Familienpsychologie und systemische Familientherapie

Familienpsychologie und systemische Familientherapie

 

 

 

von: Klaus A. Schneewind

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783840929502

Sprache: Deutsch

150 Seiten, Download: 1877 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Familienpsychologie und systemische Familientherapie



|43|2 Familienbeziehungen klären: Themen und Ergebnisse nichtinterventiver familienpsychologischer Forschung


Die nichtinterventive familienpsychologische Forschung bezieht sich vor allem auf kontrollierte Quer- und Längsschnittstudien zur Beschreibung und Erklärung der Lebensumstände, Beziehungsformen und Qualität von Paaren und Familien sowie deren Entwicklung.

2.1 Unterschiede in den Beziehungen zufriedener und unzufriedener Paare und Ehen


Überblick

Hierzu werden die zentralen Aspekte und empirischen Befunde gelingender und misslingender Paarbeziehungen dargestellt. Bei unzufriedenen Paaren, deren Beziehung häufig zu Trennung und Scheidung führt, sind es vor allem Beziehungsprobleme (z. B. Kommunikationsschwierigkeiten, enttäuschte Erwartungen), zerstörerische Prozesse (z. B. Respektlosigkeit, häufige Streitereien, Gewalttätigkeit) und Untreue (z. B. konstante oder gelegentliche Außenbeziehungen). Hingegen zeichnen sich zufriedene Paare durch ein hohes Maß an Positivität (u. a. sichere Bindung, persönliche Verpflichtung, sexuelle Zufriedenheit, Verbundenheit) sowie ebenfalls stark ausgeprägte Konfliktbewältigungskompetenzen (u. a. geringe verbale Aggressivität und wenig Rückzugsverhalten in Konflikten, konstruktives Problemlösen) aus.

Auf die leider zu früh verstorbene Familienpsychologin Virginia Satir (2013) geht die Feststellung zurück, dass Paare die „Architekten der Familie“ seien. Architekten können Häuser (oder auch Wohnungen) bauen, in denen man sich ein Leben lang wohlfühlt. Sie können allerdings auch Unterkünfte schaffen, für die dies nicht zutrifft. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, ob man trotz der Unannehmlichkeiten in solchen Etablissements wohnen will oder sich eine andere Bleibe sucht, sofern es Angebote gibt, die einem zusagen.

|44|Übertragen auf Paarbeziehungen sei zunächst ein Blick auf den Prototyp erfolgreicher „Familienarchitekten“ und deren Entwicklungsaufgaben im zeitlichen Verlauf geworfen (vgl. Tab. 4).

Tabelle 4: Phasen der normativen Paarentwicklung und exemplarische Entwicklungsaufgaben (aus Schneewind, Graf & Gerhard, 2000)

Phasen der Paarentwicklung

Entwicklungsaufgaben

Paare in der Frühphase ihrer Beziehung

  • Lernen zusammenzuleben

  • Klärung der Aufgabenteilung zwischen den Partnern

  • Abgrenzung gegenüber konkurrierenden Beziehungen

  • Sicherstellung des Lebensunterhalts als Paar

  • Einigung zur Frage der Familienplanung

Paare mit kleinen Kindern

  • Anpassung des Paarsystems an die Pflege und Betreuung eigener Kinder

  • Differenzierung zwischen Partner- und Elternrolle

  • Ausübung einer funktionsfähigen Elternallianz

Paare mit älteren Kindern und Jugendlichen

  • Aufrechterhaltung einer stabilen und befriedigenden Paarbeziehung

  • Anpassung an den Beziehungswandel im Umgang mit älter werdenden Kindern

  • Entlassen der Kinder in die Eigenständigkeit

Paare in der nachelterlichen Phase

  • Aushandeln eines neuen Verständnisses der Paarbeziehung nach dem Weggang der Kinder

  • Neuorientierung des Lebensstils als Person und Paar

  • Integration neuer Aufgaben und Rollen im Kontakt mit den erwachsenen Kindern

Paare in der späten Lebensphase

  • Anpassung an veränderte zeitliche Rahmenbedingungen von Gemeinsamkeiten nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben

  • Auseinandersetzung mit Gebrechlichkeit bzw. Tod des Partners

  • Klärung testamentarischer Verfügungen gegenüber den Nachkommen

|45|Bei einer Übertragung der Architektenmetapher auf unzufriedene Paare mit einer über 20-jährigen Ehedauer hat Lind (2001) folgende scheidungsförderliche Indizien gefunden (vgl. auch Hötker-Ponath, 2014):

  • zunehmende Entfremdung der Partner

  • geringe oder dysfunktionale Kommunikation

  • ungleiche Machtverteilung

  • langanhaltende sexuelle Unzufriedenheit einer oder beider Partner

  • einmalige oder jahrelange sexuelle Untreue

  • Ablösung der gemeinsamen Kinder

  • fehlende gemeinsame Interessen

Nach den Befunden der Bundeszentrale für politische Bildung (2012) haben sich die Scheidungsursachen im Lauf der letzten Jahrzehnte deutlich gewandelt. Demnach haben frühere subjektive Scheidungsgründe wie Gewalttätigkeit, Alkoholismus und sexuelle Untreue stark an Bedeutung verloren. Sie wurden abgelöst von anderen Ursachen wie Kommunikationsprobleme, emotionale Verarmung und fehlende gemeinsame Interessen.

Hinzu kommt, dass mit der bereits erwähnten Normalisierung der Scheidung die Bedeutung bestimmter Merkmale der Lebenssituation, die lange als Scheidungsbarrieren gewirkt haben, weitgehend abgenommen hat. So haben sich konfessionelle und milieutypische Unterschiede im Vergleich zu früher erheblich nivelliert.

Andere Scheidungsursachen haben dagegen Bestand. Dazu gehören ausgeprägte Stadt-Land-Unterschiede. Tatsache ist, dass das Scheidungsrisiko in Städten fast doppelt so hoch wie in ländlichen Gebieten ist. Darüber hinaus hat sich auch gezeigt, dass Ehen, in denen beide Partner erwerbstätig sind, häufiger geschieden werden als Ehen, in denen die Frau zu Hause bleibt.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten sind Kinder in einer Ehe heute kein Hindernis mehr für eine Trennung oder Scheidung. Nur in der Phase mit Kindern unter fünf Jahren ist noch ein die Ehe stabilisierender Effekt nachweisbar.

Aus psychologischer Sicht lassen sich drei zentrale Faktoren benennen, die sowohl zu Scheidungen, als auch zur Auflösung von nichtehelichen Partnerschaften führen. Es sind dies

  1. eine unbefriedigende Attraktivität der Beziehung, d. h....

Kategorien

Service

Info/Kontakt

  Info
Hier gelangen Sie wieder zum Online-Auftritt Ihrer Bibliothek