Der Weg entsteht im Gehen. Praktische Projektarbeit in der Behindertenpädagogik

Der Weg entsteht im Gehen. Praktische Projektarbeit in der Behindertenpädagogik

 

 

 

von: Thomas Hülshoff, Stefan Pöhler (Hrsg.)

Lambertus Verlag, 2002

ISBN: 9783784113944

Sprache: Deutsch

223 Seiten, Download: 1242 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Der Weg entsteht im Gehen. Praktische Projektarbeit in der Behindertenpädagogik



4. Projektarbeit mit sinnesbehinderten Menschen (S. 138-139)

4.1 SOZIALPÄDAGOGISCHE GESICHTSPUNKTE BEI DER BEGLEITUNG SINNESBEHINDERTER MENSCHEN.

Thomas Hülshoff und Stefan Pöhler

In den vergangenen Jahren beschäftigten wir uns in unterschiedlichen Projekten mit der Begleitung bzw. Förderung sinnesbehinderter Menschen. So wurde beispielsweise in einjähriger Arbeit mit mehrfach Behinderten hörgeschädigten Menschen ein Schwarzlichttheaterstück projektiert und aufgeführt (vergleiche Hülshoff, Pöhler u.a. 2001: 183ff.), ein Treffpunkt für Suchtmittelabhängige hörgeschädigte Menschen konzipiert und eingerichtet, Kommunikations- und Orientierungsstrukturen für mehrfach sinnesbehinderter Menschen entwickelt oder gezielte Schulungen für Pädagogen im Hörbehindertenbereich erarbeitet (vgl. Lindemann und Pöhler, 2001:115ff.). Die pädagogische Arbeit mit mehrfach sinnesbehinderten Menschen ist eine große Herausforderung. Allen Klienten, die wir begleiten durften, war zunächst eine Hörstörung gemeinsam.

Hörstörungen lassen sich in 4 Kategorien einteilen: nach dem Ort der Hörstörungen (ob es sich um eine Weiterleitungsstörung oder um eine Verarbeitungsstörung im Innenohrbereich handelt,) von der Schwere der Hörstörung (leichte Hörstörung bis hin zur Gehörlosigkeit), hinsichtlich der Ursache z.B. (genetisch, infektiös oder traumatisch bedingt) und schließlich nach dem Zeitpunkt des Auftretens (bei Geburt, vor Spracherwerb, im späteren Leben).

Die von uns begleiteten Klienten hatten in der Regel eine frühe, vor Spracherwerb aufgetretene hochgradige Hörstörung, die folglich auch dem Spracherwerb schwer beeinträchtigte. Oft war die Hörstörung mit anderen Syndromen assoziiert. Hinsichtlich der Hörstörung galt es zu untersuchen, welche Art die kommunikativen Schwierigkeiten waren. Die das Projekt begleitenden Studierenden lernten die deutsche Gebärdensprache in Grundzügen und lernten den Wohn- und Freizeitalltag ihrer Klienten in einer zweimonatigen Blockphase kennen. Ein Teil der Klienten wies neben der Hörbeeinträchtigung andere sensorische Behinderungen auf, z.B. Gleichgewichtsstörungen. (Das Vestibular organ ist dem Hörorgan eng benachbart und bei bestimmten Syndromen ähnlicher Weise geschädigt.) Wie Feismann und Focke aufzeigen, kann eine Kombination von Hör-, Gleichgewichts- und Sehstörungen zu sehr spezifischen Schwierigkeiten führen.

Andere Klienten zeigten zusätzliche progressive Sehbeeinträchtigungen. Sehstörungen können hinsichtlich des Schweregrades, der Lokalisation, der Ursache und dem Zeitpunkt ihres Auftretens differenziert werden. Neben dem Grad der Sehbehinderung, oft in Prozent angegeben, sind auch qualitative Dimensionen zu beachten: Es ist ein Unterschied, ob man tunnelförmig scharf sehen kann und in der Peripherie gehandicapt ist, oder ob im Gegenteil das periphere Sehen funktioniert, das scharfe Sehen aber beeinträchtigt ist, so dass Sehen und Lesen nicht mehr möglich sind. Eine weitere Differenzierung, insbesondere von Seh- und Wahrnehmungsstörungen, finden sich bei Hülshoff 2001: 41ff.).

Wieder andere Klienten mit schwerer prälingual aufgetretener Hörbeeinträchtigung waren aus unterschiedlichen, oft biografisch mit bedingten Gründen in eine Suchtmittelabhängigkeit (vorwiegend Alkoholabhängigkeit) geraten. Neben ihrer primären Sinnesbehinderung hatten sie zum Teil mit Depressionen und Folgen einer Alkoholkrankheit zu tun. Generell lässt sich festhalten, dass ein Mehrfachbehinderung oder eine Mehrfachbeeinträchtigung durch unterschiedliche Belastungsfaktoren die Schwierigkeiten nicht addiert, sondern potenziert.

So kann jemand, der „nur" hörbehindert ist, via Gebärdenssprache adäquat kommunizieren. Die deutsche Gebärdensprache ist ähnlich wie die american sign language, eine voll elaborierte Sprache, in der wissenschaftliche Vorträge gehalten und hochkomplexe Zusammenhänge erläutert werden können. Eine zusätzliche, schwere Sehbehinderung kann dazu führen, dass dieser Kommunikationsweg erheblich erschwert oder sogar unmöglich wird.

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