Alter, Gesundheit und Krankheit - Handbuch Gesundheitswissenschaften

Alter, Gesundheit und Krankheit - Handbuch Gesundheitswissenschaften

 

 

 

von: Adelheid Kuhlmey, Doris Schaeffer (Hrsg.)

Hogrefe AG, 2008

ISBN: 9783456945736

Sprache: Deutsch

433 Seiten, Download: 3832 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Alter, Gesundheit und Krankheit - Handbuch Gesundheitswissenschaften



Soziale Ungleichheit, Gesundheit und Krankheit im Alter (S. 120-121)

Olaf von dem Knesebeck

Die Auseinandersetzung mit den Ursachen, Erscheinungsformen, Wirkungen und Veränderungen von sozialer Ungleichheit bildet eines der zentralen Erkenntnis- und Forschungsinteressen der Soziologie. Unter sozialer Ungleichheit wird im Allgemeinen die gesellschaftlich hervorgebrachte, relativ dauerhaft vorgegebene Struktur ungleicher Verteilung von knappen und begehrten Gütern und Ressourcen auf die Mitglieder einer Gesellschaft verstanden, welche die Realisierung von allgemein akzeptierten Zielvorstellungen beeinflussen. Als relevante Dimensionen sozialer Ungleichheit in modernen Gesellschaften gelten materieller Wohlstand, Macht, Prestige und Bildung (Hradil 1999).

Zur empirischen Erfassung sozialer Ungleichheit in modernen Gesellschaften werden meistens die Indikatoren Bildungsabschluss, berufliche Position und Einkommen herangezogen. Die bessere oder schlechtere Stellung eines Menschen im Oben und Unten einer Dimension sozialer Ungleichheit wird üblicherweise als „Status“ und eine Anzahl von Menschen mit ähnlich hohem Status als „Statusgruppe“ bezeichnet. Im Laufe der soziologischen Erforschung sozialer Ungleichheiten sind unterschiedliche Gruppen diskutiert worden, diese erstrecken sich in einer zeitlichen Abfolge von Ständen über Klassen und Schichten bis zu komplexen Soziallagen und sozialen Milieus (Kreckel 1992, Hradil 1999, Geißler 2002).

Die gesundheitsrelevanten Auswirkungen sozialer Ungleichheit werden seit langem von Disziplinen wie der Medizinsoziologie oder der Sozialepidemiologie thematisiert und in der neueren Forschung unter dem Begriff „gesundheitliche Ungleichheit“ (Richter &, Hurrelmann 2006a) diskutiert. Die meisten Studien zum Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Morbidität bzw. Mortalität sind allerdings mit Populationen unterhalb des Rentenalters durchgeführt worden. Erst in den letzten Jahren ist das Thema für das höhere Lebensalter entdeckt worden und langsam mehren sich die Arbeiten, die den Fragen nachgehen, ob gesundheitliche Ungleichheiten auch im höheren Lebensalter nachweisbar sind und ob bzw. in welcher Weise sich der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit mit zunehmendem Alter verändert. Diese Entwicklung ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass das höhere Alter zunehmend als eine Lebensphase anerkannt wird, die durch deutliche interindividuelle und soziale Unterschiede gekennzeichnet ist.

Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, einen Überblick über den Forschungsstand zum Thema „Soziale Ungleichheit, Gesundheit und Krankheit im Alter“ zu geben. Im ersten Abschnitt erfolgt eine alterssoziologische Betrachtung von Ungleichheitsstrukturen, indem der Frage nachgegangen wird, welche Indikatoren zur Beschreibung von sozialer Ungleichheit im Alter angemessen sind und wie sich die sozialen Ungleichheiten im Verlauf des höheren Lebensalters verändern. Im zweiten Abschnitt wird ein kurzer Überblick über den aktuellen Forschungsstand zum Ausmaß und zur Erklärung gesundheitlicher Ungleichheiten gegeben. Im dritten Abschnitt wird schließlich anhand ausgewählter nationaler und internationaler Studien die Bedeutung sozialer Ungleichheit für die Gesundheit und Krankheit im höheren Lebensalter aufgezeigt. Darüber hinaus werden mögliche Erklärungsfaktoren für die gesundheitliche Ungleichheit im höheren Lebensalter angesprochen.

Soziale Ungleichheit im Alter

Im Zuge der in der deutschen Soziologie seit den 1980er Jahren geführten Diskussion über die (abnehmende) Bedeutung der oben genannten vertikalen Ungleichheitsdimensionen und über die Entwicklung „neuer“ Ungleichheiten wie Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit ist von verschiedenen Seiten vorgebracht worden, dass die in der Ungleichheitsforschung weit verbreiteten berufsbezogenen Merkmale nicht auf alle Teile der Bevölkerung in gleichem Maße anwendbar sind (z. B. Kreckel 1992, Hradil 1999, Geißler 2002). Dies trifft auch auf die Population der älteren Menschen zu, die das Erwerbssystem verlassen haben. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit klassische Schichtmerkmale wie Bildung, Beruf oder Einkommen als Ungleichheitsindikatoren im höheren Lebensalter relevant und angemessen sind bzw. welche anderen Merkmale die soziale Position alter Menschen konstituieren und für diese spezielle Population gesellschaftlich prägende Kraft besitzen (O’Reilly 2002). Obgleich die klassischen Schichtindikatoren in der empirischen Erforschung von Ungleichheitslagen im höheren Lebensalter verwendet werden, muss diese Frage als bislang nicht hinreichend geklärt angesehen werden.

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