Aktivierende Sozialpädagogik - Ein kritisches Glossar

Aktivierende Sozialpädagogik - Ein kritisches Glossar

 

 

 

von: Bernd Dollinger, Jürgen Raithel (Hrsg.)

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2006

ISBN: 9783531903538

Sprache: Deutsch

228 Seiten, Download: 1360 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Aktivierende Sozialpädagogik - Ein kritisches Glossar



Aktivierungspolitik. Eine sozialpolitische Strategie und ihre Ambivalenz für soziale Dienste und praxisorientierte Forschung (S. 23)

Werner Schönig

1. Einleitung

Im Zuge des internationalen und auch in Deutschland zu beobachtenden Reformgeschehens ist der Sozialstaat strukturell in Bewegung geraten. Von diesem Strukturwandel sind die großen Sozialversicherungsträger und auch einzelne Handlungsfelder betroffen, wie insbesondere jene, die von den sozialen Diensten (hier synonym für Sozialpädagogik und Sozialarbeit) mit abgedeckt werden. Im Folgenden werden die dabei anstehenden Fragen in drei Aspekten zusammengefasst.

Erstens ist die Frage zu beantworten, was eigentlich die Strukturveränderungen hin zu einer Aktivierungspolitik sind und welche Rolle den sozialen Diensten hierbei zukommt. Hieran schließen sich zweitens Überlegungen an, welche Ambivalenzen für die sozialen Dienste und die praxisorientierte Forschung mit dieser sozialstaatlichen Funktionszuweisung einhergehen. Schließlich stellt die Aktivierungspolitik die Frage des Erfolgsnachweises in ungekannter Konsequenz, so dass dieser Frage die abschließenden Überlegungen gewidmet sind.

2. Aktivierungspolitik als sozialstaatliche Strukturveränderung

2.1 Der aktivierende Sozialstaat

Das Konzept des aktivierenden Sozialstaats wurde in Deutschland Anfang der 1990er Jahre entwickelt und anschließend rasch in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion aufgegriffen. Mit dem Konzept wurde einerseits versucht, die deutsche Reformdiskussion richtungsweisend neu zu beeinflussen und damit an die aktuelle internationale Diskussion anzuschließen.

Andererseits konnten diese Vorstöße auf eine breite internationale staatstheoretische Diskussion, die bis in die 1970er Jahre reicht, zurückgreifen (vgl. Evers 2000, 13 – 18). Grundidee des aktivierenden Staats ist es, „staatliches Handeln auf die Mobilisierung und Unterstützung gesellschaftlicher Anstrengungen zur Reorganisation öffentlicher Aufgaben auszurichten. [...]

Eine solche Konzeption eines die Gesellschaft aktivierenden Staates, eines Staates als Entwicklungsagentur (anstelle eines Leistungsstaates), böte jedenfalls die Chance, dass Staatshandeln mit der Zwickmühle aus Allzuständigkeit und Beschränktheit umgehen kann“ (Bademer u.a. 1995, S 58). Diese sozialstaatliche ‚Aktivierungs-Grundorientierung’ hat in der internationalen Diskussion weite Verbreitung gefunden und für die nationalen Sozialstaaten einen spürbaren Bedeutungsgewinn ‚sozialer Investitionen’ und ‚unterstützungskompetenter Professionen’ gebracht (vgl. den einleitenden Beitrag von Dollinger in diesem Band).

So zeigt der internationale Vergleich über die letzten zwei Jahrzehnte eine Konsolidierung und einen Formwandel des Sozialstaats (vgl. ausführlich Schönig 2003). Gemessen an der Entwicklung der Sozialleistungsquote im Durchschnitt der OECD-Staaten sowie insbesondere auch in Deutschland, Schweden, Frankreich, Großbritannien und den USA zeigt sich, dass die Sozialstaatsreformen auch in den neunziger Jahren tendenziell nicht zu einem deutlichen Absinken der Sozialleistungsquote geführt haben (vgl. Pierson 2001, Taylor-Gooby 2001, 1-8).

Zwar hat sich die enorme Expansion des Sozialbudgets und auch der Sozialleistungsquote im Zeitraum von 1950 bis 1990 – dem ‚goldenen Zeitalter’ – nicht in einer weiteren Expansion fortgesetzt (vgl. Leisering 2004, 18). Dies wäre wohl auch unmöglich gewesen. Immerhin hat jedoch die Entwicklung der letzten Dekade gezeigt, dass der Durchschnitt der OECD-Staaten in eine Phase der Konsolidierung eingetreten ist, die auch als ‚silbernes Zeitalter’ (Taylor- Gooby 2002, 598) der Sozialstaatsentwicklung bezeichnet wird (vgl. auch Wagschal 2000, 91, Döring 1999, 29ff.). Allerdings: Diese Konstanz der Sozialleistungsquoten sollte nicht den Blick auf die Akzentverschiebungen innerhalb des sozialpolitischen Instrumentariums verstellen.

Hier zeigt sich im Durchschnitt der OECD-Länder eine relative Zunahme von gebundenen Transfers und Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen (Abbildung 1). So geht z.B. in der Arbeitsmarktpolitik eine leichte Absenkung der Ausgabenanteile für Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit mit einem deutlich gestiegenen Ausgabenanteil für aktive Arbeitsmarktpolitik einher, analog steigen in der Familienförderung die Sachleistungen stärker als die Geldleistungen.

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