Die christliche Mystik

Die christliche Mystik

 

 

 

von: Volker Leppin

C.H.Beck, 2007

ISBN: 9783406536151

Sprache: Deutsch

129 Seiten, Download: 639 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Die christliche Mystik



VII. Einheit jenseits der Vielfalt? (S. 113-114)

Das Fortleben der Mystik in den drei christlichen Familien
1. Griechische und russische Orthodoxie

Die Orientierung am monastischen Lebensideal blieb für die römisch- katholische Form der Mystik ebenso prägend wie für die Orthodoxie: Oben war deren Entwicklung mit Gregor Palamas, der etwa zur gleichen Zeit wie Meister Eckhart lebte, verlassen worden, um die wichtigen Weichenstellungen im Westen nachzuvollziehen. Palamitische Mystik und Hesychasmus blieben lange Zeit die prägenden Gestalten von Mystik im Raum der Orthodoxie, die nicht immer mit gleicher Intensität gepfl egt wurde. Besondere Bedeutung kam dabei weiterhin dem Berg Athos mit seinen weltenthobenen Klöstern zu, wo es im 18. Jahrhundert zu einer Renaissance des Hesychasmus kam, die vornehmlich die klösterliche Spiritualität zu verinnerlichen suchte, sich auch an Laien außerhalb der Klöster wandte.

Wichtig war der Gruppe, die diese Neubelebung anstrebte, den Kollyvades, die strenge Einbindung in die traditionelle griechische Orthodoxie und die Formen der Mystik, wie sie sich seit der späten Antike herauskristallisiert hatten: Evagrius oder Maximus Confessor blieben ebenso wie Palamas entscheidende Bezugsgrößen für eine neubeginnende spirituelle Literatur, in deren Zentrum das seit alters das gepfl egte Herzensgebet stand. Vom Athos aus strahlte diese Form von Mystik auch in den Raum der slawischsprachigen Orthodoxie hinein, in der sich mit Moskau ein neues kirchliches und spirituelles Zentrum seit dem Fall Konstantinopels im Jahr 1453 herausgebildet hatte. Eine wichtige Vermittlergestalt wurde hier Paisij Velièkovskij (1722–1794). Er war mit 24 Jahren von Kiew aus auf den Athos gegangen und hatte dort den alten Hesychasmus wie auch seine Erneuerung kennengelernt. 1763 verließ er den Athos und zog mit 60 An hängern in die Moldauregion und gründete ein eigenes Kloster in Neamþ.

Der Auszug aus dem Athos bedeutete jedoch keinen Bruch mit dessen spiritueller Tradition, im Gegenteil: Die 1782 von Nikodemos Hagiorites (1749 –1809) und Bischof Makarios von Korinth (1731–1805) unter dem Titel Philokalia, Liebe zum Schönen, veröffentlichte Sammlung von Vätersprüchen über das Herzensgebet übersetzte er ins Kirchenslawische («Dobrotoljubie », 1793) und machte sie so zur Grundlage eines eigenen Frömmigkeitstypus, der an die Väter angelehnt war: Der Starec, der weise Alte, wurde nun zu einer prägenden Gestalt hesychastisch geprägter Frömmigkeit mit weiter Ausstrahlung in die russische Kultur, die sich noch in der großen Bedeutung des Starec Zosima in Dostojewskis Roman Die Brüder Karamasow zeigt.

So hatte in einer Zeit, in der die griechische Orthodoxie durch ihre äußere Notlage unter osmanischer Herrschaft auf wenige Entfaltungsmöglichkeiten, oft über den Kontakt mit dem Westen, begrenzt war, das hesychastische Erbe in dem neuen Hauptland der Orthodoxie Fuß gefasst und war prägend für eine eigene Sozialform geworden. Mit der Öffnung Russlands für den Westen wurde zunehmend das traditionelle mystische Denken auch mit neuen Einfl üssen aus dem Westen verbunden.

Charakteristisch hierfür ist Vladimir Sergeeviè Solovjov (1853– 1900), der zu einem Starec pilgerte, aber auch die Philosophien Schellings, Schopenhauers und anderer aufgriff, um östliches und westliches Denken zu einem philosophischen System zu verschmelzen, das den Anspruch der umfassenden Erklärung der Welt erhob. Gerade die darin enthaltenen Neuerungen – und die Annäherungen an Gedanken aus der antiken Gnosis – machten seinen Entwurf verdächtig. Vladimir Lossky (1903–1958) erhob gegen Solovjov den Vorwurf der Häresie und entwarf selbst eine mystische Theologie, die wieder viel stärker als die Solovjovs an die dionysische Gedankenwelt anknüpfte und sie mit der palamitischen Wesen-Ener gien-Konzeption verband.

Kategorien

Service

Info/Kontakt

  Info
Hier gelangen Sie wieder zum Online-Auftritt Ihrer Bibliothek