begegnung zu verstehen ist (die für beide Seiten eine Bereicherung sein kann). Ob dies jedoch in der schulischen Welt von den Lehrpersonen immer und konsequent als Grundlage eines partnerschaftlichen Umgangs mit Lernenden wahrgenommen wird, sei dahingestellt.

•  Heilpädagogisch betrachtet lassen sich Lehren, Lernen und Lehr-/Lernsituation (im weitesten Sinne des Wortes) folgendermaßen erfassen:

–  Das Lehren als Handeln zum Zweck der Unterstützung bzw. Ermöglichung einer individuellen Entwicklung sowie Alltags- und Lebensbewältigung.

–  Das Lernen als Nutzung von verfügbaren Bedingungen, Hilfen und Ressourcen für die eigene Entwicklung und Lebensbewältigung.

–  Die Lehr-/Lernsituation als Kommunikation und Interaktion zwischen dem »Unterstützer« und dem »Nutzer«; diese ist eine Form der zwischenmenschlichen Begegnung und als solche beinhaltet sie immer für beide Seiten einen Lehr-/Lerneffekt.

–  Die Lehr-/Lernsituation als Prozess der Erstellung einer Passung (Viabilität; s. u.) zwischen beiden (und mehreren) Handlungspartnern in Bezug auf die Konstruktion ihres wechselseitigen Lernfeldes.

–  Darüber hinaus spielen noch weitere Bestandteile des Lehrens und Lernens eine wichtige Rolle: das Ziel sowie die entsprechenden Inhalte und die Methode der Zielerreichung.

1.1.1     Bezugsmodell didaktischer Elemente


Die Didaktik ist trotz ihrer unverkennbaren schulischen Wurzeln auch für eine außerschulische Heilpädagogik relevant. Ihre Erkenntnisse sind durchaus in den (heil)pädagogisch-therapeutischen sowie Lebensbewältigungsbereich transferierbar. Bedeutsam als Orientierungs- und Handlungshilfe für heilpädagogisch Tätige ist vor allem das folgende didaktische Modell, in dem die oben aufgelisteten didaktischen Elemente aufeinander bezogen dargestellt werden.

Um die Prozesse des Lehrens und Lernens planen, durchführen, reflektieren, variieren und evaluieren zu können (was die genuine Aufgabe des professionellen Handelns in jedem pädagogischen Praxisfeld ist), müssen alle Elemente dieses Modells in Betracht gezogen werden.

Abb. 3: Bezugsmodell didaktischer Elemente Legende:

•  Die Ellipse veranschaulicht, dass alle drei Grundelemente auf der gleichen Ebene positioniert sind, also dass keines wichtiger wäre als die anderen (fehlt eines von ihnen, kann kein interaktiver Lehr-/Lernprozess zustande kommen).

•  Die Position des Grundelements »Lehr-/Lernsituation«/Passung zwischen den anderen Grundelementen »Lehrperson« und »Lernender« zeigt dessen Bedeutung als ein Feld der Kommunikation und Interaktion, d. h. ein Bereich, auf dem die Begegnung beider Elemente stattfinden kann.

•  Die Anordnung der Ergänzungselemente übereinander ist zufälliger Art. Sie hängen zwar immer alle zusammen und bedingen sich gegenseitig, aber müssen von den beteiligten Personen nicht zwingend in der dargestellten Reihenfolge verhandelt werden.

•  Die Pfeile veranschaulichen die Vernetzung und die Bezogenheit aller didaktischen Elemente aufeinander.

Im Unterschied zum Lehr-/Lernprozess...

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