Hunde in der Sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Hunde in der Sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

 

 

 

von: Martina Kirchpfening

ERNST REINHARDT VERLAG, 2018

ISBN: 9783497606863

Sprache: Deutsch

160 Seiten, Download: 7048 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Hunde in der Sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen



Der Einsatz von Hunden in der Sozialen Arbeit

3.1  Das Wirkungsfeld der Sozialen Arbeit

Innerhalb der fachlichen Diskussion tiergestützter Interventionen wird die Soziale Arbeit nicht explizit diskutiert. Daher halte ich es für äußerst wichtig, eine Erklärung zum Selbstverständnis der Sozialen Arbeit vorne anzustellen. Aufgrund dieser Definition sollte es gelingen, hundgestützte Maßnahmen als Teil der Sozialen Arbeit zu sehen und auch zu legitimieren. Dies soll auch dazu beitragen, die Interventionen innerhalb der Sozialen Arbeit von therapeutischer Arbeit abzugrenzen. Zink (2009, 12) definiert die „multiple Identität der Sozialen Arbeit“ wie folgt:

1.   „Soziale Arbeit ist eine gesellschaftlich notwendige, institutionell garantierte, prinzipiell vorläufige und professionell angebotene persönliche Dienstleistung.

2.   Sie gilt Menschen, die in aktuellen Lebenslagen mit komplexen sozialen Problemen konfrontiert sind und daher system- und maßnahmenintegrierender Hilfe bedürfen.

3.   In unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen tätig, initiiert, organisiert, koordiniert und lenkt sie problembezogene individuelle und kollektive soziale Veränderungsprozesse.

4.   Diese haben den Erwerb, die Optimierung oder den Erhalt sozialer Kompetenz zum Ziel.“

Alle Maßnahmen und Methoden, die geeignet sind, diese in Punkt 4 beschriebene Ziele zu erreichen, können daher Anwendung finden. Die hundgestützte Intervention kann eine dieser unterstützenden Maßnahmen darstellen.

Ergänzend soll an dieser Stelle auf ein Modell der praktischen Sozialen Arbeit eingegangen werden, welches die Autoren Germain und Gittermann (1988) in ihrem Werk „Praktische Sozialarbeit – ‚Das Life Model’ der Sozialen Arbeit“ beschrieben haben. Das Life Model der Sozialen Arbeit erklärt die Interventionen der Sozialen Arbeit anhand eines ökologischen Modells. Zentraler Aspekt dieses Ansatzes ist der Begriff „Ökologie“. In seinem ursprünglichen Sinne wird dieser als die Lehre der Beziehungen von Organismen untereinander und mit ihrer Umwelt verstanden. Das Erklärungs modell nach Germain und Gittermann, welches erstmals bereits 1983 ver öffentlicht wurde, unterscheidet sich von anderen Modellen der Sozialen Arbeit durch die Erweiterung des Erklärungsansatzes um einen systemischen Umweltaspekt.

In der gegenwärtigen Zeit und ihren schnell vorwärts schreitenden Entwicklungen und Veränderungen erlangt gerade dieser Umweltaspekt an Bedeutung. Gestützt auf dieses Modell möchte ich hier meine grundlegenden Gedanken für die Sinnhaftigkeit hundgestützter Kinder- und Jugendarbeit darstellen.

„Wie alle lebenden Organismen bilden Menschen mit ihrer Umwelt ein ökologisches System, in dem jedes Glied das andere formt. […]

Bei diesen komplexen Transaktionen zwischen Mensch und Umwelt ereignen sich oft Störungen im Gleichgewicht der Anpassung oder der Qualität des Aufeinander-abgestimmt-Seins. Diese Störungen erzeugen Stress. […] Stress entsteht in drei miteinander verbundenen Zonen: In lebensverändernden Ereig nissen; in Situationen mit besonderem Umweltdruck; und im Bereich interpersonaler Prozesse. […] Lebensverändernde Ereignisse schließen ein: Entwicklungsbedingte Veränderungen, wie die Pubertät; Veränderungen, die den Status oder die Rolle betreffen […] und Veränderungen, die durch Krisen bedingt sind“ (Germain / Gittermann 1988, 7).

In anderen Worten: Es geht darum, Stress, der durch fehlerhaftes „Aufeinander-abgestimmt-Sein“ der einzelnen Systeme auftritt, abzubauen. Die positive Abstimmung der Wechselwirkungen innerhalb der Systeme müssen wiederhergestellt werden. Die Rolle der Sozialarbeiterin ist dabei das Unterstützen, Begleiten und Motivieren.

Die Autoren Germain und Gittermann erweitern in ihrer 1999 veröffentlichten 3. Auflage des „Life Models“ diesen Ansatz um zusätzliche Ausführungen und Aspekte, die ebenfalls geeignet sind, die Methode der hundegestützten Intervention oder Aktion fachlich zu verorten.

Unter der „Definition von Charakteristika der Praxismethode des Life Models“ wird die professionelle Funktion folgendermaßen beschrieben:

„Die Aufgabe der Praxis des Life Models besteht darin, das Niveau des Anpassungsgleichgewichts zwischen Menschen und ihrer Umwelt anzuheben, insbesondere zwischen menschlichen Bedürfnissen und Umweltressourcen“ (Germain / Gittermann 1999, 37).

