Handbuch Musikpsychologie

Handbuch Musikpsychologie

 

 

 

von: Andreas Lehmann, Reinhard Kopiez

Hogrefe AG, 2018

ISBN: 9783456955919

Sprache: Deutsch

800 Seiten, Download: 7869 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Handbuch Musikpsychologie



2.1.1 Hören vor der Geburt, Erinnern nach der Geburt

Intrauterines Hören und postnatales Erinnern

Bereits vorgeburtlich kann der Fötus vom fünften Schwangerschaftsmonat an (20. Woche) akustische Reize verarbeiten, denn von diesem Zeitpunkt an ist als erstes Wahrnehmungsorgan das Gehör fertig ausgebildet. Es existieren zwar einige Mythen darüber, was Föten angeblich erleben, wahrnehmen und erinnern, aber eine empirische Evidenz darüber ist quasi nicht existent (Parncutt, 2016; ? Kap. 6.5). Was wir sicher wissen, ist, dass die Wahrnehmungsleistungen nicht mit dem Hören eines Erwachsenen vergleichbar sind, weil der flüssigkeitsgefüllte Uterus und die Bauchdecke Frequenzen von Musik und Sprache stark dämpfen: Hohe Frequenzen um –40 Dezibel (dB), Sprache und Musik um –14 bis –20 dB, Töne unterhalb von 250 Hertz (Hz) werden allerdings kaum gedämpft. Zudem herrscht im Mutterleib (intrauterin) ein hoher Geräuschpegel mit einer Lautstärke von circa 28 bis 95 dB, der vor allem durch die von der Mutter verursachten Körpergeräusche aus Magen-/Darmtätigkeit, Bluttransport (Gurgeln, Darmperistaltik, Herzschlag der Mutter) sowie Atmung und Stimme entsteht. Eine eindrucksvolle klangliche Beschreibung des gesamten akustischen Tagesablaufs lieferte Satt (1984) durch Tonaufnahmen mittels eines intrauterinen Mikrofons. Vor diesem akustischen Hintergrund gelangen extrauterine Geräusche wie Musik und Sprache nur eingeschränkt bzw. tiefpassgefiltert zum Fötus.

Eine Sonderstellung nimmt die Stimme der Mutter ein, die über die Knochenleitung und vor allem die Beckenknochen, in deren Mitte der Fötus im Uterus liegt, nur wenig gedämpft übertragen wird (Lecanuet, 1996). Direkt nach der Geburt ziehen Säuglinge die Stimme der Mutter daher anderen Stimmen – auch der des Vaters – vor, ebenso die Muttersprache (Umgebungssprache) einer Fremdsprache (DeCasper, Lecanuet, Busnel, Granier-Deferre & Maugeais, 1994; Lee & Kisilevsky, 2014). Außerdem scheinen sich in der Kombination von körperlichen (Herzschlag, Atemrhythmus) und biochemischen Reaktionen (Hormonausschüttung bei Freude, Wohlbefinden oder Angst) erste Wahrnehmungsschemata der Mutter auch auf den Fetus zu übertragen und zum Beispiel die nachgeburtliche Wahrnehmung von angenehmer Musik zu beeinflussen (für eine Zusammenfassung s. Parncutt, 2016). Auch gibt es Studien, die zeigen konnten, dass Säuglinge das Versmaß von pränatal dargebotenen Gedichten sowie Melodien direkt nach der Geburt wiedererkennen konnten. Die Bewegungen und der Herzschlag der Säuglinge änderten sich – sowohl im Mutterleib als auch bei der Darbietung der Melodien kurz nach der Geburt. Die Erinnerung an die Melodien war j

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