Mit Tieren leben im Alter
von: Marianne Gäng, Dennis Turner
Ernst Reinhardt Verlag, 2005
ISBN: 9783497603275
Sprache: Deutsch
209 Seiten, Download: 11816 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Die Bedeutung von Haustieren fur das seelische Erleben von alteren Menschen (S.23)
Von Simone de Smet
Was bedeutet dem einzelnen Menschen sein Haustier? Welche hilfreichen Auswirkungen kann die Beziehung Mensch-Tier auf das seelische Erleben haben? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich alle Hamburger Alten- und Pflegeheime uber ihre Tierhaltung im Heim befragt. Mit Heimleitungen und Bewohnern habe ich zahlreiche Gesprache gefuhrt. Uber die wichtigsten Erkenntnisse werde ich im Folgenden berichten, die meisten Fallbeispiele stammen aus dieser Untersuchung (vgl. auch de Smet 1983).
Tiere helfen Menschen gegen Einsamkeit
Anlasslich eines Besuches in einem Hamburger Alten- und Pflegeheim mit meiner Hundin Pia, kam ich mit einer Bewohnerin ins Gesprach, die mit ihrer eigenen Katze ihr Zimmer teilt. Diese Frau erzahlte mir, dass sie schon bei ihrem Einzug ins Heim gerne ein Haustier gehalten hatte, jedoch die Frage, ob sie eine Katze halten durfe, einfach nicht zu stellen wagte. Sie fuhlte sich in dem Heim sehr wohl, litt aber unter starken Einsamkeitsgefuhlen. Oft sas diese Frau in ihrem Zimmer und starrte einfach so vor sich hin. Jeder Tag wurde unendlich lang und nur die Essenszeiten versprachen eine kurze Abwechslung.
Eines Tages sprach sie eine Pflegerin an und erzahlte ihr, dass sie einen grosen Wunsch noch offen hatte. Sie wurde so gerne wieder eine Katze haben. Sie ware dann nicht mehr so allein. Sie erinnere sich an die schone Zeit mit ihrer Katze, als sie noch berufstatig war. Jetzt hatte sie viel Zeit, sich um die Katze zu kummern, sie zu streicheln, mit ihr zu schmusen und sie einfach auf ihrem Bett zu beobachten. Zum Gluck war in diesem Heim schon haufiger uber die Mog lichkeit, Haustiere mit aufzunehmen, diskutiert worden, und so traf die alte Dame mit ihrer Anfrage, ein eigenes Haustier halten zu durfen, auf offene Ohren. Kurz danach wurde eine Katze gefunden, die an ein Leben in einer Wohnung gewohnt war, und schnell in ihr neues Domizil im Altenheim hineinfand.
Seitdem ist der Tag nicht mehr so eintonig und langweilig. Die Katze schaffte es, Lebendigkeit und Frohlichkeit in das Leben der alten Frau zuruckzubringen. Keine Mitarbeiterin hat sich je uber Mehrarbeit durch das Tier beschwert. Die Pflegerinnen haben im mer ein nettes Wort fur die Katze ubrig und haben so auch schnell immer wieder einen intensiven Kontakt zu der Bewohnerin. Das tagliche Bursten und Streicheln der Katze gehort zu den liebsten Beschaftigungen der Bewohnerin. Nach eigenen Angaben verbringt sie Stunden im Gesprach mir ihrer Katze. Die Katze sitzt auf ihrem Schos, schnurrt vor sich hin und hort zu, was ihr Frauchen redet. Einsam fuhlt die alte Dame sich nicht mehr. Tiere wirken durch ihre blose Anwesenheit forderlich auf die seelische Situation eines Menschen. Haufig ersetzen sie menschliche Gesprachspartner. Tiere konnen emotionale Lucken fullen, die durch mangelnde Sozialkontakte entstanden sind. Viele alte Menschen sind einsam. Sie wissen nicht, mit wem sie sich unterhalten sollen. Manche wollen ein Haustier halten, trauen sich aber die Versorgung nicht zu. Insbesondere altere Frauen scheuen sich manchmal, einen personlichen Wunsch auszusprechen. Sie wollen nicht unangenehm auffallen“. Sie gehoren zu einer Generation von Frauen, die wenig positive Unterstutzung erhielten, wenn sie an ihre eigenen Wunsche und Bedurfnisse dachten.