Körperbild und Körperbildstörungen - Handbuch für Pflege- und Gesundheitsberufe

Körperbild und Körperbildstörungen - Handbuch für Pflege- und Gesundheitsberufe

 

 

 

von: Andreas Uschok

Hogrefe AG, 2016

ISBN: 9783456755205

Sprache: Deutsch

368 Seiten, Download: 6755 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Körperbild und Körperbildstörungen - Handbuch für Pflege- und Gesundheitsberufe



Einleitung


Durch eine kurze Vorstellung der Buchbeiträge soll der Überblick und Zugang erleichtert werden.

Kapitel 1. Hartmut Remmers setzt sich gleich im ersten Beitrag mit der Relevanz des Körpers für die Pflege auseinander. Er widmet sich grundlagentheoretischen Überlegungen, in denen deutlich wird, dass sich die Entwicklung der Pflegeprofession selbst blockiert, wenn der Körper als eine Art Maschine angesehen wird. Diesem Körperverständnis stellt er den Begriff des Leibes als subjektive Erlebnis- und Empfindungswelt an die Seite. Ein beeinträchtigtes Körperbild beschreibt er als Störung der Lebendigkeit des Körpers und betont die entscheidende Bedeutung, die Rückmeldungen der Umwelt für die Aufrechterhaltung des Körperselbstbildes haben. Remmers macht die Körper- und Körperbildproblematik an verschiedenen pflegepraxisrelevanten Beispielen wie Schlaganfall, Tumorerkrankungen oder Organtransplantationen plastisch und kommt zu dem Schluss, dass die Konzeptentwicklung der Pflege eine Neu- bzw. Wiederaneignung des Körpers erfordert, bei der ein besonderes Augenmerk auf den Leib (hier vor allem psychogene Störungen der Leiblichkeit) gerichtet werden soll. Denn sonst, so führte er an früherer Stelle bereits aus (Remmers, 1997), drohe die Gefahr einer «subtilen Fremdbemächtigung» des Körpers des Patienten durch eine reparaturfreudige Pflege.

Kapitel 2. Ausführlich geht Martin W. Schnell dem Begriff des Leibes aus der phänomenologischen Richtung der Philosophie und seiner Relevanz für die Pflege in seinem Beitrag nach. (Die Pha?nomenologie ist die Lehre von den Erscheinungen im Sinne einer reinen Wesenschau. «Ich bin, alles Nicht-Ich ist bloß Pha?nomen».)

Er kommt zu der Auffassung, dass die Leiblichkeit zu einem wesentlichen Teil die Identität des Menschen konstituiert.

An anderer Stelle beschreibt der «Leibphilosoph» Schmitz (1998) den Unterschied zwischen Körper (als der wahrgenommene) und Leib (als der wahrgenommene und wahrnehmende) mit dem Begriff des «Spürens». Körperliche Sinne können sich täuschen, das eigene leibliche Spüren aber nicht; Wahrnehmen besteht noch vor dem Denken. Die «dicke Luft» in einem Raum, eine angespannte Situation spüren wir, noch ehe unsere Sinne die Situation gerastert haben oder bewusstes Denken einsetzt (Uzarewicz, 2003).

Die Art des pflegerischen Zugangs zum Patienten ist für Schnell auch davon abhängig, ob die phänomenologische Perspektive in der Betrachtung eingenommen werden kann: Zum Beispiel die Haut des Menschen als einer Materialisierung von Persönlichkeit. – Er sieht die Pflege als Teil dieses philosophischen Diskurses. Schnell thematisiert den Begriff der «Selbstsorge» (cura sui), die jedem Menschen zu eigen ist, die aber auch als Grundlage professioneller Pflege gelten kann.

Kapitel 3. Um die Grundlagen professioneller Pflege geht es auch Manfred Hülsken-Giesler. Körper und Leib sind auch für ihn zentrale Begriffe der Pflege und der Pflegewissenschaft. Aber es greife zu kurz, so Hülsken-Giesler, den Körperleib lediglich zum – wenn auch sehr wichtigen – Gegenstand der Pflege zu erklären.

In seinem Beitrag geht er der Frage nach, wie sich der Kern der Pflege beschreiben lässt, das heißt, wie Körper und Leib «Activa» professionellen Pflegehandelns sein können.

Der Autor kritisiert die momentane Tendenz, allein durch streng rationale, evidenzbasierte Argumentationen die Pflege definieren, weiterentwickeln zu wollen und damit auch die systemische Bedeutung von Körper und Leib zurückzudrängen.

Erst das individuelle Erleben der Betroffenen, krank und/oder in verschiedenen besonderen Situationen beeinträchtigt zu sein, kann Ausgangspunkt für pflegerische Ziele und Interventionsplanungen sein. Diese zwischen Patient und Pflegenden gemeinsam und immer wieder neu auszuhandelnde Definition in der individuellen Situation kann aus Sicht von Hülsken-Giesler als Kern des Pflegerischen bezeichnet werden. Bei dieser Definition vereinen sich evidentes Wissen und bestes Fallverstehen, welches ganz wesentlich auch ein körperlich-leibliches Verstehen ist, also von zum Beispiel Mimik, Gestik, Stimme, Muskeltonus, Körperhaltung oder Bewegungsgestaltung. Diese Fähigkeit von Pflegenden thematisiert er anhand des Begriffs der Mimesis: «Damit wird das menschliche Vermögen, Phänomene in der Welt, seien es Naturphänomene, menschliche Gegenüber oder dingliche Artefakte, körperlich-sinnlich wahrzunehmen, diese Wahrnehmungen wiederum über die eigene Körperlichkeit zum Ausdruck zu bringen und darüber Erfahrungen von der Welt und von den Anderen zu machen …». Hülsken-Giesler sieht die Gefahr, dass mimetische Fähigkeiten verdrängt werden könnten und ruft auf, dies aktiv zu verhindern.

