Pflegekonzept Comfort - Theorie und Praxis der Förderung von Wohlbefinden, Trost und Entspannung in der Pflege

Pflegekonzept Comfort - Theorie und Praxis der Förderung von Wohlbefinden, Trost und Entspannung in der Pflege

 

 

 

von: Katharine Kolcaba, Jürgen Georg, Diana Staudacher, Angelika Zegelin

Hogrefe AG, 2014

ISBN: 9783456951935

Sprache: Deutsch

184 Seiten, Download: 2686 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Pflegekonzept Comfort - Theorie und Praxis der Förderung von Wohlbefinden, Trost und Entspannung in der Pflege



Kapitel 1 – Comfort als Herzstück der Pflege (S. 25-26)

Comfort kann eine schützende Decke sein oder ein Gespräch, eine Salbe für mein wundes Knie; ein offenes Ohr für mein Leiden, Socken, die meine Füße wärmen; ein Medikament gegen Schmerzen, jemand, der mich beruhigt; ein Anruf meines Arztes oder eines Freundes, ein Rabbi oder ein Priester, wenn mein Leben endet. Comfort ist, was auch immer ich als wohltuend wahrnehme, etwas Lebensnotwendiges – und zugleich sehr Persönliches.
S. D. Lawrence (Kolcaba, 1995b: 289)

Comfort für Patienten und Comfort Care sind individuelle, ganzheitliche und vielschichtige Begrifflichkeiten. Vor etwa 15 Jahren begann ich, mich in diese Themen zu vertiefen, nachdem ich sie in meiner täglichen pflegerischen Praxis «entdeckt» hatte. Nach der Erkundungsund Erklärungsphase verbrachte ich viele Jahre damit, zu analysieren, zu definieren, zu operationalisieren, zu theoretisieren und zu testen, was Comfort für Patienten in verschiedenen Situationen bedeutet. In diesem Kapitel beschreibe ich, wie mein Anliegen sich entwickelt hat und warum mir Comfort so wichtig war.

Dann stelle ich dar, wohin mich dieser Forschungsprozess führte, wie ich Comfort in einfachen Worten erklärte, als Pflegeergebnis definierte und schließlich in die interdisziplinäre Gesundheitsversorgung einführte. Schließlich stelle ich im Detail dar, wie sich Comfort anhand eines Diagramms messen lässt. Ergänzend dazu formuliere ich eine Definition dieses reichhaltigen Begriffs, der so viele Dimensionen hat. Die Klassifikation von Comfort bildet das Fundament für die Arbeit mit dem Konzept. Wie bedeutsam diese Klassifikation ist, wird im Folgenden deutlicher werden. Am Schluss des Kapitels stehen Gedanken zum Comfort-Zitat. Das Wesentliche der Pflegepraxis Seit fünfzehn Jahren beschäftige ich mich mit dem Begriff Comfort. Diese Arbeit begann mit einer Aufgabe von Dr. Rosemary Ellis in einem Seminar zum Thema «Einführung in Pflegetheorie ». Wir sollten unsere Pflegepraxis in einem Diagramm darstellen. Dies schien eine leichte Aufgabe. Dabei sollten wir Begrifflichkeiten verwenden, die für unser Setting spezifisch waren und sich in der Literatur fanden. Zwischen den Begrifflichkeiten sollten wir Zusammenhänge herstellen und sie mit Richtungspfeilen sowie Plus- und Minuszeichen graphisch sichtbar machen. Diese Aufgabe forderte uns zum Nachdenken heraus: Was war das Wesentliche unserer Pflegepraxis? Welche Hoffnungen machten wir uns in Bezug auf unsere Patienten? Was wollten wir für Patienten in einem spezifischen Pflegesetting erreichen? Wie könnten wir die Patienten beim Erreichen dieser Ziele unterstützen? All dies in einem einzigen Diagramm darzustellen, war eine Übung, die präzises Denken erforderte. So begann meine intensive Reflexion hinsichtlich des Stils und der Werte meiner Pflege.

