Jugendgewalt im städtischen Raum - Strategien und Ansätze im Umgang mit Gewalt

Jugendgewalt im städtischen Raum - Strategien und Ansätze im Umgang mit Gewalt

 

 

 

von: Rainer Kilb

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN: 9783531914329

Sprache: Deutsch

190 Seiten, Download: 997 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Jugendgewalt im städtischen Raum - Strategien und Ansätze im Umgang mit Gewalt



"3 Über den möglichen Zusammenhang von städtischem Umfeld, Baustruktur und Gewalttätigkeiten Jugendlicher (S. 53-54)

„Zu allen Zeiten und in allen Städten haben übrigens Jugendliche aus dem gleichen Wohnquartier Banden gebildet und mit denen anderer Nachbarschaften Kämpfe ausgetragen. Dabei handelte es sich um natürliche Gesellungsvorgänge in der Protestphase der Pubertät. Erst bei Zielsetzungen wie denen der jugendlichen Gangs, die New Yorks Untergrundbahnen unsicher machen, hat der Unfug einen Destruktionsgrad angenommen, der ernsthaft gefährlich ist und prognostisch im Hinblick auf diese Zeichen der Verwahrlosung beunruhigen muss. Denn hier organisiert sich die nicht sozial integrierte und infantil bleibende bedenkenlose Aggressivität – ein Gradmesser für schlechten ‚Communityspirit’"" (Mitscherlich 1965: 113).

Alexander Mitscherlich beschäftigt sich bereits 1965 in „Die Unwirtlichkeit unserer Städte"" mit damals aufkommenden Aggressivitäten jugendlicher Bewohner der ersten deutschen Trabantenstädte, die sich von ihrer Baustruktur her nicht grundsätzlich von den französischen Banlieues unterscheiden. Mitscherlich ist neben einzelnen Soziologen der Chicagoer Schule sowie den beiden französischen Soziologen Dubet und Lapeyronnie (1994) der einzige namhafte Wissenschaftler, der einen direkten Bezug zwischen Architektur und Stadtplanung einerseits sowie dem Ausbrechen von so genannter „bedenkenloser"" Gewalt andererseits konstatiert.

Die eigentlichen Gründe für diese Vorgänge sieht Mitscherlich in den Zerstörungen des über Jahrhunderte gewachsenen Verbundsystems Stadt und in den räumlichen Trennungen der einzelnen städtischen Funktionen. Trotz solcher städtebaulicher Entwicklungen sind die von Mitscherlich befürchteten Phänomene in den meist in den 1970er Jahren unter dem Begriff der „Neuen Stadt"" entstandenen Trabantenstädten im Gegensatz etwa zu dem französischen Pendant so nicht aufgetreten.

Auch existieren in den verschiedenen Phasen städtebaulischer Quartiersgründungen und nachfolgender Entwicklungen ebenso wie durch die Formen und Strukturen einer Erstbelegung ganz unterschiedliche Phänomene der sozialen Interaktion. Mitscherlichs Annahme orientierte sich an den sozialen Zuständen einer solchen Gründerphase, in der oft Hunderte, sich in der Einzugsphase fremde Familien und Neubewohner in einem relativ kleinen Zeitkorridor an einem spezifischen Ort zusammenzogen und ohne ein bestehendes Gerüst traditioneller sozialer Strukturen und eingeübter Sozialtechniken im Umgang miteinander auskommen mussten. Solcherart Anfangsphasen waren immer schon durch teilweise turbulent verlaufende Positionierungs-, Vernetzungs- und Verortungsprozesse geprägt und galten z. B. auch zur Gründerzeit des 19. Jahrhunderts als unruhige stadtatmosphärische Zeiten.

Würde man allein die morphologischen Gegebenheiten eines städtischen Areals, also etwa die Bauweise selbst, den Verdichtungsgrad, die baulichen Anordnungen, die räumlichen Strukturen von Wohnungen, den baulichen Zustand von Räumen, Häusern und Quartieren, das Vorhandensein einer zeitgemäßen Infrastruktur, die Versorgung mit Grünflächen und Frischluftzufuhr oder die ästhetische Gestaltung von Haus- und Freiflächen zum Ausgangspunkt der Betrachtung einer möglichen Impulswirkung auf gewalttätige Aktivitäten machen wollen, würde man eine zunächst rein statische Kulisse mit einem am Ende einer Prozesskette stehenden, durch komplexe Einwirkungen und biografische Entwicklungen entstandenen Verhaltensphänomen in einen kausalen Kontext stellen.
Sämtliche diese Prozesskette ebenfalls mit gestaltenden Einflussfaktoren würden dabei ausgeklammert bleiben. Deshalb soll es hier darum gehen, einerseits diese ‚statische Kulisse’ in ihren unterschiedlichen Funktionen auf soziale Prozesse zu thematisieren und speziell die vermittelnden, fördernden und auch hemmend-verhindernden Impulse für gewaltaffine Verhaltensmuster herauszuarbeiten. Dies kann selbstverständlich nur gelingen, wenn andere Einflussfaktoren mit in einen solchen Entstehungskreislauf oder -prozess integriert werden."

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