Kapitel 4. In unserer Gesellschaft ist insgesamt eine starke Hinwendung zum Körper und zu allem, was mit ihm zu tun hat, zu beobachten – auch in den Wissenschaften. Robert Gugutzer gibt in seinem Beitrag acht Gründe dafür an. So ist für ihn der Übergang von der Industrie- zur postmodernen Gesellschaft mit dem Rückgang körperlicher Arbeit hin zu mehr Kopfarbeit (oder auch dem Dienstleistungsbereich) und zu immer mehr Freizeit verbunden.

Sowohl im Dienstleistungs- wie auch im Freizeitbereich nimmt die körperliche Präsentierung – in Form eines schlanken, jungen, gesunden Körpers – zu. Wer besser aussieht, verdient mehr, bekommt bessere Noten oder wird vor Gericht milder bestraft. Gugutzer entwirft anhand der Soziologie mit vielen konkreten Beispielen ein differenziertes Bild der wechselseitigen Beeinflussung zwischen Gesellschaft und den Körpern.

Doch zurück zum Körperbild. Der Begriff des Körperbildes wurde zu Beginn des letzten Jahrhunderts geprägt, ist also noch recht jung. Die ersten Untersuchungen wurden mit neurologischer Fragestellung geführt. Der englische Neurologe Henry Head (1920) (der sinnige Nachname ist vielen Pflegenden durch die Headschen Zonen bekannt) beschäftigte sich mit der Frage, wie die Lage und Haltung des Körpers durch äußere und innere Reize wahrgenommen werden. Es entsteht eine schematische Vorstellung des eigenen Körpers, die Head als «Körperschema» oder body scheme bezeichnet.

Der Psychiater Paul Schilder (1935) prägte den Begriff des «body image», als des «Körperbildes». Er meinte damit das Verhältnis der einzelnen Teile des Körpers zueinander und ihre Lage im Raum. Schilder erweiterte die Diskussion über die Wahrnehmung des Körpers um psychologische und soziologische Faktoren.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte kamen je nach Blickwinkel noch eine Reihe anderer Begriffe hinzu: Zufriedenheit mit dem Körper, Körperselbst, Körperkonzept, Körperorientierung, Körperausdehnung, Körperkenntnis, Körpererfahrung, Körpererleben usw.

Um dieser «babylonischen Sprachverwirrung» (Röhricht et al., 2004) entgegenzuwirken, wurden mehrere Systematisierungsversuche unternommen. Eine Gruppe von Körperbild-Wissenschaftlern um Röhricht fand sich 2004 zu einem Konsensuspapier zusammen, um Teilaspekte des Körpererlebens terminologisch abzugrenzen. Die Gruppe einigte sich auf den Oberbegriff Körpererleben und diskutierte diesen explizit aus der Geschichte des Leib-Begriffs. Aber auch in diesem Konsensuspapier wird zwischen Körperschema und Körperbild unterschieden.

Kapitel 5. Einer der am Konsensuspapier beteiligten Wissenschaftler ist Erich Lemche, der sich in diesem Band ausführlich der Definition von Begrifflichkeiten widmet. Er diskutiert dies in seiner Eigenschaft als Neurowissenschaftler, entwirft ein sogenanntes Komponentenmodell und ordnet die verschiedenen Begrifflichkeiten und Funktionen verschiedenen Hirnregionen zu. In einem Nebensatz berichtet er von Spekulationen anlässlich neuester Befunde, dass die Trennung von Körper und Geist/Seele durch den französischen Philosophen Rene Descartes möglicherweise die pathologische Folge seines Basalhirntumors gewesen sein könne.

Jenseits solcher Ironien der Geschichte verortet Lemche die Trennung der Begriffe Körperbild und Körperschema als eine der grundlegendsten Verwirrungen. Er legt anhand neurophysiologischer Befunde die doch komplexe Verschachtelung verschiedener Hirnareale dar, die eine enge Verzahnung von Bild und Schema aufzeigen. Er plädiert hier für ein Gesamtkonstrukt der Körperpräsentationen mit fünf Komponenten, die er auch Funktionsniveaus nennt: Körper-Selbst, Körper-Ich, Körperorientierung, Körper-Ideation, und Haltungsschema. Seine Überlegungen führen ihn zu dem Schluss, dass die neurophysiologische Ableitung der vielen Körperfacetten die jahrzehntelange Begriffsverwirrung überwinden kann.

Kapitel 6, 13, 14, 16. Jürgen Georg stellt mit großem Detailreichtum die Einordnung des Körperbildes in ein Klassifikationssystem von Pflegediagnosen und in den Pflegeprozess dar, und dies auf der Grundlage verschiedener Pflegemodelle. Durch seine Einordnung wird deutlich, wie nahe verwandt die Körperbildproblematik mit anderen Diagnosen wie Selbstwertgefühl, Vereinsamungsgefahr oder Angst ist.

Die Möglichkeit, eine exakte, nachvollziehbare und auch abgestufte Basis- oder Fokusdiagnostik eines so weiten Begriffes leisten zu können, gelingt Georg durch die umfangreiche Auflistung zahlreicher Symptome, Einflussfaktoren und Algorithmen, die unter anderem auch Risikodiagnosen, Entwicklungspotenziale und Lernbedarf berücksichtigen. Hier wird deutlich, dass der Aufbau einer guten Beziehung zwischen Pflegendem und Patient die notwendige Basis darstellt, die eine Bearbeitung dieses Themas überhaupt erst möglich macht. Diese...

Kategorien

Service

Info/Kontakt

  Info
Hier gelangen Sie wieder zum Online-Auftritt Ihrer Bibliothek