Sensibilität für die Bedürfnisse der Patienten In den späten 1980er Jahren leitete ich eine Station für Patienten mit Demenz. Es gab vieles, das ich an der Pflege dieser Menschen sehr ansprechend empfand. Ein besonders interessanter Aspekt beeinflusste jedoch meine Reaktion auf Rosemary Ellis’ Aufgabe: Die fünfzehn Bewohnerinnen und Bewohner waren der Sprache im üblichen Sinne nicht mächtig. Sie sprachen auf eine sehr individuelle Weise. Vor allem in den späteren Stadien der Demenz waren mir ihre Laute zwar vertraut, doch sie waren auf ungewohnte, eigenwillige Weise miteinander verbunden.

Darüber hinaus waren die Bewohnerinnen und Bewohner sehr verletzlich, da jede geringfüge körperliche oder emotionale Veränderung sie aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Dann hatten sie nicht mehr die Kraft, ihre Emotionen zu kontrollieren. Die Literatur zur Demenzpflege beschreibt dieses Verhalten als «herausfordernd», «agitiert», «aggressiv» oder «unkooperativ» (Schwab et al., 1985). Eine solche emotionale Erregtheit kann entstehen, sobald der Organismus aus seinem Gleichgewicht gerät, etwa durch eine Verletzung, eine Infektion, Dehydratation, Obstipation oder durch ein emotionales Trauma.

Zeigte einer unserer Bewohner eine intensive emotionale Reaktion, befand sich bald die ganze Station in Aufruhr. Die «Agitiertheit» einer Person führte dazu, dass die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls ein solches Verhalten zeigten. Es war daher wichtig, solche Situationen zu verhindern oder möglichst wirksam auf sie einzuwirken. Unser Problem lag darin, dass die Bewohnerinnen und Bewohner nicht mit Worten zum Ausdruck bringen konnten, was mit ihnen geschehen war oder woran sie litten. Wir mussten «Detektive» sein und anhand der Körpersprache eines Bewohners, seiner Langzeitanamnese, seines Ausdrucksverhaltens, seiner Handlungen, seiner Besucher und jeglicher individueller Risikofaktoren Vermutungen über sein momentanes Problem anstellen. Beispielsweise konnte ein leichter Harnwegsinfekt zu «Agitiertheit » ohne jedes weitere Symptom führen. Angesichts dieser besonderen kommunikativen Voraussetzungen wurden wir sehr sensibel für die Bedürfnisse der Bewohner und für die Hintergründe ihres Verhaltens.

Comfort als wünschenswerter Zustand In der Literatur zur Pflege von Menschen mit Demenz fand ich außer «Agitiertheit» auch Begriffe wie «förderliche Umgebung» und «Optimalfunktion ». Diese drei Begriffe waren die Grundlagen meines Diagramms und ich stellte Beziehungen zwischen ihnen her. Eine «förderliche Umgebung» ist das therapeutische Milieu, das den Bedürfnissen gebrechlicher Patienten entsprechend angepasst wird (Wolanin & Phillips, 1981).

Im Diagramm unterteilte ich die Erscheinungsformen der «Agitiertheit» in physische und psychische, da unsere «Detektivarbeit» mit der Untersuchung dieser beiden unterschiedlichen, aber miteinander verflochtenen Ursachen begann. Dann dachte ich darüber nach, wie wir auf unserer Station «Agitiertheit» zu verhindern versuchten. Diese pflegerischen Interventionen nannte ich Comfort-Interventionen. Als «Optimalfunktion» konzeptualisierte ich die Fähigkeit, am Alltagsleben teilzunehmen, beispielsweise den Tisch zu decken, sich zu waschen und anzuziehen, einen Salat zuzubereiten oder sich einem ergotherapeutischen Programm bis zum Schluss zu widmen (Wolanin & Phillips, 1981). Was taten die Bewohnerinnen und Bewohner in der Zwischenzeit? Wie sollte ich als Stationsleiterin den Zustand der «Normalität» für die Bewohnerinnen und Bewohner beschreiben?

Welche Verhaltensweisen zeigten sie, wenn sie sich im Gleichgewicht befanden und nicht «agitiert» waren? Wie könnte ich diesen Zustand nennen, der für meine Pflegepraxis so wichtig schien und den die Bewohnerinnen und Bewohner nicht in Worte fassen konnten?

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