Germain und Gittermann erklären die Abstimmungsprozesse anhand der Aspekte Umwelt und Mensch, wobei sich der Aspekt Umwelt untergliedert in die soziale und die materielle Umwelt. Die soziale Umwelt bezeichnet die Beziehungsebenen in sozialen Gefügen von Gemeinwesen, Freundeskreis, Familie und Partnerbeziehung; die materielle Umwelt bezeichnet natürliche, reale Gegebenheiten wie Architektur, Wohnumfeld und materielle Ausstattung. Der Organismus (Mensch) steht für Kommunikation, innerpersonale Entwicklung und Persönlichkeit. Stress entsteht in folgenden Zusammenhängen:

1. lebensverändernde Ereignisse wie

− entwicklungsbedingte Veränderungen

− veränderter Status, veränderte Rollenanforderungen,

− Krisen;

2. Anforderungen aus der Umwelt, d. h. Umweltprozesse bzw. -veränderungen (sozial und materiell);

3. fehlangepasste interpersonale Beziehungs- und Kommunikationsmuster innerhalb von

− Paarbeziehungen,

− Familien,

− Gruppen.

Ausgehend von diesem Erklärungsmodell ist es eine zentrale Aufgabe der Sozialen Arbeit, die auftretenden Stressfaktoren in den oben genannten Bereichen durch Unterstützen und Begleiten abzubauen.

3.2  Die Zielgruppe Kinder und Jugendliche

An dieser Stelle wird es notwendig, die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen sowie das Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendarbeit näher zu betrachten. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür finden sich im Sozialgesetzbuch (SGB) VIII, Kinder- und Jugendhilfe, §§ 1, 11, 13. Diese Regelungen beschreiben das Recht auf Bildung und Erziehung sowie das Recht auf Leistungen der Jugendarbeit und Jugendhilfe. Ich möchte die rechtlichen Grundlagen aus dem Jugendhilferecht hier nicht näher ausführen, da ich sie in der Sozialen Arbeit als hinreichend bekannt voraussetze.

Nennenswert sind jedoch die Ziele der Jugendarbeit, die im SGB VIII genannt werden. In § 11 wird hier die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung junger Menschen genannt und in § 13 Abs. 1 steht hierzu: „Jungen Menschen […] sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die […] ihre soziale Integration fördern“.

Hundgestützte Maßnahmen sind im Sinne des SGB VIII also in den §§ 11 und 13 als Maßnahme der Sozialen Arbeit zu verorten, da sie geeignet sind, die genannten Ziele (soziale Integration, individuelle und soziale Entwicklung) wirkungsvoll umzusetzen (Kap. 3.4).

Die Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendarbeit umfassen hauptsächlich Leistungen der Jugendarbeit und Jugendhilfe, die von öffentlichen und freien gemeinnützigen Trägern sowie von freien Unternehmen der Sozialwirtschaft angeboten werden.

In Kap. 7 erfolgt eine Darstellung von Praxiskonzepten für verschiedene Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendarbeit. Dabei werden insbesondere folgende Arbeitsfelder näher beleuchtet:

  Offene Kinder- und Jugendarbeit (inkl. der schulbezogenen Jugendarbeit),

  Aufsuchende Jugendarbeit / Streetwork,

  Jugendsozialarbeit an Schulen,

  Kindertagesbetreuung,

  Einrichtungen der Jugendhilfe.

3.3  Die Rolle des Hundes in der Sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Hunde sollten im Rahmen der Sozialen Arbeit möglichst so zum Einsatz gebracht werden, dass sie die zentrale Aufgabe der Sozialen Arbeit möglichst gut unterstützen können. Entsprechend des obigen Erklärungsmodells (Kap. 3.1) sollte der Hund also dazu beitragen, die genannten möglichen Stressfaktoren bei Kindern und Jugendlichen abzubauen. Ich möchte dies anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen.

In das Jugendzentrum einer Kleinstadt kommt seit einigen Wochen ein Mädchen, das offensichtlich Anschluss sucht, aber dabei sehr schüchtern und gehemmt auftritt, so dass die anderen Besucher mit Ablehnung reagieren. Die Sozialarbeiterinnen haben mehrmals versucht, Kontakt aufzunehmen, jedoch ist das Mädchen sehr verschlossen und nicht zu einem Gespräch zu bewegen. Nach kurzer Zeit verlässt es daher den Jugendtreff meist wieder, um am nächsten Tag erneut einen Versuch zu starten.

Die sozialen Austauschprozesse laufen nicht rund. Die Kommunikation ist erschwert. Es ist anzunehmen, dass das Mädchen in diesem Zusammenhang unter Stress leidet. Die Sozialarbeiterin hat die Aufgabe, etwas zu ermöglichen, das geeignet ist, diesen Stress abzubauen. In der Rolle der Unterstützenden tritt nun die Sozialarbeiterin mit Hund im Jugendtreff auf.

Die Sozialarbeiterin betritt den Jugendtreff mit dem angeleinten Hund. Die anwesenden Jugendlichen beachten den Hund nicht weiter, denn sie kennen ihn bereits. Vorsichtig steuert die Mitarbeiterin mit dem Hund das Mädchen an, das...

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