Einführung in die lösungsorientierte Soziale Arbeit

Einführung in die lösungsorientierte Soziale Arbeit

 

 

 

von: Frank Eger

Carl-Auer Verlag, 2016

ISBN: 9783849780425

Sprache: Deutsch

128 Seiten, Download: 426 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Einführung in die lösungsorientierte Soziale Arbeit



3  Lösungsorientierte Soziale Arbeit als Anreger des Lösungsmodus

3.1 Lösungsorientierte Soziale Arbeit und die Überzeugung, Aufgaben eher mit dem Blick auf Ressourcen und Ziele als auf Probleme bewältigen zu können

Professionelle Soziale Arbeit hat eine auf personale und soziale Systeme bezogene Funktion. Zentral wird mit lösungsorientierter Sozialer Arbeit die Funktion gewährleistet, mit personalen und sozialen Systemen (mit einer Gruppe, einer Organisation, der Gesellschaft) eine lösungsorientierte Haltung zu erzeugen, um Ressourcen und Ziele zu erschließen und damit Herausforderungen in der Entwicklung meistern zu können.

Als wissenschaftsbasierte Profession hat Soziale Arbeit die Aufgabe, ihr Wissen über Ressourcen, Ziele und lösungsorientierte Haltungen für öffentliche Entscheidungsträger zugänglich zu machen und damit als Teil sozialpolitischer Entscheidungsprozesse tätig zu werden. Lösungsorientierte Soziale Arbeit hat somit mehr zu leisten als de Shazers Beratungsansatz: Lösungsorientierte Soziale Arbeit hat über eine Bild-Code-Veränderung (Konstruktion ressourcen- und zielorientierter Bilder mittels Sprache) im personalen Rahmen hinaus eine Verbesserung tatsächlicher Lebensverhältnisse zu fördern. Das Konzept lösungsorientierter Sozialer Arbeit unterstützt die Neupositionierung Sozialer Arbeit insofern, als es nach Hosemann (2012, S. 45)

»nicht nur um eine Frage der Ressourcenverteilung geht, sondern tief greifender um den Versuch der Beeinflussung des Verhältnisses von Individuum-Staat-Gesellschaft mit der Tendenz, neue Formen der Regulierung des sozialen Verhaltens und der sozialen Verantwortung zu erreichen.«

Soziale Arbeit bietet eine autonome Ebene, auf der sich Sozialarbeiter und Klienten als Teilnehmer demokratischer Prozesse und sozialräumlicher Strukturen begegnen und Handlungsoptionen realisieren können. Insofern unterstützt lösungsorientierte Soziale Arbeit das zivilgesellschaftliche Projekt.

3.2 Soziale Arbeit entwirft Lösungen mit

Bereits Limbacher und Willig (1998, S. 131) vertraten die Ansicht, dass sich das Interesse der Systemtheorie auf die Frage verlagert hat, wie Mitglieder sozialer Systeme Wirklichkeit konstruieren bzw. rekonstruieren und wie problemerzeugende und problemstabilisierende Wirklichkeitskonstruktionen in lösungsfördernde überführt werden können. Konstruktivistische Positionen werden im Kontext der systemischen Sozialen Arbeit in den vergangenen Jahren unter Bezugnahme auf das Konzept der Autopoiesis gestützt, das seit Anfang der 1970er-Jahre von Maturana und Varela (vgl. 1987) entwickelt wurde. Dem radikalen Konstruktivismus entsprechend, wird die Annahme vertreten, dass Wirklichkeit in der Wahrnehmung »erschaffen« wird und dass Bilder der Wirklichkeit Erzeugnisse unseres Gehirns sind, die über eine wahre Wirklichkeit außerhalb unserer selbst nichts auszusagen vermögen. Daraus folgt, dass wir über die Welt nichts wissen können, außer dass bestimmte unserer Handlungen für uns nützlich sind und sich in der Welt bewähren. Wirklichkeitskonstruktion ist der zentrale Begriff, in dem sich sowohl die Subjektivität der Wahrnehmung als auch die Relativierung bewusstseinsunabhängiger Realität ausdrückt (vgl. Hollstein-Brinkmann 2000, S. 50 f.; siehe auch Kraus 2013).

Wahrnehmung ist insofern subjektiv-aktive Informationsherstellung. Schmidt (2000, S. 241 ff.) ersetzt deshalb den Begriff der Wahrnehmung durch den der Wahrgebung. Infolge dieser »Wahrgebung« werden von unterschiedlichen Systemen Unterschiede konstruiert, die dann unter spezifischen Konstellationen zu Konfrontationen führen, welche letztlich Konfrontationen unterschiedlicher Realitätskonstruktionen sind. Jeder sieht dieselbe Sache doch wieder anders, und jeder beharrt auf seinen Realitätsannahmen, als ob sein Bild von der Welt die wirkliche Wirklichkeit repräsentieren würde. Grundlegend für die konflikthafte Eskalation, die daraus entstehen kann, ist: Wir merken nicht, dass wir Subjektives konstruieren, sondern denken, dass wir Objektives wahrnehmen (vgl. Bamberger 2010, S. 21).

De Shazer (2009, S. 74) erachtet infolge solch unterschiedlicher Wirklichkeitskonstruktionen Sprache als zentrales Instrument dafür, von einem Problem- in ein Lösungserleben zu gelangen:

»Mit dem Klienten darüber zu sprechen, was das Problem/ die Beschwerde nicht ist, z. B. ›Nichtdepression‹, ist eine Möglichkeit, Missverständnisse kreativ zu nutzen. Der Fokus ›Nichtdepression‹ erlaubt es der Therapeutin und dem Klienten, auf Basis der Erfahrungen des Klienten außerhalb des Problembereichs gemeinsam eine Lösung zu konstruieren oder wenigstens damit anzufangen.«

Die Grundlagen der lösungsorientierten Sozialen Arbeit stellen insofern die Grundlagen der Grammatik der lösungsorientierten Sprache dar. In der sozialarbeiterischen Interaktion als Kommunikation werden entlang dieser Grammatik Lösungen konstruiert. Gleichzeitig sollte der Sozialarbeiter in der Lage sein, die damit entstehende Sinngebung im Hinblick auf ihre temporäre Relevanz einzustufen, denn:

»Man soll diese Nötigung, Begriffe […] zu bilden […], nicht so verstehen, als ob wir damit die wahre Welt zu fixieren imstande wären; sondern als Nötigung, uns eine Welt zurechtzumachen, bei der unsere Existenz ermöglicht wird […]. Die Welt erscheint uns logisch, weil wir sie erst logisiert haben« (Nietzsche 1968, S. 282, zit. nach de Shazer 2009, S. 73).

Die Tatsache temporärer Sinnbildung wurde von Ludewig (2000, S. 37) für systemische Beratung folgendermaßen ausgedrückt:

»Was uns bliebe, wäre die Gewissheit, dass wir es zu jeder Zeit mit sich wandelndem Wissen zu tun haben: Man weiß, dass man nichts weiß, und doch muss man handeln. Da dies aber nicht leicht auszuhalten ist, benötigen wir, um uns in der Welt zurechtzufinden, ein Mindestmaß an anschlussfähigen Selbstverständlichkeiten, also Wissen.«

3.3 Soziale Arbeit lässt sich an ihrer Wirksamkeit messen

Schönig (2012) hat zu einer Auseinandersetzung mit der luhmannschen Systemtheorie angemerkt, sie biete keine ausreichende Grundlage dafür, die Zielrichtung einer sozialarbeiterischen Intervention zu begründen und zu legitimieren. Er verwies gleichzeitig auf Möglichkeiten, diese Lücke mit Rückgriff auf den deweyschen Pragmatismus zu füllen.

Nach vorliegendem Verständnis impliziert Lösungsorientierung einige Bezugspunkte hinsichtlich pragmatistischer sowie utilitaristischer Argumentationslinien.

Für den lösungsorientierten Ansatz der Beratung betonte de Shazer (2009), dieser Ansatz sei nicht aus einer Metatheorie, sondern aus der alltäglichen beraterischen Praxis entstanden. In experimenteller Weise habe er beraterische Anteile beibehalten bzw. ausgesondert, je nach ihrem Erfolg in der Anwendung.

Entlang dieser Vorgehensweise stimmt de Shazer mit der pragmatistisch-utilitaristischen Tradition überein. Aus pragmatistischer Perspektive ist Wahrheit eine Gegebenheit oder ein Geschehen, bei der bzw. dem sich Vorstellungen in der Praxis bewähren (vgl. Kitcher 2013). Dem Pragmatismus zufolge sind es die praktischen Konsequenzen und Wirkungen einer lebensweltlichen Handlung oder eines natürlichen Ereignisses, die über die Bedeutung eines Gedankens entscheiden. Entsprechend schlugen die Vertreter des Pragmatismus als Methode der Wissensvermehrung vor, nur noch das als Wissen zu akzeptieren, was anhand von Experimenten intersubjektiv nachprüfbar ist bzw. nachgeprüft wurde. In seiner Theorie der Bedeutung war der Pragmatismus dann auch darauf gerichtet, Vorstellungen aller Art im Hinblick auf ihre möglichen praktischen Wirkungen zu beurteilen.

Im Anschluss an die konstruktivistische Erkenntnis, dass wir über die Welt nichts wissen können, außer dass bestimmte unserer Handlungen für uns nützlich sind und sich in der Welt bewähren, setzte de Shazer (2009) zentral neben das Primat der Praxis die Idee der Nützlichkeit. Er gestaltete das Konzept lösungsorientierter Beratung entlang von Nützlichkeitserwägungen und betrachtete die Tatsache postmoderner, pluraler Sinngebung und daraus entstehender Missverständnisse als eine der Aufforderungen an den Berater, statt einer Problemanalyse die Konstruktion von Lösungsbildern zu präferieren (vgl. ebd., S. 74):

»Im Endeffekt erscheint es nützlicher, die Situation so hinzunehmen, wie sie ist, und unsere gesammelten Missverständnisse dazu zu benutzen, dem Klienten bei der Konstruktion einer Lösung zu helfen.«

Bentham (1789, zit. in Höffe 2013, S. 55 f.) beschreibt den für den Utilitarismus zentralen Gedanken:

»Mit dem Prinzip des Nutzens ist jenes Prinzip gemeint, das jede beliebige Handlung gutheißt oder missbilligt entsprechend ihrer Tendenz, das Glück derjenigen Gruppe zu vermehren oder zu vermindern, um deren Interessen es geht. […] Mit Nutzen ist diejenige Eigenschaft an einem Objekt gemeint, wodurch es dazu neigt, Wohlergehen, Vorteil, Freude, Gutes oder Glück zu schaffen.«

Auch im konstruktivistischen Sinne bewähren sich Wirklichkeitskonstruktionen am weiteren Erleben (oder auch nicht). Dies führt dazu, dass das Individuum primär solche Konstruktionen als wahr erachtet, die für sein Wohlbefinden und seine Existenz im Zusammenleben mit anderen nützlich sind. Diese Abhängigkeit von den Sichtweisen und Verhaltensreaktionen der anderen begründet eine in vieler Hinsicht gemeinsame Welt der...

Kategorien

Service

Info/Kontakt

  Info
Hier gelangen Sie wieder zum Online-Auftritt Ihrer Bibliothek